Ostthüringer Zeitung (Pößneck)
. Großbritannien und die EU profitieren
Für die EU wäre es ein großer Vorteil, weiter einen möglichst ungehinderten Zugang zum britischen Markt zu haben. Denn Großbritannien importiert weit mehr Güter aus der EU, als es britische Produkte in den Binnenmarkt exportiert. Es wäre denkbar, dass beide Seiten Kompromisse finden. Im Gegenzug könnte Großbritannien, das auf EU-Arbeitskräfte angewiesen ist, großzügige Einwanderungsquoten anbieten. Dafür könnte die EU einen privilegierten Zugang zum Binnenmarkt in einzelnen Sektoren erlauben – zum Beispiel auf dem Automobiloder Pharmamarkt. Auch eine enge Kooperation bei der inneren und äußeren Sicherheit würde beiden nutzen. Ein Schulterschluss bei Militär und Terrorabwehr ist wahrscheinlich, weil dies Großbritannien und der Rest-EU zugutekäme. Eine Mischlösung mit Zugeständnissen von beiden – ein bisschen Zugang zum EU-Binnenmarkt für die Briten gegen ein Mindestmaß an EU-Einwanderung – dürfte Brüssel ablehnen. Berlin. Türkische Spitzenpolitiker erheben im Vorfeld des Verfassungsreferendums erneut schwere Vorwürfe gegen die EUStaaten. Europa solle „auf den Weg der Demokratie“zurückkehren, schreibt Vedat Bilgin. Der türkische Diplomat leitet die Delegation seines Landes bei der Parlamentarischen Vertretung der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Er reagiert damit auf die Auftrittsverbote türkischer Politiker in mehreren EU-Staaten, wie etwa in den Niederlanden und in Deutschland. Die EU dürfe nicht dem „Druck von Fremdenfeindlichkeit und Radikalisierung“erliegen, schreibt Bilgin in einem Brief an die fast 60 Leiterinnen und Leiter der anderen Delegationen bei der OSZE. Der Brief liegt dieser Redaktion vor.
Auch an den CDUBundestagsabgeordneten Jürgen Klimke ging der Brandbrief. Er ist stellvertretender Leiter der deutschen Delegation in der Vertretung der OSZE, der 323 Parlamentarier angehören. Klimke reagierte „irritiert“auf das Schreiben von Bilgin. „Aber das passt leider zum zunehmend irrationalen Verhalten der türkischen Verantwortlichen im Vorfeld des Verfassungsreferendums“, sagte Klimke gegenüber dieser Redaktion. Die türkische Regierung müsse sich fragen lassen, ob sie „mit ihrem Pochen auf die Durchführung von Wahlkampfauftritten nicht gezielt provozieren wollte, um die erzeugte Empörung für eigene Zwecke zu nutzen“, so Klimke.
Der CDU-Politiker hat nun ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags in Auftrag gegeben. Das Urteil ist eindeutig: Völkerrecht und die deutsche Verfassung geben der Bundesregierung das Recht, ausländischen Regierungsmitgliedern die Einreise für Wahlkampfauftritte zu verbieten.