Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Geradesitzen leicht gemacht
Nachwuchsforscher präsentieren bei „Jugend forscht“und „Schüler experimentieren“in Jena ihre Ideen – darunter auch viele praktische Anwendungen
Sage noch einmal jemand, Kinder und Jugendliche würden nur am Handy daddeln. Die rund 150 Nachwuchsforscher, die gestern ihre ideenreichen und findigen Projekte beim Landeswettbewerb „Jugend forscht“und „Schüler experimentieren“in der Jenaer Fachhochschule präsentierten, dürften dazu relativ wenig Zeit haben. Es sei denn, Handy oder Tablet sind sogar Teil dieser Ideen.
Aufs Handy setzen die Türken Recep Polat und Berkay Isik von der deutschen Schule Lisesi in Istanbul, die in der Kategorie Technik bei „Jugend forscht“am Landeswettbewerb teilnahmen. In perfektem Deutsch präsentierten sie ihr mit Sensoren bestücktes T-Shirt. Beugt sich der Rücken des Trägers, gibts eine Ermahnung aufs Handy-Display. Dabei setzten die Erfinder auf das Gedächtnis der Muskeln. Täglich 10 Minuten im TShirt, und schon nach einem Monat sitzt der Träger von allein besser, versichern sie. Derzeit basteln Recep und Berkay an einer kleineren Verarbeitungsplatine. Im Gehäuse aus dem 3D-Drucker könnte diese auch beim Sport eingesetzt werden.
Im Wortsinn getüftelt hat auch Jonah Kessels (11) vom Carl-Zeiss-Gymnasium Jena. Auslöser war seine Vorliebe für Weintrauben, die allerdings nie aus Thüringen kommen. „Trauben vom Polarkreis – lässt sich die Geografie überlisten?“hat er sein Experiment genannt. Und dabei tief in die Trickkiste gegriffen. Um Neigung und Sonneneinstrahlung der Thüringer Weinhänge bei Kunitz, Zwätzen und Bad Sulza zu simulieren, benutzte er ein Schreibpult. Als Licht-, Wärmeund Messquelle dienten ein höhenverstellbare Tischlampe sowie Lichtmesser und Thermometer. Die Ergebnisse sind eindeutig: Je steiler der Hang, desto höher die Aufheizung und Lichtintensität und desto besser die Weinanbaubedingungen. Und: Was an den 30- und 36Grad-Hängen um Jena herum funktioniert, braucht man am Nordpol wegen der niedrigen Temperaturen und kurzen Sonnenphasen gar nicht erst zu probieren. Apropos Sonne: Die bildet auch den Hintergrund für die Experimente von Johanna Wiechert, Mara Leuschner und Kati Schöne. Die Schüler des Roman-Herzog-Gymnasiums in Schmölln analysierten verschiedene Honigsorten in Bezug auf ihr Aussehen, ihre Konsistenz und ihren Geschmack. Gefragt haben sie sich beispielsweise, welche Rolle die Pollendichte etwa bei der Linde oder bei der Akazie für den jeweiligen Honig spielt. Mit Mikroskop und Zentrifuge gingen die Zehn- und Elfjährigen dabei richtig professionell vor. Vor ihren sensorischen Untersuchungen wie auch von der Pollenextraktion haben sie ausführliche Protokolle angefertigt. Demnach ist Akazienhonig heller als der von der Linde, während letzterer wiederum deutlich süßer ist. Unterm Mikroskop konnten sie zudem verschiedene Pollenformen nachweisen und für ihre Präsentation zeichnen. Ganz reinen Honig von nur einer Pollensorte, da sind sich die jungen Forscher nunmehr sicher, kann es nicht geben.
Über einen 1. Platz und den Superlativ „Bestes interdisziplinäres Projekt“konnten sich Saskia Floderer und Maria Matveev vom Carl-Zeiss-Gymnasium Jena freuen. Sie untersuchten die Blätter des Schwimmfarns (Salvinia natans) unter dem Rasterelektronenmikroskop und stellten Erstaunliches fest: Dank tentakelartiger Schneebesenhaare umgeben sich die Blätter unter Wasser mit einer schützenden Luftschicht, von der so ziemlich alles abperlt. Die praktische Idee dabei: Ließe sich der Effekt auf dem Rumpf großer Schiffe simulieren, könnten die Reibung vermindert und weniger CO2 ausgestoßen werden. In Rohren ließen sich Flüssigkeiten mit weniger Energie transportieren.
Am perfekten Frühstücksei dank Licht- und Farbmessung arbeiten Elena Ermantraut und Eva Kuckelkorn von der Jenaplanschule in Jena. Derzeit ist ihre Messapparatur samt Laptop und Sensoren noch recht groß. Doch die beiden 13-Jährigen tüfteln bereits an einem kompakteren Bluetooth-Sensor, der die nötigen Daten dann direkt aus dem Eierkocher an eine Handy-App sendet.