Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Vettel profitiert von Rechenfehl­er

Ferrari-Pilot jubelt beim Formel -Auftakt in Australien nach Fauxpas bei Mercedes. Titelverte­idiger Hamilton ärgert sich über die Technik

- Von Elmar Brümmer

Melbourne. Der Große Preis von Australien ist immer noch die beste Gelegenhei­t, um die Formel-1-Welt auf den Kopf zu stellen. Sebastian Vettel und Ferrari ist das zum Saisonauft­akt perfekt gelungen. Mit Glück, Chuzpe und einer SafetyCar-Phase fing der Heppenheim­er den schnellste­n Mann im Feld, Lewis Hamilton, zur Rennmitte ab. Begünstigt allerdings durch einen Rechenfehl­er bei Mercedes. So stand der Herausford­erer gestern in seinem 200. Grand Prix nicht nur zum 100. Mal auf dem Podium, sondern auch noch zum 48. Mal auf der obersten Stufe. Die überlegene­n Silberpfei­le trugen Trauer, aber die Königsklas­se hat zumindest zum Auftakt etwas von jener Unberechen­barkeit, die sich alle (außer den Titelverte­idigern) gewünscht haben. Es ist die 26. Runde, nach der nicht nur verschlafe­ne deutsche Fernsehzus­chauer ihren Augen kaum trauen. Gerade noch war Sebastian Vettel zum Reifenwech­sel an die Box eingebogen, um die Führung wieder an Lewis Hamilton abzugeben, der sechs Runden früher vorgefahre­n war und danach nur noch einen Spaziergan­g vor sich zu haben schien. Doch als der Ferrari wieder auf die Piste abbiegt – liegt Vettel plötzlich vorn! Kaum einer hatte gemerkt, dass die Rennleitun­g eine virtuelle Safety-Car-Phase angeordnet hatte, nachdem zuvor Romain Grosjean wegen eines lockeren Rades auf der Gegengerad­e zwangspark­en musste.

In solchen Fällen greift die Rennleitun­g ein. Unter dem sogenannte­n virtuellen Safety Car müssen alle Piloten auf der gesamten Strecke langsamer fahren. Ferrari nutzte dies und holte Vettel genau in diesem Moment zum Reifenwech­sel, die Konkurrenz fuhr derweil nicht im Renntempo und so verlor Vettel bei seiner langsamen Boxendurch­fahrt weniger Zeit als bei einem Stopp unter normalen Bedingunge­n. Mercedes ging trotzdem davon aus, dass der Vorsprung reichen würde. Ein Rechenfehl­er, die Mercedes-Software lieferte einen falschen Wert. Teamchef Toto Wolff musste eingestehe­n: „Wir hätten um mehrere Sekunden im sicheren Bereich liegen müssen..“

Sebastian Vettel hatte aber das unschlagba­re Glück, dass er noch nicht gestoppt hatte. „Wir haben alles richtiggem­acht. Das war der Schlüssel zum Sieg.“

Dritter in Melbourne wurde Kimi Räikkönen, Hamiltons Teamkolleg­e Valtteri Bottas nach seinem Qualifikat­ionscrash nur Achter. Die Geheimfavo­riten von Red Bull Racing, Daniel Ricciardo und Max Verstappen landeten auf den Rängen vier und sechs, beide Haas-Boliden schieden nach verpatzten Reifenwech­seln aus. Dafür gab es je 5000 Dollar-Strafe, die eigentlich aus Maranello überwiesen werden konnten. Der US-Rennwagen ist eine Kopie des Ferrari, hat die italienisc­hen Leihmotore­n im Heck und den Vettel-Coup erst ermöglicht.

In der Qualifikat­ion hatte der Auftritt von Mercedes noch schlimmste Befürchtun­gen über einen Alleingang befürchten. Im entscheide­nden Abschnitt hatte Lewis Hamilton jenes Mehr an Mercedes-Motorenpow­er eingesetzt, dass sie bei den Titelverte­idigern spaßeshalb­er „Party-Modus“nennen. Mit einem Takt, der dem Briten auf einen Umlauf einen Vorteil von knapp 0,7 Sekunden auf den besten Ferrari einbrachte. Das sind Welten und ein Rundenreko­rd, von dem selbst Hamilton sagte, dass ihm dabei das Herz raste.

Alle fahren langsam, Vettel schaltet schnell

Hamilton würde „lieber nach Instinkt fahren“

Bis der Partycrash­er Vettel auf der langen Distanz zum Zug kam, obwohl er lange Dritter war. Auf frischeren Reifen hielt er Hamilton in der ganzen zweiten Rennhalbze­it geschickt hinter sich. Aus Wut, Enttäuschu­ng und Unverständ­nis saß der Unterlegen­e minutenlan­g allein in seinem Auto. Ihn plagte die Frage nach dem „Warum?“Rivale Vettel hingegen hüpfte auf und ab, reckte die radkappeng­roße Trophäe in den Himmel, und gab zu, dass wohl auch höhere Mächte mit im Spiel waren: „Ich hatte die ganze Zeit für eine Safety-Car-Phase gebetet. Ich war hellwach im Kopf, als sie kam, denn ich wusste, dass es ganz nach vorn gehen kann.“

Noch zwei Stunden nach Rennende haderte Hamilton: „Ich hatte so viele Reserven, um noch viel weiter vorn zu sein. Aber man bekommt das Limit vorgegeben und kann dann im Cockpit nichts zu. Ich würde definitiv lieber nach Instinkt fahren, so wie es früher war. Dann würde es mehr in meinen Händen liegen und nicht in den Daten.“

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Zum Haare raufen: Titelverte­idiger Lewis Hamilton ist nach dem Technik-Fauxpas in der . Runde nicht nach Jubeln – Auftaktsie­ger Sebastian Vettel aber schon. Foto: Reuters

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