Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Ostthüringen für kostenlosen Nahverkehr
Wie kann die Luftqualität in deutschen Städten verbessert werden? Der Bund denkt über einen kostenlosen Nahverkehr nach. Das kostet, und ist nicht von heute auf morgen zu machen, monieren Kritiker. In Gera und Jena ist man von der Idee angetan – wenn man
Gera/Jena. Geras Oberbürgermeisterin Viola Hahn (parteilos) begrüßt den Vorschlag außerordentlich. „Wenn der Bund dafür die Kosten erstattet“, erklärte sie gestern. 20 Millionen Euro Aufwand bei einem Anteil von 74 Prozent Fahrgeldeinnahmen betreibt die GVB Verkehrs- und Betriebsgesellschaft mbH Gera im Jahr. 2017 wurden in der 96 000-Einwohner-Stadt insgesamt 16 Millionen Fahrten gezählt. Auf bis zu 70 Millionen Euro schätzt Geschäftsführer Thorsten Rühle die Kosten für den Fall, dass der Nahverkehr kostenlos wird. „Dass das in Kürze finanzierbar ist, kann ich mir nicht vorstellen“, sagt er.
So reagiert man auch in Jena. „Oberflächlich betrachtet, ist das eine wunderbare Idee“, sagt Michael Margull, der als Fachdienstleiter in der Jenaer Stadtverwaltung für Stadtumbau und Infrastruktur verantwortlich ist. Nicht nur die Kostenfrage lasse den Vorschlag der Bundesregierung visionär klingen. Eine Explosion bei der Nachfrage würde das Nahverkehrssystem zum Erliegen bringen. Deshalb ist Margull auch froh, dass Jena mit seinen guten Luftwerten nicht zu den Problemstädten gehört.
Die Bundesregierung erwägt zur Verbesserung der Luftqualität, Länder und Kommunen bei einem möglichen kostenlosen ÖPNV finanziell zu fördern. Damit soll die Zahl privater Fahrzeuge auf den Straßen verringert werden. Das geht aus einem Brief von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella hervor.
Die Überlegungen stoßen auf viel Skepsis. Der Deutsche Städteund Gemeindebund verwies vor allem auf die Kostenfrage. „Die Kommunen und Verkehrsbetriebe können es jedenfalls nicht bezahlen“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Die Einnahmen von rund 13 Milliarden Euro pro Jahr im öffentlichen Nahverkehr würden auch benötigt, um besser zu werden und Angebote auszubauen. Gratis fahren könne höchstens ein langfristiges Zukunftsprojekt werden. Erforderlich seien deutlich mehr Fahrzeuge und Personal.
Allein in Erfurt rechnet man mit 30 Prozent mehr Fahrgästen, wenn der Nahverkehr zum Nulltarif angeboten werden würde, sagt Myriam Berg, die Geschäftsführerin der Erfurter Verkehrsbetriebe.
Wer die zusätzlichen Kosten trägt, ist auch für Nordhausens Bürgermeisterin Jutta Krauth (SPD) der Knackpunkt. Schließlich würden schon jetzt die Stadtwerke aus den Gewinnen anderer Bereiche Millionen für den ÖPNV zuschießen.
Für einen thüringenweiten Verkehrsverbund könnte ein kostenloser Nahverkehr hilfreich sein, schätzt Christoph Heuing, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Mittelthüringen (VMT), ein. Vor allem die Diskussion über den einheitlichen Fahrpreis hätten die Verhandlungen in den vergangenen Jahren immer wieder erschwert.