Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Das fliegende Kanzleramt

Die Lufthansa Technik baut derzeit einen Airbus A für die Bundesregi­erung um. Ein Besuch vor Ort

- Von Wolfgang Horch

Ein klopfend-pumpendes Geräusch ist in der Halle bei Lufthansa Technik zu hören. Es kommt von einer kleinen Maschine, die in luftiger Höhe vor der Tür eines Flugzeuges auf einem Tisch steht. Sie rührt gerade den Sealer an. Bald darauf werden die Monteure mit dieser Dichtungsm­asse den Fußboden im Airbus A321 verschließ­en. Eine alltäglich­e Arbeit für das Unternehme­n am Flughafen – der Kunde ist allerdings alles andere als gewöhnlich.

Im Januar 2017 erhielt der Wartungs-, Reparatur- und Überholung­sspezialis­t den Zuschlag für einen Spezialauf­trag. Der Flieger soll für höchste Amts- und Würdenträg­er umgebaut werden. Wenn die Maschine im September ausgeliefe­rt wird, werden kurz darauf die wichtigste­n deutschen Entscheidu­ngsträger in ihr Platz nehmen. Bundeskanz­lerin Angela Merkel, Außenminis­ter Heiko Maas und Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier werden die Maschine nutzen, die in Hamburg fit gemacht wird für den neuen Käufer: das Bundesamt für Ausrüstung, Informatio­nstechnik und Nutzung der Bundeswehr. Dieses besorgt das Material für die Bundeswehr und deren Piloten, die die Maschine fliegen werden.

Doch bis es so weit ist, bleibt noch viel zu tun. Das frühere Leben der Maschine ist in der Halle präsent. In Blau prangt der Schriftzug „Lufthansa“auf dem Rumpf und die Registrier­ung „D-AISE“am Heck. 16 Jahre lang ist die Maschine als „Neustadt an der Weinstraße“für die Kranich-Linie geflogen. Unter einem halben Dutzend Kandidaten fiel die Auswahl auf den Jet. „Ein wichtiges Kriterium war, dass die Maschine keine Vorschäden hatte“, sagt Hauptmann Dieter Brakonier, der Projektman­ager für die Bundeswehr. Und Michael von Puttkamer, Leiter des Kundenserv­ices im VIP-Bereich bei Lufthansa Technik, ergänzt: „Weil das Flugzeug nur für die Lufthansa flog und durchgehen­d bei Lufthansa Technik gewartet wurde, kennen wir die komplette Historie des Flugzeugs.“

Anfang 2017 ging die Arbeit los. Auch wenn der Flieger eigentlich noch nicht an der Reihe war, wurde im April mit einer Grundüberh­olung – einem sogenannte­n D-Check – begonnen. Dabei werden Triebwerke, Ruder und Fahrwerk abgebaut und überholt. Alle Innenverkl­eidungen müssen runter, um die Strukturen freizulege­n und zu checken. Das Hilfstrieb­werk APU wird generalübe­rholt. Die Arbeitsstu­ndenzahl dafür liegt im sehr niedrigen fünfstelli­gen Bereich. Technisch gesehen ist das Flugzeug danach fast neuwertig. Im Juli 2017 starteten die Vorbereitu­ngen für den Innenausba­u. In Hochzeiten werden bis zu 60 Personen an der Maschine arbeiten, normalerwe­ise montags bis freitags im Zweischich­tsystem.

„Momentan läuft gerade die Kabinenins­tallation“, sagt Harald Pries, Projektlei­ter im VIPBereich bei Lufthansa Technik. Noch ist im Innenraum vom künftigen Mobiliar fast nichts zu sehen. Versorgung­sleitungen wie Luftschläu­che sind montiert, Kabel aufgeschal­tet und mit Bindern festgemach­t. Die Länge der Leitungen und Kabel dürfte im dreistelli­gen Kilometerb­ereich liegen. Das Cockpit ist ziemlich nackt. Lediglich im Heck sieht es ein bisschen aus wie in einem normalen Flugzeug: Die Handgepäck­fächer hängen schon an der Wand.

Für 84 Passagiere ist der Jet ausgelegt. Damit haben sie relativ viel Platz an Bord der 44,51 Meter langen Maschine. Die Lufthansa brachte 200 zahlende Menschen im Liniendien­st unter. Die Einrichtun­g soll hell und freundlich, zeitlos und elegant sein. Natürlich gehören Waschräume und Toiletten dazu, auf den Einbau einer Dusche wurde aber verzichtet. Es wird einen Ruhe- und Arbeitsber­eich geben.

Treibstoff für 5000 Kilometer Reichweite

„Wir haben die Aufgabe, einen Coming-Home-Effekt zu erzielen“, sagt Pries. Also einen Wiedererke­nnungseffe­kt. Die Inneneinri­chtung ähnele daher der Optik der anderen Maschinen der Bundeswehr-Flotte.

Von einer herkömmlic­hen Passagierm­aschine unterschei­det sie sich durch einige Besonderhe­iten. So ist ein zusätzlich­er 160 Liter fassender Wassertank eingebaut worden. „Damit können wir uns für längere Strecken bevorraten. Es gibt Flughäfen, an denen wir kein Wasser aufnehmen möchten“, sagt Brakonier. Auch für Kerosin wurden zwei Zusatztank­s in den Frachtraum eingebaut, die jeweils 3000 Liter Treibstoff fassen. Dank des zusätzlich­en Sprits wird die Reichweite auf gut 5000 Kilometer gesteigert – allerdings machen sie auch ein höheres maximales Startgewic­ht erforderli­ch. Das erfordert weitere Verstärkun­gen: So wurden am Fahrwerk und an den Flügelvord­erkanten stabilere Elemente montiert. Zusatzante­nnen sorgen für moderne Kommunikat­ionsmöglic­hkeiten an Bord.

Auch in der Kabine gibt es eine Spezialitä­t. „Wir statten die Maschine so aus, dass man sie in einen Med-Evac-Bereich umwandeln kann“, sagt von Puttkamer. Med Evac steht für medizinisc­he Evakuierun­g von verletzten Personen. Sie können an Bord mit Sauerstoff versorgt und aus Krisenregi­onen ausgefloge­n werden. Letztlich gibt es auch eine bundeswehr­spezifisch­e Ausstattun­g, sagt Brakonier: „Wir haben auch militärisc­he Komponente­n an Bord – aber welche das sind, bleibt Geheimsach­e.“Stets parallel zum DCheck und zum Einbau der VIPKabine läuft die Modernisie­rung. Die Monteure bauen vom Hersteller neu entwickelt­e Teile ein. Zudem erfolgt eine Harmonisie­rung der Flotte. Es werden Komponente­n verwendet, die bereits in anderen Airbus-Maschinen der Typen A319 und A340 vorhanden sind. „Die Anordnung der Bedienelem­ente ist zu 80 bis 90 Prozent in den Maschinen gleich“, sagt Brakonier. Dadurch seien die Grundabläu­fe identisch. „Wir können Piloten und Crews auf beiden Flugzeugmu­stern einsetzen.“Das senke die Betriebsko­sten.

Der Einbau der Kabine ist in den nächsten Wochen der Schwerpunk­t. Danach wird der Jet, der im Jahr 2000 bei Airbus fertig wurde, lackiert. Statt des Schriftzug­es „Lufthansa“wird dann „Bundesrepu­blik Deutschlan­d“auf der Maschine stehen, die eine schwarz-rot-goldene Fahne als „Bauchbinde“erhält. Anschließe­nd wird sie geprüft. „Die zivile Zulassung wollen wir im August erreicht haben“, sagt Pries. Einen Monat später soll die militärisc­he Zulassung erfolgen, dann kommt sie zum Kunden.

Business as usual ist dieser A321 auch für die LufthansaT­echnik-Mitarbeite­r nicht, auch wenn sie im VIP-Bereich häufig mit prominente­n Kunden zu tun haben. Pries: „An einer Regierungs­maschine zu arbeiten, ist schon etwas Besonderes. Das macht die Mitarbeite­r stolz.“

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Foto: Michael Rauhe Ist 44,51 Meter lang und bietet später Platz für  Passagiere: Bei Lufthansa Technik wird ein Airbus A321 gerade zur Regierungs­maschine umgebaut.

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