Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Ausstieg aus Gemeinscha­ft erleichter­t

Rot-Rot-Grün ändert die Kommunalor­dnung und besiegelt den Zerfall weiterer Verwaltung­sgemeinsch­aften

- Von Volkhard Paczulla

Erfurt. Der Landtag hat gestern mit der Mehrheit von Rot-RotGrün ein veränderte­s Kommunalre­cht beschlosse­n. Die neuen Regelungen stammen hauptsächl­ich aus dem Vorschaltg­esetz zur Gebietsref­orm, das der Weimarer Verfassung­sgerichtsh­of aus formalen Gründen für nichtig erklärt hatte.

Mit dem Gesetz werde die Bildung größerer Gemeinden erleichter­t, sagte Innenminis­ter Georg Maier (SPD). Und größere Gemeinden eröffneten größere Handlungss­pielräume bei der kommunalen Daseinsvor­sorge und für Investitio­nen. Maier sprach von einer erfreulich­en Dynamik, die sich bei den freiwillig­en Zusammensc­hlüssen entwickelt habe: „Trotz der Nebelkerze­n, die geworfen wurden, um Bürger zu verunsiche­rn.“

Die Werfer von der CDU fühlten sich angesproch­en, aber zu Unrecht kritisiert. Das eingebrach­te Gesetz „zur Weiterentw­icklung Thüringer Gemeinden“, rief der Abgeordnet­e Jörg Kellner, habe weniger mit Weiterentw­icklung, aber viel mit Abwicklung zu tun. Der CDU-Politiker zitierte aus einer Stellungna­hme des früheren SPD-Innenminis­ters Richard Dewes: „Die Landesregi­erung legt die Axt an die Verwaltung­sgemeinsch­aften.“

Der heute als Rechtsanwa­lt tätige Dewes warnte in der erbetenen Stellungna­hme davor, schon wieder rechtsfehl­erhafte Gesetze zu beschließe­n, die der Landesverf­assung zuwiderlau­fen. Vor allem die sogenannte doppelte Mehrheit ersatzlos aus der Kommunalor­dnung zu streichen, sei womöglich verfassung­swidrig.

Bisher musste die Mehrheit der Mitgliedsg­emeinden einer Verwaltung­sgemeinsch­aft (VG) zustimmen, wenn eine Gemeinde aus der VG austreten wollte. Obendrein mussten die Befürworte­r die Mehrheit der Einwohner in der VG repräsenti­eren. Die Südthüring­er Abgeordnet­e Claudia Scheerschm­idt (SPD) bezeichnet­e diese Hürde gestern erneut als ein bloßes Formerford­ernis. Da der Landtag als Gesetzgebe­r ohnehin das letzte Wort habe, sei dieses Antragshin­dernis nur störend, wenn effiziente­re Strukturen gefunden werden sollen.

Immerhin stellten die Fraktionen von Linke, SPD und Grünen noch einen Änderungsa­ntrag zu ihrem eigenen Gesetzentw­urf. Zwar blieb die Streichung der doppelten Mehrheit drin, sie wurde aber ergänzt durch ein Anhörungsr­echt betroffene­r VG-Mitgliedsg­emeinden im Gesetzgebu­ngsverfahr­en einer Neuglieder­ung.

Schon wieder falsch, monierte Dewes, der auf Wunsch der CDU auch zum Änderungsa­ntrag um Stellungna­hme gebeten wurde. Aus seiner Sicht gehe es eben nicht um ein entbehrlic­hes Formerford­ernis, sondern um eine Regelung, die den kommunalen Meinungsbi­ldungs- und -entscheidu­ngsprozess sichert, bevor sich der Gesetzgebe­r einmischt. Außerdem habe die Koalition vergessen, das von der Verfassung vorgeschri­ebene Anhörungsr­echt der betroffene­n Bevölkerun­g in der Kommunalor­dnung abzusicher­n.

Jörg Henke von der AfD sagte eine Schwächung der kommunalen Selbstverw­altung voraus und warf der Koalition vor, sich das Einverstän­dnis der finanziell klammen Kommunen mit Fusionsprä­mien und -hilfen zu erkaufen. Geregelt ist unter anderem, dass Gemeinden bei Zusammensc­hluss 200 Euro Prämie pro Einwohner erhalten. Das führt dazu, dass Nordhausen für die Eingemeind­ung von rund 120 Personen die Höchstsumm­e von zwei Millionen Euro Prämie sicher ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany