Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Steinmeier zeigt zum Amtsauftakt eine klare Kante
Bundespräsident appelliert an Erdogan: „Geben Sie Deniz Yücel frei“
Berlin. Die erste große Rede des neuen Bundespräsidenten dauert 32 Minuten, aber Frank-Walter Steinmeier hat sie lange vorbereitet – in fast klösterlicher Abgeschiedenheit. Mit engsten Mitarbeitern hatte er sich in die Katholische Akademie in Berlin-Mitte zurückgezogen, auf der Suche nach Leitgedanken seiner Präsidentschaft studierte er im „Kirchenasyl“auch die Arbeit seiner Vorgänger.
Der Aufwand hat sich wohl gelohnt: Als Steinmeier am Mittwochmittag nach der Vereidigung im Bundestag seine Antrittsrede hält, stellt er sich als so staatsmännischer wie hoch engagierter Präsident vor. Er will ganz neue Akzente setzen: Der bisherige Außenminister wird sich auch in Schloss Bellevue entschieden zur internationalen Politik äußern. Schon nach drei Minuten kommt er auf die Wahlen in Frankreich, auf Russland und die USA zu sprechen – und besonders auf die Türkei.
Viel stehe dort auf dem Spiel, sagt Steinmeier. „Präsident Erdogan, Sie gefährden all das, was Sie mit anderen aufgebaut haben“, sagt er. „Beenden Sie die unsäglichen Nazi-Vergleiche!“
Und dann appelliert Steinmeier an Erdogan: „Geben Sie Deniz Yücel frei.“Starker Beifall. So klar und scharf hat sich ein Staatsoberhaupt selten zu tagespolitischen Fragen geäußert. Die zentrale Fragen lauten für ihn: Wie fest sind die Fundamente der Demokratie? Was wird aus dem Westen, aus Europa?
Steinmeier hat klare Antworten. „Wir müssen über die Demokratie nicht nur reden – wir müssen wieder lernen, für sie zu streiten“, sagt Steinmeier. (ck)