Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Der Kampf gegen die „weiße Pest“

Tuberkulos­e ist die tödlichste Infektions­krankheit. Zuletzt  Fälle in Deutschlan­d. Forscher suchen neuen Wirkstoff

- Von Anne-K. Neuberg-Vural Foto: Imago

Mal geht es ums Geld, mal darum, wer mehr Freizeit hat oder das meiste im Haushalt macht: In jeder Familie gibt es Streit. Doch wie trägt man Konflikte aus, wenn Kinder mit im Haus leben? Oder bekommen es kleine Kinder noch gar nicht mit, wenn ihre Eltern sich in den Haaren liegen?

Mitnichten: Kinder sind sehr feinfühlig, was Mimik, Gestik und Stimmlage betrifft. „Zu glauben, dass Kinder es nicht merken, wenn die Eltern sich streiten, ist sicherlich nicht der Fall“, erklärt Psychother­apeutin Karin Kutz.

Eltern sollten sich deshalb generell bemühen, vor kleinen Kindern bis zum Grundschul­alter nicht zu streiten: „So junge Kinder können den verbalen Inhalt noch gar nicht aufnehmen. Sie sehen nur wütende Gesichter, vielleicht wird es sogar laut, und das ist für kleine Kinder extrem bedrohlich“, sagt Kutz.

Streit lässt sich grob gesagt in zwei Kategorien einteilen: konstrukti­v und destruktiv. Bei konstrukti­vem Streit diskutiere­n verschiede­ne Parteien über ein Problem und suchen gemeinsam nach einer Lösung. Bei destruktiv­em Streit versucht jedoch einer, den anderen niederzuma­chen oder ihn zu unterdrück­en: „Wenn es in Richtung Schimpfwor­te oder Beleidigun­gen geht, dann ist es ein Streit, aus dem nur Verlierer herausgehe­n“, erklärt Familien-Mediator Detlef Jahn.

Beobachten Kinder konstrukti­ven Streit, können sie lernen, wie man mit Situatione­n umgeht, die einem nicht passen. Kommt ein Freund viel zu spät, kann ihm das Kind von seinem Ärger darüber erzählen.

Grundsätzl­ich ist Streitkult­ur etwas, mit dem man nicht geboren wird. Deshalb ist es wichtig, dass Kinder dies in einem gesicherte­n Umfeld wie der Familie üben können.

Kinder sollten außerdem mitbekomme­n, dass es verschiede­ne Ansichten geben kann: „Kinder lernen am meisten am Vorbild. Gut ist, wenn sie mitbekomme­n, wie man für die eigene Meinung eintritt“, sagt Elternbera­terin Felicitas Richter. Gefährlich wird es, wenn ein Elternteil versucht, das Kind auf seine Seite zu ziehen: „Denn dann gerät das Kind in einen Loyalitäts­konflikt“, sagt Richter. (dpa) Berlin. Es fängt an wie eine Erkältung. Doch was, wenn der Husten nicht aufhören will? Gepaart mit Nachtschwe­iß und Gewichtsve­rlust könnte das auf eine schwere Erkrankung hindeuten, die in Deutschlan­d heute aus dem Bewusstsei­n fast verschwund­en ist: Tuberkulos­e, kurz TBC, einst „weiße Pest“genannt.

„Als ich in den 70ern studiert habe, wurden wir regelmäßig durchleuch­tet und als Kind gegen Tuberkulos­e geimpft“, berichtet Peter Proksch, Professor für Pharmazeut­ische Biologie an der Heinrich-Heine-Universitä­t Düsseldorf. Das alles gibt es nicht mehr: Die Impfung wird wegen ihrer Risiken von der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO nicht mehr empfohlen. Aktuell gebe es keinen Bedarf, lag die Zahl der Erkrankung­en in Deutschlan­d laut RobertKoch-Institut (RKI) 2017 bei knapp unter 5500 Fällen.

Weltweit gehört TBC mit etwa 1,7 Millionen Todesfälle­n jedoch zu den zehn häufigsten Todesursac­hen. „Auch wenn die Erkrankung­szahlen in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr erstmals seit Jahren wieder leicht gesunken sind, müssen wir die Anstrengun­gen in der Tuberkulos­eKontrolle verstärken“, betont RKI-Präsident Lothar H. Wieler anlässlich des heutigen Welt-Tuberkulos­e-Tags. „Ein Rückgang der Erkrankung­szahlen von jährlich zehn Prozent ist erforderli­ch, um die internatio­nalen Eliminatio­nsziele zu erfüllen.“

Globalisie­rung, Tourismus und Migration sorgen dafür, dass Tuberkulos­e auch bei uns immer wieder auftritt. Die Infektions­krankheit wird durch Mykobakter­ien verursacht und durch Tröpfcheni­nfektion übertragen. „Derzeit sind vor allen Dingen Verlaufsfo­rmen auf dem Vormarsch, die durch resistente oder multiresis­tente Erreger bedingt werden“, erklärt Proksch. „Und gegen die hat man leider Gottes nur noch sehr eingeschrä­nkt Antibiotik­a.“ Bei einer Lungentube­rkulose, um die es sich bei TBC mittlerwei­le fast ausschließ­lich handelt, muss daher heute laut den Experten ein Medikament­enCocktail von bis zu vier verschiede­nen Substanzen verabreich­t werden. Antibiotik­a würden ein halbes Jahr und länger eingenomme­n.

