Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Rudolstädter Forscher bekommen einen zweiten Chef
Doppelspitze im Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung: Benjamin Redlingshöfer steigt auf
Rudolstadt. Benjamin Redlingshöfer gerät ins Schwärmen, wenn er über die neuesten Entwicklungen aus dem Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung (TITK) berichtet. Neue Energiespeichermaterialien, die Wärme aufnehmen, können dazu beitragen, dass elektronische Geräte eine Nummer kleiner ausfallen und preisgünstiger zu produzieren sind, sagt der 39-Jährige. Morgen steigt er zum Direktor im Rudolstädter Institut auf und führt gleichberechtigt mit dem langjährigen Amtsinhaber RalfUwe Bauer (61) die Einrichtung.
Die Rudolstädter sind auf vielen Gebieten aktiv, was Redlingshöfer als besonderen Vorteil herausstellt. Er hat sich schon einen genauen Überblick verschafft, da er seit zwei Jahren als einer der Geschäftsführer bei Smartpolymer in Rudolstadt arbeitet. Das Unternehmen gehört als Tochtergesellschaft zum Institut und verwertet die Erfindungen der Wissenschaftler.
Anders als Grundlagenforscher müssen die Rudolstädter immer im Hinterkopf haben, dass die Innovationen auch den Kunden etwas bringen müssen. „Unsere Forschungsergebnisse stärken die Innovationskraft von mittelständisch geprägten Unternehmen. Wir sind eine verlängerte Forschungs- und Entwicklungswerkbank für die Firmen“, sagt Redlingshöfer, der künftig im Institut das operative Geschäft und das Marketing verantwortet.
Ihn reize an der neuen Aufgabe die Interaktion von Technik, Wissenschaft und dem wirtschaftlichen Nutzen daraus. „Wir haben exzellente Forscher, die sich weltweit messen können, deren Erkenntnisse wir in Unternehmersprache übersetzen müssen. Andererseits greifen wir Trends in der Industrie auf und übersetzen diese in Forschungsprojekte.“
Schon seit jeher war er naturwissenschaftlich interessiert. „Als kleines Kind wollte ich Chemie studieren – bis zur Facharbeit Chemie. Danach wollte ich nicht mehr Chemie studieren“, sagt Redlingshöfer, der sich das Interesse an der Technik indes nicht vermiesen ließ. Nach dem Wirtschaftsingenieur-Studium arbeitete er für Siemens, war auch in Spanien und Asien für den Konzern im Einsatz. Seine Frau, die er in Bayern kennengelernt hatte und die aus Thüringen stammt, brachte ihn schließlich nach Mitteldeutschland. Hier führte er die Geschäfte eines Unternehmens im Ilm-Kreis, bevor er zu Smartpolymer wechselte.
Der Neu-Thüringer schwärmt für den Freistaat. „Wir müssen die Flagge von Thüringen mehr hochhalten. Hier ist es absolut lebenswert: Die Region braucht sich nicht hinter dem Schwarzwald zu verstecken und bietet enorm viel Lebensqualität.“
Mit diesen Aussichten will er Talente locken, die danach lechzen, Verantwortung zu übernehmen. „Wir bieten alle Fördermöglichkeiten von der Studienbegleitung bis hin zu Projektleitertätigkeiten“, sagt der neue Direktor, sich klar zum Städtedreieck Rudolstadt-SaalfeldBad Blankenburg bekennt. „Ein Ziel muss mehr Zusammenarbeit im Städtedreieck sein, dann können wir ein klares Zentrum in Thüringen werden.“
Auch mit dem Institut setzt er auf Wachstum. So sucht das TITK Softwareingenieure, um die Wertschöpfung zu erhöhen. Das Institut will beispielsweise nicht mehr nur moderne Spezialfasern entwickeln, sondern auch Sensorfasern ansteuern und auswerten. Etwa, um einen Teppich zu entwickeln, der Senioren vor Stürzen warnt.
Die Rudolstädter arbeiten aber auch an Elektroden für die Medizintechnik, die den Patienten weniger belasten. Möglich machen das kleine Temperaturspeicher mit eingelagertem Wachs, das Wärme aufnimmt. Diese Speicher könnten auch in Gewächshäusern zu konstanteren klimatischen Bedingungen beitragen. Oder halt die Wärme von elektronischen Geräten aufnehmen, sodass weniger Kühlung notwendig ist.
Thüringen so schön wie Schwarzwald