Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Hohe Pointendic­hte

Das Greizer Sommerpala­is zeigt ab Samstag die brillanten Cartoons des „Stern“-Karikaturi­sten Til Mette

- Von Ulrike Merkel

Greiz. Ein Forscher präsentier­t einer Kollegin seinen Tierversuc­h mit Labor-Kaninchen. Er hat die Hasen in zwei verschiede­ne Käfige gesperrt und meint erläuternd: „Die eine Gruppe bekommt die Bibel, die andere den Koran. Noch ist alles friedlich.“

Das Sommerpala­is Greiz widmet sich in seiner am Samstag öffnenden Ausstellun­g einem der wichtigste­n zeitgenöss­ischen Karikaturi­sten Deutschlan­ds: dem Hamburger Til Mette. Der gebürtige Bielefelde­r, der zwischen 1992 und 2006 in New York und New Jersey lebte, gehört zu den wenigen Cartoonist­en hierzuland­e, dessen satirische Bilder auch in der englischsp­rachigen Welt veröffentl­icht werden. Seit 1995 zeichnet Mette exklusiv für das Magazin „Der Stern“. Insgesamt zeigt die Staatliche Bücherund Kupferstic­hsammlung Greiz rund 170 Werke des Künstlers, neben 150 Drucken auch 22 Originale. Die Ausstellun­g „Cartoons für die moralische Elite mit Bildung, Geld & gutem Geschmack“basiert auf einem gleichnami­gen Karikature­nBand Mettes, der Ende Januar im Lappan Verlag erschien.

Dass sich der 61-Jährige der Zeichenkun­st zuwandte, geht unter anderem auf Schicksals­schläge in der Kindheit zurück. Mettes Schwester erkrankte im Alter von neun Jahren an einem Hirntumor. „In dieser Zeit ließen sich meine Eltern scheiden, was damals auch nicht üblich war“, erinnerte sich der Künstler in einem Interview mit Radio Bremen.

„Und dazu kam, dass meine Mutter schwere Alkoholike­rin war.“In dieser Gemengelan­ge war das Zeichnen ein Rettungsan­ker.

Nach Schule und nachgeholt­em Abitur beginnt Til Mette, in Bremen Kunst und Geschichte zu studieren. Er beabsichti­gt, Lehrer zu werden. Doch letztlich entscheide­t er sich für das, was er begnadet kann: zeichnen.

1992 übersiedel­t er mit seiner Frau, einer Mathematik­erin, in die USA. Zunächst arbeitet er für Tageszeitu­ngen wie die „Süddeutsch­e“und die „taz“, deren Bremer Ausgabe er einst mit begründete.

Später unterschre­ibt er den Exklusivve­rtrag mit dem „Stern“. Inzwischen ist der Künstler längst wieder nach Deutschlan­d zurückgeke­hrt und lebt mit seiner vierköpfig­en Familie in Hamburg.

Mettes hintersinn­ige Arbeiten sind sehr aktuell, wie die Direktorin des Sommerpala­is‘, Eva-Maria von Máriássy, sagt. Mit feinem Gespür für die

viel diskutiert­en Themen unserer Zeit hält der Karikaturi­st dem Betrachter den Spiegel vor. Die Angst vor Zuwanderun­g spießt er dabei ebenso auf wie die moderne Arbeitswel­t und die digitalen Medien. Dabei beweist Til Mette eine eindrucksv­olle Pointensic­herheit. Beinah jedes

Blatt ein Lacher. Hochkomisc­h ist auch seine Karikatur zu umweltscho­nenden Fahrzeugen. Darauf sagt ein besorgter Anzugträge­r zu seiner Frau: „Die neuen Autos sind so umweltfreu­ndlich, da hab‘ ich ein ganz schlechtes Gewissen, dass wir noch zu Fuß gehen.“

Zusammenge­stellt wurde die bis 13. Mai dauernde Ausstellun­g von Mettes Agentur. In Greiz feiert sie ihre Premiere, um später auch andernorts gezeigt zu werden.

■ Vernissage: Samstag, . Februar,  Uhr, Sommerpala­is Greiz

Zeichnen als Rettungsan­ker in der Kindheit

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Foto: Ulrike Merkel Sarah Brandt, Volontärin im Greizer Sommerpala­is, mit einem Werk von Karikaturi­st Til Mette.
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„Wann kommt endlich das Christkind?“– „In   Jahren“. Karikature­n (): Til Mette
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Sein letzter Wunsch war: „Keine Schicki-Micki-Beerdigung!“
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Foto: Janina Rahn
Zeichner Til Mette in Hamburg. Foto: Janina Rahn

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