Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)
„Fangen Sie mit den dicken Brocken an“
Öfter Radfahren, den Stromverbrauch senken und bewusster Fleisch essen: Michael Bilharz, Experte des Umweltbundesamtes, über nachhaltiges Leben
Wenn ich nur mit dem Auto zur Arbeit komme?
Dann sollte das Auto möglichst spritsparend sein, wenn möglich gründen Sie Fahrgemeinschaften, steigen auf Carsharing um. Dann sparen Sie sich die Wartung für Ihr eigenes Auto, sind nicht ständig auf Parkplatzsuche. Sie sparen sich ohne eigenes Auto viele Mühen.
Anders Auto fahren hilft nicht?
Sie können den Reifendruck erhöhen, auf unnötiges Gewicht verzichten, niedertourig fahren. Das mindert alles den Kraftstoffverbrauch. Entscheidend bleibt aber, wie viele Kilometer sie zurücklegen und ob sie ein effizientes Auto fahren.
Muss ich aufs Fliegen verzichten?
Das müssen Sie entscheiden. Wenn Sie nicht fliegen, verbessern Sie ihre eigene CO2-Bilanz enorm. Aber Ihre individuelle Entscheidung verändert erst mal wenig. Das Flugzeug fliegt sowieso. Denn kaum jemand anderes wird es Ihnen gleichtun, solange das Fliegen so attraktiv und billig ist, weil Flugbenzin steuerfrei ist und Regionalflughäfen subventioniert werden. Da muss die Politik umsteuern.
Kann ich als Einzelner überhaupt viel erreichen?
Man kann das so sehen: Sie sind nur einer von 7,5 Milliarden Menschen, da ändern Sie global betrachtet wenig bis nichts. Oder Sie sagen: Ich investiere 10 000 Euro in Windenergie, habe nicht nur eine gute Geldanlage, sondern im Jahr rund elf Tonnen CO2 und damit bereits mein Soll eingespart. Um einen entscheidenden Unterschied zu machen, muss man sich auf die großen Brocken konzentrieren. Essen Sie statt Reis in einem Jahr nur Kartoffeln, sparen Sie nur zehn Kilo CO2. Dämmen SieIhr Haus, können Sie tonnenweise CO vermeiden.
Was mache ich als Mieterin? Da gelten die klassischen Tipps. Kurz und zackig lüften, statt die Fenster dauerhaft auf Kipp zu stellen, zeitgesteuerte Temperaturventile einbauen. Die sind für 20 Euro zu haben. Morgens ist es im Bad warm, wenn ich dusche. Danach wird es automatisch wieder kälter.
Bleibt der letzte Brocken: Was kommt zum Essen auf den Tisch?
Das ist ja kein Geheimnis. Wir essen zu viel Fleisch. Die Produktion belastet das Klima besonders. Das muss weniger werden. Es ist auch ungesund. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät, in der Woche nicht mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst zu essen statt der bislang üblichen 1,2 Kilo. Wer dann noch Produkte mit Biosiegel wählt, macht eigentlich alles richtig.
Die Biogurke aus der Ferne ist besser als die konventionelle aus der Region?
Darüber lässt sich stundenlang streiten, selbst Experten sind sich nicht einig. Ich bin da für mehr Gelassenheit – und den Blick fürs Wesentliche.