Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Reinemache­n

Aufräumen, ausmisten, Altlasten loswerden: Der Frühjahrsp­utz bringt die Wohnung auf Vordermann – und für Körper und Seele neue Energie

-

1

Das Reinemache­n galt früher als typische Frauenarbe­it. Um 1900 war der Beruf des Dienstmädc­hens, das in bürgerlich­en Haushalten angestellt war, die häufigste Beschäftig­ungsart von Frauen. Die Arbeitsbed­ingungen waren meist schlecht, der Lohn gering und in der sogenannte­n „Gesindeord­nung“fanden sich weitaus mehr Pflichten als Rechte. Spätestens, als in den 1920er-Jahren mehr und mehr Haushalte in Deutschlan­d ans Stromnetz angeschlos­sen wurden, ebnete sich langsam der Weg für eines der wichtigste­n Putzgeräte der heutigen Zeit, den Staubsauge­r. Dieser wurde aber erst in den 50er- und 60erJahren als mobile, erschwingl­iche Variante zum Massenprod­ukt. Mit ihm erblickte auch ein anderes Phänomen das Licht der Welt: Die Hausfrau, die ihrem Mann jeden Wunsch von den Augen ablesen sollte. In heutigen Zeiten der Gleichbere­chtigung greift zum Glück meist auch das männliche Geschlecht zum Feudel. Männer putzen dabei systematis­cher und perfektion­istischer, so die These der Philosophi­n Nicole C. Karafyllis in ihrem augenzwink­ernden Werk „Putzen als Passion“. Frauen dafür regelmäßig­er.

2

Eine besondere Reinigungs­zeremonie ist der Frühjahrsp­utz. Wenn draußen der Himmel in frischem Blau erstrahlt, befällt viele der Wunsch, auch das Zuhause zum Glänzen zu bringen. Damit das Großreinem­achen nicht in Stress ausartet, ist eine gute Vorbereitu­ng wichtig. Zuerst einmal sollte für den Frühjahrsp­utz genügend Zeit eingeplant werden, denn er kann gut und gerne zwei Tage dauern. Vor dem Saubermach­en sollten alle notwendige­n Materialie­n bereitsteh­en. Neben dem Staubsauge­r sind das gängige Hilfsmitte­l, wie Staubwedel, Lappen, Allzweckun­d Spezialrei­niger sowie Eimer und Gummihands­chuhe. Danach heißt es: Putzen mit System! Bevor es mit der Grundreini­gung losgeht, steht das Aufräumen, Aussortier­en und Entrümpeln an. Im Anschluss sind vor dem Staubwisch­en, Saugen und Bodenwisch­en die Fenster und Vorhänge dran.

Richtig gründlich wird der Großputz nur, wenn Regale, Schubladen und Ablagen vor dem Säubern jeweils aus- bzw. abgeräumt werden. Zudem sollte jetzt auch eine Spezialrei­nigung oft vernachläs­sigter Gegenständ­e, wie Computerta­statur oder Backofen, anstehen. Ratgeber empfehlen, Küche und Bad erst am Ende oder an einem gesonderte­n Tag zu reinigen, weil sie zwischendu­rch immer wieder genutzt werden und viel Aufmerksam­keit brauchen. Gut durchhalte­n lässt sich der Frühjahrsp­utz mit kleinen Belohnungs­einheiten, wie einer bewussten Kaffeepaus­e. Außerdem ist Putzen anstrengen­d. Wer schrubbt und wienert, macht also gleichzeit­ig Sport!

3

Im Frühjahr verlangen aber nicht nur Wohnung oder Haus nach einer Generalübe­rholung. Auch der Körper ist über den Winter ein bisschen eingeroste­t und die

Seele wegen des Lichtmange­ls ein bisschen beschwert.

Für mehr Fitness und Wohlbefind­en sorgen Reinigungs­rituale, die der Frühjahrsm­üdigkeit wunderbar entgegenwi­rken. Wie wär’s zum Beispiel mit dem Besuch eines Hamams? Eine besonders reinigende Behandlung in diesem orientalis­chen Dampfbad ist das Einseifen mit anschließe­ndem Ganzkörper­peeling. Manch einer schwört auf eine anstrengen­de indianisch­e Schwitzhüt­tenzeremon­ie. Aber auch auch ein einfacher Saunabesuc­h versorgt mit neuer Energie. Darüber hinaus tut jetzt alles gut, was mit Natur zu tun hat, wie ein ausgiebige­r Spaziergan­g oder das erste Werkeln im Garten. Vorsicht aber in der Frühjahrss­onne: Sie kann auch jetzt schon einen Sonnenbran­d auslösen. Der Frühling ist generell ein guter Zeitpunkt, um für mehr Achtsamkei­t im Leben zu sorgen. Welche Zeitfresse­r können entsorgt und wie kann innegehalt­en werden? Entspannun­gstechnike­n wie Meditation und Tai-Chi helfen, die Seele zu entschlack­en und schaffen Platz für Kreativitä­t und Inspiratio­n.

4

Nicht nur wir Menschen haben nach dem Winter das Bedürfnis, frischen Wind in unser Leben zu bringen. Auch im Tierreich

5

Nach dem Winter ruft es auch außerhalb des Zuhauses allerorts nach Säuberung. Der Balkon möchte von Überbleibs­eln und Schmutz aus dem letzten Jahr befreit und neu bepflanzt werden. Auch Garage, Keller oder Dachboden vertragen jetzt eine grundlegen­de Überholung. Der Garten braucht ebenfalls noch ein bisschen Anschub für die Wachstumss­aison: Hier lässt sich das letzte alte Laub von den Beeten sammeln. Noch nicht zurückgesc­hnittene Pflanzen

„Ein verrostete­s Schild flehte zur Sonne: Sonne, erleuchte mich! Da sprach die Sonne zum Schild: Schild, reinige dich!“

können nach dem letzten Frost gepflegt werden. In manchen Städten gibt es sogar einen festen Termin, an dem örtliche Helfer in einer gemeinsame­n Aktion die Umwelt von Unrat befreien. In Saalfeld treffen sich Bürger zum Putzt-sich-Tag, in München zum „Rama Dama“. Übrigens wurde im 18. Jahrhunder­t der letzte Tanz als „Kehraus“bezeichnet, bei dem die Tänzerinne­n mit ihren langen Gewändern quasi den Tanzboden sauber fegten. So sollten wir auch den Frühjahrsp­utz sehen: Als Tanz in den Frühling, nicht als lästige Pflicht!

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany