Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Zahl autoritärer Staaten nimmt zu
Studie sieht Demokratie auf dem Rückzug. , Milliarden Menschen werden autokratisch regiert
Gütersloh. In Entwicklungsund Schwellenländern geraten Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zunehmend unter Druck. Der Transformationsindex der Bertelsmann-Stiftung, der am Donnerstag in Gütersloh vorgestellt wurde, verzeichnet Rückschritte bei Gewaltenteilung, Pressefreiheit und freien Wahlen in zahlreichen Ländern. So leben derzeit 3,3 Milliarden Menschen in autokratisch regierten Ländern. Seit der Index 2004 erstmals erstellt wurde, war die Zahl noch nie so hoch. Die Untersuchung wird im Zwei-Jahres-Rhythmus veröffentlicht und basiert auf Länderberichten, die die Stiftung in Auftrag gegeben hat.
Von den 129 untersuchten Schwellen- und Entwicklungsländern stufte die Stiftung 58 als Autokratien ein, drei mehr als noch vor zwei Jahren. Umgekehrt sankt die Zahl demokratisch regierter Länder im Index von 74 auf 71. In 40 der 129 Staaten vermerkten die Autoren der Studie Einschränkungen des Rechtsstaats, in 50 sind politische Freiheiten beschnitten worden. Galt 2006 noch jedes sechste Land als vorbildlich bei der Durchführung von freien und fairen Wahlen, gilt das 2018 nur noch für jedes vierzehnte Land. Fortschritte machten laut Untersuchung Sri Lanka und Burkina Faso. Als am wenigsten demokratisch wurden neben Nordkorea Eritrea, Jemen, Syrien und Somalia eingestuft.
Doch undemokratische Tendenzen gibt es auch in nächster Nachbarschaft. Zu den Absteigern im Demokratie-Ranking gehören zwei Länder, mit denen Deutschland eng und auf vielfältige Weise verbunden ist: Polen und die Türkei.
Polen folge zunehmend dem Beispiel der „populistisch-autoritären Führung“in Ungarn, so Projektleiter Hauke Hartmann. So habe Deutschlands Nachbar im Osten den Druck auf unabhängige Medien verstärkt. Auch bei der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Gerichte sehen die Autoren des Index’ Rückschritte.
Noch gravierender ist laut Ranking die Situation in der Türkei: Nirgends sei die „Aushöhlung der Gewaltenteilung“so stark vorangetrieben worden wie in der Türkei seit dem Putschversuch 2016. Halte dieser Trend an, so die Autoren, könne die „stark defekte Demokratie“Präsident Recep Tayyip Erdogans bei der nächsten Auswertung in zwei Jahren als Autokratie geführt werden.
Eines der größten Hindernisse für Demokratie und wirtschaftliche Nachhaltigkeit ist laut der Studie eine unzureichende soziale und wirtschaftliche Entwicklung. In 72 Entwicklungsund Schwellenländern herrschten demnach massive Armut und hohe soziale Ungleichheit. In 22 dieser Staaten, darunter Indien, Südafrika und Venezuela, sei das Entwicklungsniveau in den letzten zehn Jahren sogar gesunken.