Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
„Viele Fans haben zur Begrüßung gesagt: Du schaffst das, Trainer!“
Er ist erst und schon Bundesliga-Trainer. Bei seinem ersten Interview beim FC Schalke verrät Domenico Tedesco viel Persönliches
Gelsenkirchen. Gut gelaunt kommt der neue Trainer des FC Schalke 04 in die Arena. Domenico Tedesco wirkt offen, interessiert, tatendurstig. Sein Smartphone legt er umgedreht ab. So ist zu sehen, dass das Schalke-Wappen die Hülle ziert. Auf die Scherzfrage, ob dieses Handy Jahr für Jahr von Schalke-Trainer zu Schalke-Trainer weitergereicht werde, verdreht er zuerst die Augen, dann lacht er. „So etwas höre ich hier relativ oft“, sagt der 31-Jährige und stellt klar, mit welchem Ziel er angetreten ist: „Es wird Zeit, dass sich das ändert!“Wie war es für Sie, sich bei der Mitgliederversammlung 9500 Besuchern vorstellen zu müssen? Waren Sie nervös? Ich habe mich auf die erste offizielle Begegnung mit den Fans richtig gefreut. Deshalb hatte ich am Tag vorher auch noch kein Lampenfieber. Das kam dann eine Viertelstunde vorher aber doch auf, und ich muss zugeben, dass es mir kurz den Atem geraubt hat, als ich da oben stand und die Menschenmenge sah. Hatten Sie sich vorbereitet? Ja, die Mitglieder sind doch sehr wichtig, deshalb habe ich mir einen Rahmen gesteckt. Aber ich habe natürlich nichts auswendig gelernt. Und wie war der direkte Kontakt zu den Fans? Unheimlich motivierend. Es war keiner dabei, der Negatives geäußert hat. Oft habe ich gehört: Du schaffst das, Trainer! Das war schon geil, das hat mich riesig gefreut. Früher war es ein Nachteil, wenn man ohne Profikarriere als Trainer vor Stars trat. Haben sich die Zeiten geändert? Spannende Frage. Ich würde sie gerne andersherum beantworten. Es ist sicher kein Nachteil, als Trainer ein ehemaliger Profi zu sein. Ich denke, es ist dadurch etwas einfacher, gleich zu Beginn den Schlüssel zur Mannschaft zu finden. Kurzfristig hilft das. Mittelfristig aber geht es nur noch um Inhalte. Sie haben im Profibereich bisher nur wenige Monate Erzgebirge Aue in der zweiten Liga trainiert. Sie hätten sagen können: Ich sammele dort erst einmal mehr Erfahrung. Stattdessen aber trauen Sie sich jetzt schon Schalke 04 mit all seiner Wucht zu. Warum sind Sie ins Risiko gegangen? Bei jeder Aufgabe gibt es die Abwägung zwischen Chance und Risiko. Ich stelle mir die Frage: Wie groß ist der Reiz? Und der ist bei Schalke einfach enorm. Ich brauchte keine lange Bedenkzeit. Sie haben in der Druckerei, in der Ihr Vater arbeitete, Zeitungspakete gepackt und ein Praktikum bei der Eßlinger Zeitung gemacht. Dürfen wir Sportjournalisten damit rechnen, dass Sie uns verstehen? (lacht) Schon wieder eine spannende Frage. Ich habe tatsächlich Zeitungen eingelegt, um mein Studium zu finanzieren. Und das Praktikum habe ich ganz bewusst gewählt, weil mich Sportjournalismus schon immer interessiert hat. Ich war 15 oder 16 Jahre alt und fand das unglaublich interessant. Es heißt, Sie seien sehr kommunikativ. Was verstehen Sie darunter? Es geht um gesunde Transparenz. In Aue habe ich den Spielern, die am Spieltag nicht im Aufgebot waren, erklärt, warum das so war. Da ist es wichtig, ehrlich zu sein. Und ich habe ihnen versichert, dass sich so etwas innerhalb weniger Tage wieder ändern kann. Sie haben in Aue auch im Training neue Reizpunkte gesetzt und zum Beispiel mit einem Rugby-Ei für Spaß gesorgt. Was Sie alles wissen! (lacht) Ja, das war nach einer Heimniederlage, die Mannschaft war sehr leise und wirkte platt. Deshalb haben wir eine Art Brennball gespielt, und das hat dann tatsächlich allen viel Spaß gemacht. Man muss aber sehr genau wissen, wann und wie oft man so etwas macht. Sie sollen ein schlechter Verlierer sein. Obwohl trotz des 0:1 am letzten Zweitliga-Spieltag in Düsseldorf Aues Klassenerhalt feststand, waren Sie schlecht gelaunt. Ich muss zugeben, dass mir das Feiern mit der Mannschaft an dem Tag schwer fiel, weil wir uns während der ganzen Woche hoch konzentriert vorbereitet hatten. Die Mannschaft war jedoch total gelähmt. Diese Niederlage war sehr unnötig, das hat mich geärgert.