Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Die Familie zerbricht
Am Ende eines langen Winters wird richtig gefeiert. Wenn die letzten Rennen absolviert, die großen und die kleinen Kristallkugeln verteilt sind, dann steht bei den Skijägern traditionell eine krachende Party an. Mit allen Athleten, Technikern und Funktionären. An einem Abend wie diesen entstand vermutlich irgendwann einmal der schöne Begriff der Biathlon-Familie.
Wenn am Sonntag in Tjumen die Saison zu Ende geht, werden etliche Mitglieder bei dem Familientreffen fehlen. Die US-Amerikaner, Kanadier, Tschechen und Ukrainer bleiben dem Weltcup-Finale ebenso fern wie der schwedische Staffel-Olympiasieger Samuelsson oder der Slowene Bauer. Aus Protest am Festhalten des umstrittenen russischen Austragungsortes.
Diese Konsequenz nötigt Respekt ab. Um ein Zeichen zu setzen, verzichten sie freiwillig auf mögliche Erfolge und Prämien. Fehlende Haltung darf jedoch auch denjenigen nicht vorgeworfen werden, die ab heute in Westsibirien starten. In erster Linie sind sie Sportler, die ein Recht darauf haben, sich ihre Belohnung für ein hartes Trainingsjahr abzuholen.
Die Internationale BiathlonUnion allerdings muss sich vorwerfen lassen, die Spaltung der Athleten forciert zu haben. Statt sich im Zuge des russischen Dopingskandals klar zu positionieren, wählte der Weltverband eine jämmerliche Hinhaltetaktik. In der Hoffnung, dass sich alsbald genügend Schnee über das leidige Problem legen wird.
Doch so viele Flocken können selbst in den heftigsten Wintern gar nicht fallen.