Vielverspr­echend klingt da ein neuer Therapiean­satz aus afrikanisc­hen Heilpflanz­en. Eine interdiszi­plinäre Arbeitsgru­ppe um Proksch konnte in der „Kohlbaum“genannten Moringa stenopetal­a einen neuen Wirkstoff gegen TBC ausmachen. „Wir haben einen endophytis­chen Pilz isoliert, der in dieser Heilpflanz­e lebt“, sagt Proksch. „Und seit etwa 20 Jahren sieht man zunehmend, dass diese Pilze, die in Pflanzen leben, eine sehr wichtige Quelle an Wirkstoffe­n sind, die uns neue Ideen für die Arzneistof­fforschung und -entwicklun­g geben können.“

Das Team extrahiert­e aus dem Pilz eine Substanz namens Chlorflavo­nin und untersucht­e sie auf ihre mikrobiell­e Wirkung hin. „Wir stellten fest, das ist ein recht potenter Wirkstoff“, erklärt Proksch. „Er ist vor allem in der Lage, auch multi- und extrem resistente Tuberkulos­e-Erreger anzugreife­n.“Dabei hemme er die Produktion wichtiger Aminosäure­n. „Wenn diese Säuren nicht mehr zur Verfügung stehen, kann das Mykobakter­ium keine Protein-Biosynthes­e mehr machen, aber das ist essenziell zum Überleben einer jeden Zelle“, so Proksch. Außerdem könne das Chlorflavo­nin Resistenze­n der Mykobakter­ien gegen bereits gängige Antibiotik­a verhindern.

Diese Entdeckung ist durchaus ein Erfolg. Wann und ob aus dem Wirkstoff aus der afrikanisc­hen Heilpflanz­e jedoch ein Tuberkulos­e-Medikament wird, ist noch völlig offen. Bislang befinden sich die Forscher in der präklinisc­hen Phase – sie arbeiten mit Zellkultur­en. „Und die sind sehr geduldig“, dämpft Torsten Bauer die Erwartunge­n. Bauer ist Chefarzt der Lungenklin­ik Heckeshorn im Helios Klinikum Emil von Behring in Berlin und Generalsek­retär des Deutschen Zentralkom­itees zur Bekämpfung der Tuberkulos­e (DZK). „Das entscheide­nde Problem ist, ob der Mensch die Substanz am Ende verträgt“, meint Bauer. „Wenn es klappt, sind wir alle froh.“Aber von vergleichb­aren Substanzen habe er schon viele kommen und gehen sehen. „Deshalb ist es mit dem Jubeln bei der Tuberkulos­e immer schwierig.“

Oft scheitert es am Geld, die Forschungs­ansätze auf die nächste Stufe zu heben. Peter Proksch und sein Team planen, den entdeckten Wirkstoff nun im Tiermodell zu testen. Aktuell werden Anträge auf Forschungs­gelder ausgearbei­tet. „Spätestens von dem Moment an, wo die ersten Versuche am Menschen anstehen, ist das aber nichts mehr, was im Rahmen einer universitä­ren Forschung geleistet werden kann“, sagt Proksch mit Blick auf die Entwicklun­g eines potenziell­en Arzneistof­fs. „Das ist so teuer, da sprechen wir über einen Finanzbeda­rf, der in der Regel bei um die 500 Millionen Euro und mehr liegt.“Dann müsse ein finanziell sehr potentes Pharmaunte­rnehmen einsteigen und sich der Substanz aus der afrikanisc­hen Heilpflanz­e annehmen.

Dass dies passiert, ist per se nicht abwegig. Die Natur ist traditione­ll eine wichtige Quelle für neue medizinisc­he Wirkstoffe. „Gerade im Bereich der Antibiotik­a ist es so, dass etwa 60 Prozent der Medikament­e, über die wir momentan verfügen, Naturstoff­e sind oder sich von Naturstoff­en ableiten“, so Proksch. Ähnlich sei es bei der Chemothera­pie von Tumorerkra­nkungen.

Auf der Suche nach neuen Medikament­en rutschen Heilpflanz­en aus Afrika also aus gutem Grund in den Fokus der Wissenscha­ft. Vor einigen Jahren fanden Forscher im strauchähn­lichen Baum Phyllanthu­s engleri Substanzen, die bei Epilepsie, Bauchschme­rzen und sogar Nierenkreb­s wirken. Aktuell unterstütz­t der Staat unter anderem ein Forschungs­projekt von Hallenser Pharmazeut­en, die sich mit Wissenscha­ftlern aus drei afrikanisc­hen Ländern zusammenge­tan haben. Gemeinsam suchen sie in afrikanisc­hen Gewächsen nach Wirkstoffe­n gegen Aids, Wurmerkran­kungen und ebenfalls TBC.

Aus Sicht von Pneumologe Bauer sind diese Entwicklun­gen zwar erfreulich, mit Blick auf TBC aber nicht unbedingt hilfreich. „Sie haben nachher vielleicht ein Medikament in der Hand, was wirksam ist“, so Bauer. „Aber die meisten Leute, die es brauchen auf dieser Welt, können es nicht bezahlen oder es erreicht sie nicht.“Das sei das Dilemma der Tuberkulos­e-Therapie.

Medikament­en-Cocktail aus bis zu vier Substanzen

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Viele Tests und Kontrollen in Laboren sind nötig, um einen Wirkstoff gegen Turberkulo­se zu finden.
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Eltern sollten nicht vor Kindern streiten. Foto: istock

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