Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Ein dunner Strohhalm
Jena. Glaube kann Berge versetzen. Und manchmal ist Trotz ein probates Mittel, den Glauben wiederzuerlangen. Am Fuße der stolzen Kernberge in Jena wurde vor zehn Tagen schon geweint, getrauert – mit 0:1 verloren die Fußballerinnen des FF USV Jena da gegen den SC Sand. Der Strohhalm, nach zehn Jahren Bundesligazugehörigkeit den Absturz doch noch verhindern zu können, er ist wieder ein bisschen dünner geworden. Und doch ist da diese Beharrlichkeit, mit der die Vereinsverantwortlichen vom Klassenerhalt überzeugt sind: „Wir können in Duisburg gewinnen und daheim gegen Freiburg ein Remis erkämpfen. Mit diesen vier Punkten bleiben wir drin“, sagt Torsten Rödiger, der Vizepräsident des Vereins.
Am Sonntag, 14 Uhr, steht das möglicherweise vorerst letzte Heimspiel in der Bundesliga-Geschichte des FF USV Jena an. Freiburg kämpft noch um den Einzug ins internationale Geschäft. „Die werden keine Geschenke verteilen, das wissen wir“, sagt Rödiger. Doch im Fußball sei es eben doch im Rahmen des Vorstellbaren, dass ein Außenseiter gegen einen Favoriten besteht. Ganz sicher, so fügt es der Funktionär an, würden die, die auf dem Platz stehen, alles aus sich heraus holen – allein fraglich ist, ob es reicht. Man erkenne an, so sagt es Rödiger, dass die Mannschaft nach einer furchtbaren Hinrunde nun eine fruchtbare Rückserie spielt. „Hoffentlich kam die Steigerung nicht zu spät.“
Freilich hat man sich auch mit dem Szenario des Abstiegs beschäftigt. Allein die finanziellen Folgen sind verheerend. So fallen 100 000 Euro Sponsoring durch den Namensgeber der Liga
weg, zudem sinken die Zuschüsse des DFB von knapp 180 000 Euro auf unter 40 000 Euro. Eine Hauptamtlichkeit bei den Mitarbeitern der Geschäftsstelle ist so kaum noch darstellbar; auch im Trainerstab würde es Veränderungen geben. Das Gespann Katja Greulich/ Steffen Beck würde gesprengt, da die Chefin im Abstiegsfalle keinen Vertrag mehr besitzt. Der aktuelle Trainer der zweiten Mannschaft, Christian Kucharz, käme als Kandidat allein deshalb nicht infrage, da er als Landestrainer an den Thüringer
Fußball-Verband gebunden ist. Seine Arbeit mit der Reserve, die er auf Relegationsplatz sieben geführt hat, soll aber nicht umsonst gewesen sein. „Steigen wir ab, werden wir voll und ganz auf unseren eigenen Nachwuchs setzen, das Konzept, von dem wir lange nur geredet haben, auch umsetzen“, sagt Rödiger. Es werde aber
nicht so sein, dass für diesen Fall die Zweite zur Ersten wird – nein: „Wir haben jetzt schon talentierte junge Spielerinnen in der Ersten, die uns erhalten bleiben. Dazu wird es die eine oder andere routinierte Stütze geben.“So soll beispielsweise Spielführerin Susann Utes bereits signalisiert haben, auch im Bundesliga-Unterhaus für Jena auflaufen, den Neuaufbau aktiv mitgestalten zu wollen.
Die zweite Mannschaft würde dann in der Regionalliga beheimatet sein, obschon noch die Chance auf den Klassenerhalt in der Zweiten Liga besteht. Als Siebter nimmt man an der Relegationsrunde teil. Gemeinsam mit dem Siebten der Südstaffel, dem VfL Sindelfingen, den fünf Regionalligameistern und einem Zweitplatzierten werden in zwei Viererstaffeln die zwei verbliebenen freien Zweitligaplätze ausgespielt. Halten beide Jenaer Teams die Klasse, werde man das auch so weiter durchziehen, erst- und zweitklassigen Frauenfußball in Jena anbieten.
Wirtschaftlich steht es um den langjährigen Bundesligisten nicht unbedingt rosig. Auf etwa 300 000 Euro werden die Schulden beim belgischen Geschäftsmann Roland Duchâtelet derzeit taxiert. Gedankenspiele, im Falle eines Abstiegs Insolvenz anzumelden, will das Vorstandsmitglied aber öffentlich nicht kommentieren. „Wir haben viele Gespräche mit unseren Sponsoren geführt und es haben wirklich alle ihre Bereitschaft signalisiert, weiterzumachen“, sagt Rödiger. Dies zeige, dass Stadt und Region zu ihrem Frauenfußballverein stünden, erklärt der KlubVize. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl sei es auch, das ihm Mut mache für die beiden noch anstehenden Aufgaben. „Das Team auf und neben dem Platz zieht an einem Strang. Und diese Stärke kann am Ende auch den Unterschied zur Konkurrenz ausmachen“, sagt Rödiger. Fehler, ja, da habe man einige gemacht – und man werde daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Aber zunächst einmal will man Berge versetzen – nicht die Kernberge; aber jene, die dem Klassenerhalt im Wege stehen. „Der Glaube daran ist da. Wir schaffen das“, sagt Torsten Rödiger.
Sonntag, Uhr: FF USV Jena SC Freiburg (im Ernst-AbbeSportfeld)
Kapitänin Susann Utes bleibt auch bei Abstieg