Ostthüringer Zeitung (Pößneck)

„Deutlich mehr Kindergeld für ärmere Familien“

Die neue Familienmi­nisterin Katarina Barley (SPD) unternimmt einen Vorstoß zur Bekämpfung von Kinderarmu­t – und mahnt ihre Partei zur Geschlosse­nheit

-

wird. Das hat bei mir oberste Priorität. Gleichzeit­ig will ich dafür sorgen, dass die sozialen Berufe aufgewerte­t werden. Davon profitiere­n in erster Linie Frauen. Diese Woche haben wir da mit der Reform der Pflegeberu­fe einen ersten wichtigen Schritt getan. Besonders am Herzen liegt mir aber die Bekämpfung der Kinderarmu­t. In Deutschlan­d ist jedes fünfte Kind armutsgefä­hrdet – das ist doch für ein reiches Land wie dieses ein Armutszeug­nis. Alle Kinder sollen bei uns gut aufwachsen und ihre Chancen nutzen können. Drittel derer, die Anspruch auf den Kinderzusc­hlag haben, stellen einen entspreche­nden Antrag. Diese beiden Leistungen muss man zusammenfü­hren. Mein langfristi­ges Ziel als Familienmi­nisterin ist, den Zuschlag auf bis zu 201 Euro im Monat aufzuwerte­n – und mit dem Kindergeld zu verbinden. Diese neue Leistung muss man einmal beantragen und dann ohne viel Bürokratie­kram weiter bekommen können. Eine Familie mit geringem Einkommen würde dann für das erste Kind bis zu 393 Euro im Monat erhalten – das errechnete Existenzmi­nimum für das Kind. Insgesamt geht es da um zwei Millionen Kinder in Deutschlan­d.

Was kostet das neue Kindergeld – und wie wollen Sie es finanziere­n?

Wir rechnen mit rund zwei Milliarden Euro im Jahr, die aus dem Bundeshaus­halt kommen.

Ist es klug, einfach mehr Geld zu verteilen? Sie können nicht bei allen Eltern sicher sein, dass es den Kindern zugutekomm­t.

Im Gegenteil. Mir ist wichtig, die zu erreichen, die es brauchen und die sich anstrengen, aber für die es schwer ist, sich und die Kinder aus eigener Kraft gut über die Runden zu bringen. Ich will, dass viele Eltern, Hunderttau­sende Kinder und auch viele Alleinerzi­ehende endlich ohne Hartz IV auskommen. Das muss ein Regierungs­schwerpunk­t in den nächsten vier Jahren werden – dafür werde ich kämpfen.

Alleinerzi­ehend – dieses Thema ist für Sie keine Theorie. Sie sind geschieden und haben zwei Söhne. Wie schaffen Sie das? Wir teilen uns die Erziehung. Ich pendle ja zwischen Rheinland-Pfalz und Berlin. Mein älterer Sohn ist gerade aus dem Haus, mein jüngerer 13 Jahre alt. Wenn ich in der Hauptstadt bin, wird er von meinem Ex-Mann betreut. Als ich noch einfache Abgeordnet­e war, habe ich nur die Sitzungswo­chen in Berlin verbracht. Dann wurde ich Generalsek­retärin, und mein ExMann hat sich bereit erklärt, mehr Erziehungs­zeiten zu übernehmen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Wir verstehen uns gut, daher ist das überhaupt kein Problem.

Werben Sie für das Wechselmod­ell?

Für meine Kinder war es immer gut, Zeit mit beiden Elternteil­en zu verbringen. Ich will hier aber überhaupt keine Empfehlung­en geben. Das ist ein hochemotio­nales Thema, das sich für jede Familie anders stellt.

Die SPD-Bundestags­fraktion will Gerichten die Möglichkei­t geben, Erziehung im Wechsel auch gegen den Willen eines Elternteil­s anzuordnen. Unterstütz­en Sie das?

Das ist eine der schwierigs­ten Fragen im Familienre­cht. Ich will da erst mal den Dialog mit Fachleuten und Verbänden suchen. Wir haben dazu im Juli eine Konferenz. Für mich ist wichtig, dass Familien in Trennungsp­hasen mehr Unterstütz­ung bekommen. Das ist eine belastende Situation für alle, vor allem für die Kinder – selbst wenn das eine sehr gütliche Trennung ist wie meine.

 ?? Foto: Reto Klar ?? Neu im Ministerbü­ro: Katarina Barley () beim Interview.
Foto: Reto Klar Neu im Ministerbü­ro: Katarina Barley () beim Interview.

Newspapers in German

Newspapers from Germany