Ostthüringer Zeitung (Bad Lobenstein)
Die Entdeckung der Langsamkeit
Die neu formierte Nordhäuser Ballettkompanie stellt sich in Rudolstadt mit „Die Seele erzählt nicht, sie tanzt“vor
die Brücken baut und Grenzen überwindet. Kann gut sein, dass Gomez diese Gedanken im Kopf hatte. Das Publikum hat die Freiheit der Interpretation und bedankt sich für diesen Teil des Abends mit herzlichem Applaus.
Nach der Pause führt Ballettchef Ivan Alboresi Musik des Barockkomponisten Johann Paul von Westhoff mit den Klängen des zeitgenössischen deutschen Künstlers Carsten Nicolai zusammen, der als alva noto gemeinsam mit Ryūichi Sakamoto 2015/16 für die Filmmusik von „The Revenant – Der Rückkehrer“für den Golden Globe Award nominiert war. Eine überaus gelungene Verbindung, zumal sie auch im Tanzvokabular ihre Entsprechung findet. Klassik trifft Modern, Spitzentanz und kraftvolle Hebungen gehen eine Symbiose ein mit kreativen zeitgenössischen Ausdrucksformen. Tänzerinnen in ausladenden schwarzen Spitzenröcken des Barock (Kostüme: Elisabeth Stolze-Bley) und ihre Partner in offenstehenden dunklen Jacken setzen die Musikcollagen in eindrucksvolle Bilder um, nicht immer dem Tempo entsprechend, aber mit vorzüglicher Ausstrahlung. Dazu tragen auch die Bühne bei (Roland Winter) mit den barocken Andeutungen und vor allem ein ausgeklügeltes Lichtdesign, das die Szenen stimmungsvoll hervorhebt. Bemerkenswert ist, dass Alboresi nicht nur wirkungsvolle Gruppenbilder und Duette kreiert, sondern jedem seiner zwölf Tänzerinnen und Tänzer die Möglichkeit für kleine solistische Auftritte bietet. Konstantina Chatzistavrou, Giulia Maria Damiano, Gabriela Finardi, Ayako Kikuchi, Martina Pedrini, Johanna Schnetz, Andras Dobi, Samuel Dorn, Joshua Raymond Lowe, David Nigro, Andrea Schuler und Rosario Vestaglio nutzen diese Chance technisch versiert und ausdrucksstark und werden dafür vom Publikum mit viel Beifall belohnt.
Nicht jede Inszenierungsidee erschließt sich, nicht jedes der Tanzbilder dieses knapp zweistündigen Ballett-Doppelabends finden den Weg vom Kopf in die Herzen der Zuschauer. Dennoch hat „Die Seele erzählt nicht, sie tanzt“– gemessen am lang anhaltenden Schlussapplaus und den vereinzelten Bravo-Rufen – offensichtlich den Nerv der Rudolstädter getroffen.