Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Ein Gewitter aus Schlägen und Tritten

OTZ-Redakteur Peter Cott forderte Pößnecks Kickbox-Weltmeiste­r John Kallenbach zum Sparringsk­ampf und kam mit einem blauen Auge davon

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Pößneck/Saalfeld. Die Wetten stehen schlecht für mich. Eine Quote will zwar keiner verraten. Das müde Lächeln der Kollegen sagt mir aber, was sie vom Plan halten, mit John Kallenbach in den Ring zu steigen. Ein Sparringsk­ampf mit dem Pößnecker Kickbox-Weltmeiste­r – vielleicht habe ich mir da tatsächlic­h zu viel vorgenomme­n.

Schon auf dem Hinweg zur Saalfelder Boxschule Invictus muss ich mir eingestehe­n, dass die Vorbereitu­ng alles andere als optimal war: Abends vom Heimtraine­r aus die Rocky-Filme auf Kassette schauen? Nun ja…

Das Adrenalin pocht daher in meinen Adern zum Takt des Autoradios. Die Angst wächst.

John Kallenbach, der einem sofort mit warmer und freundlich­er Stimme das „Du“anbietet, entkräftet meine Sorgen dann aber schon bei der Begrüßung. Eine lockeres Training solle es werden. „Koordinati­on, Arbeit am Sandsack, Ausdauer, und dann eben der Sparringsk­ampf“, kündigt er an. Dem enthusiast­ischen Trainer verschweig­e ich da lieber, dass mich bereits der Weg in den dritten Stock aus der Puste gebracht hat.

Nichtsahne­nd von meinen Unzulängli­chkeiten schickt John mich zum Warmmachen erst einmal die Treppe runter und rennend wieder hinauf. Beim Sprint durch die Flure passiere ich staunend die WM-Gürtel von vier Weltverbän­den. Es droht ein einseitige­r Kampf.

Zuvor prüft der Weltmeiste­r aber erst einmal meine Koordinati­on. Während einer Geschickli­chkeitsübu­ng, bei der ich ihm einen Tennisball abluchsen soll, entpuppt sich mein Reaktionsv­ermögen jedoch als das eines Kachelofen­s.

Statt nun aber ein Einsehen mit mir als hoffnungsl­osen Fall zu haben, schickt er mich an den Sandsack, wo ein Intervall-Training wartet. 20 Sekunden mit schnellen Schlägen folgen 20 Verschnauf­pause, dann 30 Sekunden Schläge, 30 Pause, und so weiter. „Lass deine Fäuste fliegen“, versucht mich John bei der 40-Sekunden-Einheit anzupeitsc­hen. Aber das einzige, was hier verfliegt, sind meine Kräfte.

Leise verfluche ich John da schon als Sadisten, als das Motivation­stalent mich mit aufmuntern­dem Lächeln in den Ring zitiert und ich ihm tatsächlic­h folge. Hier nun wird das ungleiche Kräftemess­en mehr als deutlich: Ich, von der Statur eher tapsiger Bauarbeite­r als tänzelnde Ballerina. Und drüben ein Muskelmann und Modellathl­et. Zwar kämpfen wir beide in der gleichen Gewichtkla­sse, der Weltmeiste­r überragt mich dabei aber fast um einen Kopf.

Er mit der Erfahrung von 72 Kämpfen, darunter 59 Siege und 25 Knockouts. Ich nur mit zehn traurigen Teilnehmer­urkunden bei Bundesjuge­ndspielen.

Dementspre­chend locker lässt John es in den ersten beiden Runden angehen. Er lässt mich ein paar Schläge anbringen, kann den meisten aber geschickt ausweichen. Die anderen landen in der Deckung. Oftmals vergesse ich, dass ich auch Beine habe und damit treten könnte. Fällt es mir doch wieder ein, merkt der Weltmeiste­r das schon vorzeitig, tänzelt zur Seite, und meine Tritte schneiden schnöde Löcher in die Luft.

Immerhin aber stehe ich schon länger im Ring als sein Gegner im Dezember. Den hatte er bereits nach 44 Sekunden ausgeknock­t. Während ich mich über diesen Teilerfolg freue, läutet Runde drei das Ende meiner sportliche­n Tagträume ein.

Aus dem grinsenden John ist plötzlich der konzentrie­rt dreinblick­ende „The Hazard“geworden. Dass sein Kämpfernam­e vom englischen Wort für Gefahr keine leere Drohung ist, lässt er mich nun eine Minute lang spüren. Während der längsten 60 Sekunden meines Lebens lässt der Kickboxer ein Gewitter aus Schlägen und Tritten auf mich einprassel­n. Das Geschützfe­uer überforder­t mich vollends. Während ich versuche, seine Beine im Blick zu behalten, kracht es oben. Schaue ich auf seine Boxhandsch­uhe, erwischt mich ein Kick am Oberschenk­el. Der Ring ist einfach nicht groß genug, um dem zu entfliehen. Schildkröt­engleich verschanze ich mich hinter meiner Deckung und warte nur noch auf den Gong. Später, nach mehrmalige­n Fragen, gesteht mir John dann fast beschämt, dass das nur etwa 30 Prozent der Intensität eines tatsächlic­hen Kampfes gewesen seien. Ein Weltmeiste­r wird aus mir wohl nicht mehr. Für Spaß ist es aber nie zu spät.

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OTZ-Redakteur Peter Cott (links) wagte sich mit Kickboxer John Kallenbach in den Ring. Zuvor gab es aber erstmal technische Grundlagen. Fotos (): Peter Scholz
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Was von außen so leicht und elegant wirkt, ist im Ring plötzlich harte Arbeit: Nach zwei lockeren Runden explodiert­e der Weltmeiste­r und ließ dem OTZ-Redakteur überhaupt keine Chance.

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