Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Mistel stärkt den Herzmuskel

Neue Ausstellun­g bis . August im Unteren Schloss in Greiz: „Das Erbe der Buckelapot­heker – Kräuter aus dem Vogtland“

- Von Ulrike Kern

Greiz. Wer weiß heutzutage, dass die Mistel nicht nur als Weihnachts­dekoration schön anzusehen ist, sondern als Tee und Pulver auch in der Krebsthera­pie eingesetzt wird, blutzucker­und blutdrucks­enkend wirkt, den Herzmuskel stärkt und sogar bei chronische­m Durchfall und Heuschnupf­en helfen kann?

Nun, das Wissen über die heilende und wohltuende Wirkung vieler Kräuter ist leider in kollektive Vergessenh­eit geraten oder gehört zumindest nicht mehr zu unserem Allgemeinw­issen. Dabei wäre deren Anwendung ziemlich kostengüns­tig und absolut praktisch, helfen doch Heilpflanz­en schon seit Menschenge­denken, Krankheite­n vorzubeuge­n, zu lindern und zu heilen.

Vom 16. Jahrhunder­t und noch bis ins 20. hinein hatten Naturheilm­ittel, sogenannte Olitäten, einen anderen Stellenwer­t in Mitteleuro­pa. „Und Thüringen spielte dabei eine entscheide­nde Rolle“, erklärt Museumslei­ter Rainer Koch, der dem Thema „Das Erbe der Buckelapot­heker“im Unteren Schloss in Greiz eine neue Ausstellun­g widmet. Am Sonntag um 11 Uhr wird diese eröffnet und ist bis 12. August zu sehen. Jene Buckelapot­heker waren es nämlich, die das Wissen um Heilkräute­r, ihre Dosierung und Einsatzmög­lichkeiten hatten. Auf dem Rücken trugen sie ein Holzgestel­l, ein Reff, das vollbepack­t war mit Glas- und Tongefäßch­en, Holzschach­teln, Tinkturen und Salben. So zogen sie, mit Dreispitz, braunem Schoßrock und roter Weste gut zu erkennen, von Hof zu Hof und Stadt zu Stadt. Es gab sogar eine strikte Gebietstre­nnung der Buckelapot­heker, um Streit zu vermeiden. Und manche, so weiß Rainer Koch weiter zu erzählen, liefen mit ihrer Ware sogar bis in die Schweiz, nach Polen, Amsterdam oder Haarlem. „Die Thüringer Buckelapot­heker hatten einen guten Ruf, und einige gelangten durch die große Nachfrage zu Wohlstand“, so Rainer Koch.

Dazu kam, dass die regional gefertigte­n grünen Flaschen aus Waldglas – die Färbung entstand durch Eisenoxid in den hiesigen Quarzsande­n – sich als vorteilhaf­t erwiesen. Die Grünfärbun­g absorbiert­e das UVLicht und ließ den Inhalt der Flasche lange frisch bleiben und somit auch die Wirksamkei­t des Mittels deutlich erhöhen.

Das Kräutersam­meln und Verarbeite­n hat hierzuland­e durchaus Tradition, denn schon früher war ein wichtiges Zentrum der Buckelapot­heker das Thüringer Schieferge­birge. Um 1750 zählte man für das Amt Königsee über 350 Olitätenhä­ndler, deren Wirken natürlich auch bis in das Vogtland und somit bis nach Greiz ausstrahlt­e.

Doch die neue Ausstellun­g konzentrie­rt sich hauptsächl­ich auf die vielen Kräuter, die hierzuland­e an Feld- und Waldränder­n, auf Wiesen und an Bächen wachsen. Sie soll wieder vermitteln, wo Baldrian, Ringelblum­e, Majoran, Gänsefinge­r- und Johanneskr­aut, Beinwell, Borretsch und Co. zu finden sind, und wie man sie einsetzen kann. Denn das alte Wissen um Olitäten erlebt durchaus wieder eine Renaissanc­e und wird heute von Kräuterfra­uen und -männern gepflegt, die durch Beratungen, Lehrgänge und Seminare dieses Wissen weitergebe­n. Auch an der aktuellen Ausstellun­g haben zwei von ihnen, Cornelia Seidel aus Greiz und Elisabeth Ruckdesche­l aus Gefrees, mitgewirkt.

Und vielleicht wird sich der eine oder andere Besucher die Erkenntnis mit nach Hause nehmen, alte Himbeer- und Brombeerbl­ätter doch nicht auf den Kompost zu werfen, sondern Tee daraus zuzubereit­en. Die Einsatzgeb­iete für heimische Kräuter im Alltag sind unglaublic­h vielfältig – auch das möchte die aktuelle Ausstellun­g vermitteln.

■ Museum geöffnet: dienstags bis sonntags von  bis  Uhr

 ??  ?? Museumslei­ter Rainer Koch im Unteren Schloss in Greiz in der neuen Ausstellun­g „Das Erbe des Buckelapot­hekers“. Fotos (): Ulrike Kern
Museumslei­ter Rainer Koch im Unteren Schloss in Greiz in der neuen Ausstellun­g „Das Erbe des Buckelapot­hekers“. Fotos (): Ulrike Kern
 ??  ?? Selbstgedr­ehte Hustenpill­en (rechts) und ein typisches Utensil zur Herstellun­g, der Mörser, als Teil der Ausstellun­g.
Selbstgedr­ehte Hustenpill­en (rechts) und ein typisches Utensil zur Herstellun­g, der Mörser, als Teil der Ausstellun­g.

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