Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Eine Entscheidu­ng aus Prinzip

Die Fußballeri­nnen Julia Arnold und Amber Hearn verlassen Jena – die Gründe: Entdeckung­slust und fehlende Wertschätz­ung

- Von Michael Ulbrich

Jena. Sie gehören eigentlich zum festen Inventar beim Frauen-Bundesligi­sten FF USV Jena: Amber Hearn und Julia Arnold. Jetzt haben die beiden entschiede­n, gemeinsam zum 1. FC Köln zu wechseln. Über die Gründe und Begleitums­tände sprechen sie im Interview Klartext. Warum Köln?

Amber Hearn: Wir haben uns die Stadt und den Verein angeschaut und waren beeindruck­t. Beim FC war der Mannschaft­sarzt der erste, den wir trafen – und wir hatten das Gefühl, als ob wir uns seit Jahren kennen. Das gleiche galt dann auch für den Trainer, der uns sehr offenherzi­g begrüßt hat. Das Umfeld wirkte sehr profession­ell. Sie haben einen Physio, einen Arzt, ein neues Gebäude, neue Spieler. Profession­eller als in Jena?!

Hearn: Das mag so klingen – aber wissen werden wir es erst, wenn wir den Alltag in Köln auch erlebt haben. Ist es hart, Jena zu verlassen?

Hearn: Und wie. Ich bin jetzt sechs Jahre hier. Es ist eine tolle Stadt, in der ich auf viele freundlich­e Menschen getroffen bin.

Julia Arnold: Das ist eine der härtesten Entscheidu­ngen, die ich jemals getroffen habe. Jena ist meine Heimat und wird es immer bleiben. Elf Jahre war ich hier. Dass ich einmal etwas anderes machen möchte, diesen Wunsch hatte ich schon öfter und es auch so kommunizie­rt. Jetzt ist es an der Zeit, mal raus in die Welt zu gehen. Der FF USV hat Ihnen doch aber ein „gutes Angebot“gemacht – so stand es in der Pressemitt­eilung.

Arnold: Und trotzdem ist da der Wunsch, mal etwas anderes zu erleben. Hinzu kommt, dass ich schon etwas darüber enttäuscht bin, dass mit mir als eine der Letzten gesprochen wurde. Erst in der Woche vor dem letzten Spiel kam der Verein auf mich zu. Ich bin in Jena zuhause, hier ist mein Herz – da hätte ich mir gewünscht, dass die Vereinsfüh­rung das anders gehandhabt hätte. Ich hatte immer das Gefühl, dass man erwartet hat, dass ich sowieso bleibe. So wurde das für mich auch eine Entscheidu­ng aus Prinzip. Nun war der FF USV aber doch lange im Abstiegska­mpf – da hatte man doch andere Sorgen.

Arnold: Es geht nicht darum, im März ein Angebot zu haben. Aber Gespräche über die Zukunft und die Planungen hätte man doch führen können. Ich war Kapitänin. Wir wissen alle, dass die finanziell­en Mittel des Vereins begrenzt sind. Ich bin auch gänzlich ohne Forderunge­n in das Gespräch gegangen. In Jena ist man immer über das Zwischenme­nschliche, über Wertschätz­ung gekommen – und das habe ich an gewissen Stellen vermisst. Und Sie, Frau Hearn?

Hearn: Man hat mit mir gesprochen. Vor dem letzten Spiel. Das Gespräch dauerte fünf Minuten. Man wollte mich behalten, konnte mir aber kein vernünftig­es Angebot machen. Nun wurde am Montag ihr Wechsel publik ...

Arnold: ... wovon wir sehr überrascht waren. Warum?

Arnold: Weil wir daraus erfahren haben, dass wir nach Köln gehen. Wie bitte?

Arnold: Nach so langer Zeit in Jena, war es uns wichtig, den uns ans Herz gewachsene­n Menschen zuerst mitzuteile­n, dass wir gehen und wo es hingeht. So war es auch abgesproch­en. Und dann kam diese Pressemitt­eilung – ohne unsere Kenntnis. Ich konnte nicht mal meinem Arbeitgebe­r Bescheid geben, geschweige denn meinen Freunden. Die im Fußball übliche Methode ist, dass der neue Verein einen solchen Wechsel bekanntgib­t. Und selbst wenn es der FF USV selbst machen möchte, hätte ich mir gewünscht, dass es in Absprache mit uns passiert. Ich hätte gern die Gelegenhei­t gehabt, mich in der Pressemitt­eilung bei allen zu bedanken.

Dann bitte:

Arnold (lacht): Ja, ich danke den Fans, der Mannschaft, den vielen ehrenamtli­chen Helfern im Umfeld der Mannschaft. Besonders unserem Professor Werner Riebel. Er war immer für mich da, ist die gute Seele des Vereins. Für das, was er leistet, hat er unsere Hochachtun­g.

Hearn: Es gibt ja Gründe, weshalb wir so lange hier waren. Da sind unsere Fans, die bei jedem Wetter bei jedem Auswärts- oder Heimspiel dabei waren. Selbst in Zeiten mit einer Reihe schlechter Spiele waren sie da – wir werden sie vermissen. Ohne diese Fans wäre ich schon lange nicht mehr hier. Das Gros der Stammspiel­er hat den FF USV verlassen – haben Sie Angst um den Fortbestan­d?

Arnold: Natürlich. Jena ist eine Herzensang­elegenheit. Ich habe hier 187 Spiele gemacht und kann ehrlich sagen, dass ich in jedem mein Bestes gegeben habe. Für diesen Verein, für diese Stadt stand ich auf dem Feld. Deswegen tut es nicht nur weh, zu gehen, sondern auch zu sehen, dass so viele andere es auch tun. Man täte gut daran, zu hinterfrag­en, warum das gerade jetzt so ist, dass so viele gehen. Können Sie sich eine Rückkehr vorstellen?

Arnold: Jena ist eine kleine, süße Stadt, die man liebgewonn­en hat. Und klar könnte ich mir das vorstellen.

Hearn: Vielleicht spielen wir auf unsere alten Tage dann für den FC Carl Zeiss in der Dritten Liga (lacht.).

„Man täte gut daran, zu hinterfrag­en, warum das gerade jetzt so ist, dass so viele gehen.“Julia Arnold

 ??  ?? Zwei Jenaer Urgesteine nehmen Abschied: Amber Hearn (li.) und Julia Arnold verlassen den FF USV und wechseln zum Bundesliga­aufsteiger . FC Köln. Foto: Michael Ulbrich
Zwei Jenaer Urgesteine nehmen Abschied: Amber Hearn (li.) und Julia Arnold verlassen den FF USV und wechseln zum Bundesliga­aufsteiger . FC Köln. Foto: Michael Ulbrich

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