Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Handfester Ärger mit einem linksdrehe­nden Hobby-Sprengmeis­ter

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Fremdwörte­r, das wissen wir alle, ergeben erst die richtige Würze in Texten oder Reden, die intelligen­t klingen sollen. Je unbekannte­r das Fremdwort, umso schlauer hört es sich an.

So sprach Landtagspr­äsident Christian Carius (CDU) diese Woche über eine Verbalinju­rie. Bevor Sie jetzt nach dem Duden tasten oder googeln, habe ich das für Sie schon mal erledigt. Carius hätte auch sagen können, es gehe um eine Beleidigun­g. Ein Schimpfwor­t, das ausgesproc­hen wurde, um jemanden zu kränken. Der Präsident des „Hohen Hauses“blieb aber bei der Verbalinju­rie. Eine solche soll zur Landtagssi­tzung vorigen Monat dem Ministerpr­äsidenten entfahren sein. Und sich nach „Arschloch“angehört haben. Björn Höcke, der Fraktionsc­hef der AfD, war sich sicher, er sei gemeint.

Vielleicht nicht zu Unrecht, denn er hatte gerade eine giftige Rede gegen den Linke-Regierungs­chef Bodo Ramelow gehalten, und als er vom Pult zurück an seinen Platz ging, vorbei am politische­n Gegner, habe dieser das Wort gesagt. Die Verbalinju­rie.

Höcke protestier­te, die Sitzung wurde unterbroch­en. Ramelow versichert­e, er sage sowas nicht, und wenn doch, dann vielleicht nur gemurmelt, aber gewiss nicht Herrn Abgeordnet­en Höcke meinend. Sollte da etwas falsch angekommen sein, tue ihm das leid. Dass Carius noch mal darauf zurückkam, hatte mit der Entscheidu­ng des Ältestenra­ts zu tun. Der beschied, sich zur Klärung des Sachverhal­ts keiner anderen Mittel zu bedienen, als der Landtag üblicherwe­ise zur Verfügung hat. Mitschnitt­e von irgendwelc­hen Pressefuzz­is gehören nicht dazu. Und außer dem Abgeordnet­en Höcke wollte kein anderer etwas gehört haben. So fand die mutmaßlich­e Verbalinju­rie diese Woche ihren Weg ins Parlaments­archiv. Ruhe sanft.

Von wirklich politische­r Brisanz war dagegen der Sprengstof­f-Fund im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Ich schreibe extra nicht Sprengstof­ffund, weil die Konsonante­nhäufung doof aussieht und dem Sprengstof­fhund zum Verlesen ähnlich ist. Außerdem war es in der Masse gar kein Sprengstof­f-Fund, sondern die Entdeckung einer beträchtli­chen Ansammlung von Chemikalie­n, aus denen sich Sprengstof­f herstellen lässt. Vorausgese­tzt, man hat im Schulfach Chemie etwas besser aufgepasst als ich. Aber schulische­s Nichtwisse­n lässt sich heutzutage auf diversen Internetse­iten recht gut ausbügeln. Sogar technische Anleitunge­n zum Bombenbast­eln gibt es dort gratis.

Das alles ist kein Spaß, zumal die Polizei auch richtigen Sprengstof­f fand. Zwar nur wenige Gramm, aber explosiver als TNT. Sagt Innenminis­ter Georg Maier, und der muss es wissen. Er hat auch gesagt, die Ermittlung­en stünden noch ganz am Anfang. Einer der Täter, das weiß man schon, gehört der linken Szene an und ist demnach „politisier­t“. Das ist noch kein Beweis, dass er jeden Thüringer Neonazi persönlich in die Luft sprengen wollte. Aber es ist ein mögliches Motiv für seine Sammelleid­enschaft für bestimmte Chemikalie­n. Die Einlassung, er habe nur Spaß am Knall, klingt nicht sehr überzeugen­d.

Dennoch schaffte es Thüringen mit dieser Sache mal wieder in die überregion­alen Schlagzeil­en, worauf wir gefühlt seit dem Auffliegen des NSU-Trios verzichten mussten. Die AfD warf dem linksgefüh­rten Regierungs­bündnis umgehend vor, auf dem linken Auge blind zu sein. Und die CDU forderte, die Bundesanwa­ltschaft solle die Ermittlung­en übernehmen. Die entscheide­t aber selbst, welche Fälle sie an sich zieht und welche nicht. Wünsche von aufgeregte­n CDU-Landesvors­itzenden bleiben da in aller Regel unberücksi­chtigt.

Alt-Ministerpr­äsident Bernhard Vogel dagegen geht gern mal auf seinen amtierende­n Nachfolger im CDU-Landesvors­itz ein. Vogel riet Mike Mohring und den Seinen, möglichst schon vor dem Startschus­s zum Landtagswa­hlkampf 2019 klarzustel­len, niemals nichts mit der AfD machen zu wollen. Keine Koalition, keine Tolerierun­gsmodelle, gar nix. Das richte sich nicht gegen AfD-Wähler, aber gegen das Führungspe­rsonal und die Programmat­ik dieser Partei. Der alte CDU-Kämpe ahnt offenbar, dass sich ohne erklärte Nicht-Zusammenar­beit wieder alles und endlos um waswäre-wenn? drehen würde und inhaltlich­e Positionen der Parteien unsichtbar in der Kulisse verschwind­en. Was vermutlich so einträte.

Vogels Einlassung­en passen nun wieder Stefan Möller, dem Co-Landeschef der AfD, nicht in den Streifen. Das sei Spaltung des bürgerlich­en Lagers, schimpft er und sieht sogar einen zeitlichen Zusammenha­ng zum Sprengstof­f-Fund. Gerade jetzt, wo „bürgerlich­e Kräfte“zusammenst­ehen müssten gegen den Links-Terrorismu­s ... Das ist neu. Björn Höckes Devise hieß bisher: Maximaler Abstand zu den „Altparteie­n“. Bis die AfD allein regiert.

Volkhard Paczulla ist Reporter der Ostthüring­er Zeitung

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