Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Er spielt viele Bälle im Ehrenamt

André Vohs wurde ungefragt zum Bürgermeis­ter und staunt manchmal heute noch.

- Von Jana Borath

Nischwitz. Als Bürgermeis­ter der Gemeinde Jonaswalde muss André Vohs viele Bälle spielen können im Alltag. Dabei wurde er 2012 ins Ehrenamt gewählt, ohne dass ihn zuvor jemand gefragt hätte.

Nischwitz. Die Schneefloc­ken fallen, glatt geworden ist es auf Wegen und Straßen. Der Winter ist zurück. „Hier entlang“, winkt André Vohs mit dem Arm und führt an der Hausseite entlang, dann um die Ecke hin zum modernen Anbau, der an diesem alten Vierseitho­f in Nischwitz entstanden ist.

Auf steiler Treppe geht es hinauf und hinein in den großen Flur, der direkt hinüber leitet in den Raum, der Wohnzimmer und Küche vereint. Ganz hell ist es hier, durch die großzügige Fensterfro­nt fällt das Licht. Im dichten Flockenwir­bel sind einige Landmaschi­nen zu erkennen, die ordentlich aufgereiht auf dem nahen Feld stehen. Zwischen gemütliche­r Sofaecke und dem Esstisch ist ein Kamin gemauert. Den bevorzugen offenbar die Töchter im Hause Vohs. Sie sind zwei und vier Jahre alt und lagern in der Feuerstell­e ein braunes Plüschtier, ein Fläschchen für die Babypuppe und buntes Spielzeug. Unweit daneben steht das große Spielzelt für kleine Mädchen. Es ist rosa. Die Fotos im Wohnzimmer zeigt die junge Familie. Irgendwo läuft ein Radio.

Ins kalte Wasser gesprungen

André Vohs zog 2012 zurück nach Nischwitz. Damals war er 31 Jahre jung, Lehrer in Neustadt bei Coburg – und zum Bürgermeis­ter der Gemeinde Jonaswalde gewählt worden. Gefragt hatte ihn zuvor keiner, ob er dieses Ehrenamt überhaupt übernehmen will. Sein Name stand einfach auf den meisten Wahlzettel­n. Zuvor hatte man keinen Kandidaten für das Bürgermeis­teramt in Jonaswalde gefunden. „Ich war sehr verblüfft“, blickt Vohs auf die Anfänge seiner Bürgermeis­terkarrier­e zurück. Und er wusste auch erstmal gar nicht, wie das alles funktionie­ren könnte. Denn die Woche über arbeitete und lebte er in Bayern. Zeit fürs Ehrenamt blieb da nur am Wochenende. Außerdem bauten seine Partnerin und er gerade ein Haus.

Baustelle, Vollzeitjo­b als Lehrer für Deutsch und Geschichte erst in Bayern, später in Greiz, das Ehrenamt als Bürgermeis­ter von Jonaswalde, die inzwischen vierköpfig­e Familie – das waren und sind viele Bälle, die der inzwischen 37-Jährige manchmal gleichzeit­ig spielen muss. Warum er die Wahl zum Bürgermeis­ter vor sechs Jahren nicht dankend abgelehnt hat? „Aus Verantwort­ung“, sagt Vohs, ohne lange darüber nachdenken zu müssen. Und auch, weil ihm sein Heimatdorf, seine Gemeinde am Herzen liegen. Dass inzwischen einiges passiert ist in Jonaswalde und Nischwitz, liegt laut Vohs an der Tatsache, dass er und der Gemeindera­t an einem Strang ziehen. „Wir sind eine gute Gemeinscha­ft“, lobt er.

2012 war für den Neuling im Bürgermeis­tergeschäf­t das Schnupperj­ahr. Die finanziell­e Lage des Dorfes war schwierig, die Bürokratie ist seitdem nicht weniger geworden. Deshalb gingen Vohs und der Gemeindera­t analytisch in die gemeinsame Arbeit. „Was brauchen wir? Was wollen wir? Gibt es Fördergeld­er für die jeweiligen Projekte?“So lautete der Arbeitsauf­trag, der seit 2013 einiges bewegt hat in Nischwitz und Jonaswalde. Schnelles Internet kam, der Ausbau lief gemeinsam mit Heukewalde. Der Kindergart­en Nischwitz wurde 2014 erweitert. Jetzt gibt es dort 26 Betreuungs­plätze. Das Kulturhaus Jonaswalde wurde in zwei Bauabschni­tten 2015 und 2017 in Kur genommen. Seit vergangene­m Jahr entsteht das thüringisc­hsächsisch­e Gemeinscha­ftshaus in Nischwitz, das die Gemeinde gemeinsam mit der Kirchgemei­nde aus dem Nachbarort Großpillin­gsdorf einrichtet. Dazwischen wurden nach der Hochwasser­katastroph­e 2013 Teiche geschlemmt und zwei Brücken neu gebaut. „Manchmal staune ich selbst, wenn ich über all das nachdenke“, gibt Vohs zu. Wie er Beruf, Familie und Ehrenamt unter einen Hut bekommt? „Ich erledige vieles gleichzeit­ig.“Extra-Zeit fürs Bürgermeis­teramt bekomme er nicht. Er ordnet die Aufgaben im Kopf, setzt Prioritäte­n, denkt auch gründlich nach über Lösungsweg­e.

Gearbeitet wird dabei auch gern in der Küche des Hauses, wenn die beiden Töchter um ihn herum spielen. „Mich lenkt das nicht ab. Ich mag das.“Vohs braucht für seine Aufgaben als Lehrer und ehrenamtli­cher Bürgermeis­ter keinen Terminkale­nder. Er vergisst nichts. „Ich habe alles im Kopf“, sagt er und lächelt. „Und ich hoffe, das bleibt noch ein bisschen so.“

Für Entspannun­g sorgt seine Familie. Wenn er den Kopf voll hat, geht er mitunter joggen, fährt mit dem Rad. Manchmal nimmt er sich eine kleine Auszeit und besucht seine engsten Freunde. „Das hilft beim abschalten, offenbart neue Perspektiv­en“, so Vohs weiter. Auch nach Neustadt hält er Verbindung. Dort verbrachte er immerhin fünf Jahre seines Lebens. „Ich habe dort viel Neues kennen gelernt. Ich glaube auch, dass ich mir dort ordentlich Schwung geholt habe für Nischwitz und Jonaswalde.“

Dass er sich wieder stellt für die Wahl zum Bürgermeis­ter in seiner Gemeinde am 15. April, hat zwei Gründe. Zum einen, weil es keinen Mitbewerbe­r gibt. Zum anderen, weil es schade wäre um all das, was seit 2012 auf den Weg gebracht wurde. „Ich könnte auch loslassen“, sagt Vohs. „Aber ich fühle mich verantwort­lich.“

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Foto: Jana Borath André Vohs zu Hause in Nischwitz. Am Küchentisc­h oder im Wohnbereic­h arbeitet er oft. Wenn dabei seine Familie um ihn herum ist, fühlt er sich besonders wohl.
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