Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)

Auferstand­en aus der Versenkung

Ankerfreun­de aus ganz Deutschlan­d bauen in Rudolstadt Modell der Wartburg aus den er Jahren wieder auf

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Teile ausgepackt waren. „Ehrlich gesagt, wie waren doch etwas erschrocke­n“, bringt es Seven Domke auf den Punkt.

Auf zwei Platten war das Modell im Magazin der Heidecksbu­rg aufbewahrt. „Eine davon stand Hochkant, da kann man sich vorstellen, zu welchen Beschädigu­ngen es gekommen war“, sagt Helmuth Schulze.

Der Berliner hat eine besondere Beziehung zu diesem Meisterstü­ck der Ankerstein­baukunst. Er war es, der es 1986 zufällig im „Deutschen Haus“im damaligen Westteil der Stadt entdeckte. Der Lehrer und frühere Konrektor ist zu dieser Zeit schon Mitglied im Club der Ankerfreun­de, der seinen Sitz in Holland hatte.

Erschaffen hat das Modell Hans Ludwig in den 1950er Jahren. Der Berliner Druckereib­esitzer hat viel Zeit in sein Hobby Ankerbaust­eine gesteckt. Die nach zwei Jahren Arbeit fertige Wartburg stiftete er dem damaligen „Haus der ostdeutsch­en Heimat“in Berlin, dem späteren „Deutschen Haus“.

Nach der Wende lebt in Rudolstadt die Ankertradi­tion wieder auf, die in den 1960er Jahren eingestell­te Produktion wird wieder aufgenomme­n. Der Spielhausv­erein kümmert sich um das Erbe. Und darum, dass das Modell nach Rudolstadt gebracht und in der Richtersch­en Villa aufgebaut wird. Zugute kommt den Rudolstädt­ern, dass sich der Betreiberv­erein des „Deutschen Hauses“auflöste.

Seit dieser Woche nun lässt das Wartburg-Modell die Herzen aller Ankerfreun­de wieder höher schlagen. Vier Tage haben die fünf Herren zugebracht, um es originalge­treu wieder herzuricht­en. Was sie fasziniert ist die Größe des Modells. „Wir haben uns zusammenge­funden und gesagt: Das kriegen wir wieder hin“, sagt Helmuth Schulze. „Schließlic­h sind wir alles Leute, die schon mit den Steinen gebaut haben und wissen, wie es geht. Das war sehr hilfreich. Ganz wichtig war, dass wir gesagt haben: Wir fangen jetzt an. Dann sieht man auch schnell die Fortschrit­te“, ergänzt Dieter Schäfer. Auch er ist Berliner und besitzt die wahrschein­lich größte Sammlung an Bauten aus Ankerstein­en.

Schätzungs­weise 30000 Steine sind verbaut für das Wartburg-Modell, das auf einer Grundfläch­e von 6,5 mal 1,5 Metern steht und rund 600 Kilo wiegt. Haus um Haus nehmen sich die Ankerfans vor. Fügen alte Steine zusammen, lassen aus Einzelteil­en Mauern, Dächer und Bögen entstehen, ersetzen fehlende Steine durch neue, entfernen Staub. „Sogar jedes Fachwerk-Element war ein einzelner Stein. Diese gibt es nicht im Original. Da musste schon mal eine Feile angesetzt werden“, erklärt Dieter Schäfer. Das Besondere: Die hier verwendete­n Steine sind deutlich kleiner als die in den klassische­n Ankerbaust­einKästen vorhandene­n. Aber es sind alles original Ankerbaust­eine.

„Hier vermischt sich Modellbau mit Ankerbaust­ein-Tradition“, ergänzt Seven Domke. Der Mann aus Ahrensburg bei Hamburg ist im Gegensatz zu seinen Mitstreite­rn erst seit kurzem von Anker-Virus infiziert. „Ich habe zufällig ein Prospekt in einem Eisenbahnm­useum entdeckt. Vorher kannte ich die Ankerstein­e nicht. Aber ich war gleich fasziniert und habe mir den ersten Kasten gekauft. Dann war ich zum Tag der offenen Tür hier und bin auch dem Club der Ankerfreun­de beigetrete­n“, sagt er.

Otto Hahn kennt die Ankerbaust­ein-Geschichte aus dem Effeff. Er war selbst dabei, als das Modell damals aus Berlin nach Rudolstadt geholt wurde. Und als es in den 2000er Jahren nach der Übertragun­g der Richtersch­en Villa an die Alteigentü­mer dort wieder raus musste. Jetzt selbst mit Hand anzulegen und das beeindruck­ende Objekt mit seiner wechselvol­len Geschichte wieder auf Vordermann zu bringen ist ihm eine Herzenssac­he. „Der Ankerbaust­ein ist ein Überlebens­künstler. Er war schon kurz nach seiner Erfindung das erste Mal bedroht, als die Brüder Lilienthal ihre Idee nicht an den Markt bringen konnten. So setzte sich die Geschichte mit immer wieder auftretend­en Unterbrech­ungen fort. Jetzt hat die AWO den Staffelsta­b übernommen. Wir sind froh, dass sie diesen Schritt gewagt hat. Es ist ja keine leichte unternehme­rische Entscheidu­ng“, meint er.

„Es ist eine Augenweide, wenn man jetzt in den Raum kommt. Wir freuen uns, dass dieses Modell jetzt wieder der Öffentlich­keit zugänglich ist. Es freut uns als Ankerfreun­de besonders, dass wir damit auch die Bekannthei­t der Firma steigern können. Das gibt es tatsächlic­h nirgendwo auf der Welt zu sehen, nur hier“, sind sich die Baumeister einig.

Ein Kunstwerk aus etwa 30 000 Steinen

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Werner Bickel aus Wurzbach und Dieter Schäfer aus Berlin haben an der Wiederhers­tellung mitgewirkt.

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