Verhütung war und ist Frauensache
Historiker der Universität Jena haben die Geschichte der „Wunschkindpille“erforscht
zweier wissenschaftlicher Tagungen in Jena zurückgehen.
„Es sind Beiträge zu einer Kulturgeschichte der Fertilität“, sagt Silke Satjukow. Dabei geht der Blick der Forscher weit über Deutschland hinaus: Beschrieben werden die Situation in den einstigen sozialistischen Ostblockstaaten, in den USA in den 1960er Jahren, in Russland ebenso wie in der Bundesrepublik und der DDR. Unter der Überschrift „Globale Ausblicke“werden zudem Argentinien, Brasilien, Südafrika, die Türkei und China in den Fokus gerückt. Ergänzend gibt es einen Exkurs in die Geschichte von Verhütung und Schwangerschaftsabbruch. In einem Beitrag von Lutz Niethammer wird zudem die spannende und wechselvolle Geschichte der Geburtenkontrolle in frühen islamischen Ländern erzählt. „Dass wir im Zeitalter der Pille leben, lässt sich nur aus der begrenzten Wahrnehmung der westlichen Welt behaupten“, sagt Lutz Niethammer. Noch immer seien im weitaus größeren Teil der Welt herkömmliche Methoden wie Diaphragma, Spirale oder Sterilisation die Mittel der Wahl. Auch seien die Diskussionen um die „Pille“bis heute nicht verstummt: Die Einnahme wird aus religiösen Gründen in Frage gestellt, problematisch sind zudem die zahlreichen Nebenwirkungen der chemischen Kontrazeptiva.
Die Kulturgeschichte der Fertilität kennt zahlreiche Sonderwege. So ersetzte in der Sowjetunion und im heutigen Russland der Schwangerschaftsabbruch faktisch legal die Verhütung. In der DDR hingegen wurde die „Antibaby-Pille“als „Wunschkindpille“staatlich propagiert und gefördert. Das Präparat sollte es ermöglichen, Berufstätigkeit und Mutterschaft besser zu vereinbaren.
Erforscht haben die Geschichte der DDR-„Wunschkindpille“die Historiker Annette Leo und Christian König in einem Forschungsprojekt an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie befragten Frauen verschiedener Generationen über ihre Erfahrungen mit der „Pille“und forschten in den Archiven. Ihre Ergebnisse haben sie in dem Buch „Die ‚Wunschkindpille‘. Weibliche Erfahrung und staatliche Geburtenpolitik in der DDR“veröffentlicht.
Offiziell begann die Geschichte der „Wunschkindpille“1965 in Jena. In jenem Jahr brachte der Volkseigene Betrieb „Jenapharm“das neue Verhütungsmittel unter dem Namen „Ovosiston“auf den Markt.
Vorausgegangen sei dem ein Spionagefall, schreiben die beiden Autoren. Angeblich stahl ein „Kundschafter“des Ministeriums für Staatssicherheit die Pillen-Rezeptur bei der westdeutschen Konkurrenz. Belege indes fanden die Wissenschaftler Christian König und Annette Leo dafür nicht.
Begrenzte Wahrnehmung der westlichen Welt Die Geschichte der DDR„Wunschkindpille“