Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)
Mit den Augen einer Wespe
Tiefsitzen, paradieren, angreifen! Beim PSV Weimar griff unser Autor zur Waffe – und schwitzte viel
ist aber es trotzdem“, sagt Kliewer; einer, der durchaus schlauche. „Es beansprucht den ganzen Körper und ist eine der komplexesten Sportarten überhaupt“, sagt sie, die schon vieles ausprobiert hat. Am Fechten schätzt Kliewer die Dynamik, Agilität und Kurzweiligkeit.
Der Beweis folgt prompt: Einführung ins Tiefsitzen. Das bezeichnet die typische Haltung der Kontrahenten zu Beginn der Partie: Die Füße rechtwinklig zueinander, Knie leicht gebeugt. „So kann man schneller reagieren“, sagt Kliewer. Hüften und Knie quittieren es sogleich. Unterdessen haben Kinder und Jugendliche ihr Training beendet und ich ziehe mich an. Hose, Unterziehweste, darüber die Jacke, schließlich Handschuhe; die Spezialsocken bleiben ausnahmsweise weg. Es sind schwere, enge und warme Klamotten. Beinahe ein Kokon.
Und sie sind nicht billig. Kinder bis zwölf Jahren können das Equipment ausleihen, danach muss es selbst gekauft werden. Stimmt das Vorurteil des Reichenhobbys doch? „Es ist schon ein kostenintensiver Sport“, sagt Kliewer. Die Jahresmiete für eine Ausrüstung beträgt 100 Euro, der Quartalsbeitrag 45.
Mein erster Kampf findet gnädigerweise gleich mit Katja Kliewer statt, die mich erkennbar schont. Wir fechten mit dem Florett. Daneben gibt es noch Säbel und Degen. Sie unterscheiden sich in Gewicht, Griff und der zulässigen Trefferfläche am Körper. Das Florett wird schnell gefochten, man muss immer auf der Hut sein. Trefferfläche sind hier der Rumpf und der Latz der Maske. Zielen ist da angesagt.
Ach ja, die Maske. Vom Tragegefühl einem Helm ähnlicher, schützt sie das Gesicht vor der Waffe. Plötzlich muss ich an die Facettenaugen von Fliegen oder Wespen denken. Doch man sieht alles, was man sehen muss, selbst die Brille stört nicht.
Gegenüber dem Florett ist der Degen schwerer, wird aber langsamer gefochten, außerdem gilt hier der ganze Körper als erlaubtes Ziel, was das komplizierte Reglement vereinfacht. „Älteren Einsteigern rate ich deswegen eher zum Degen“, sagt Kliewer.
Unser Kampf beginnt. Bei Florett und Säbel gilt Angriffsrecht, was bedeutet: Wer den Angriff startet, bekommt den Treffer zugeschrieben. Ein Treffer gilt, wenn die Spitze am Ende der Waffe auf den Sensoren der elektronischen Westen auslöst. Der Gegner kann sich mit einer Parade gegen den Angriff wehren. Damit geht das Angriffsrecht bei Florett und Säbel automatisch an ihn über.
Wie schwierig es ist, die gegnerische Parade zu durchbrechen, respektive selbst zuzustechen, merke ich, als ich mich nach dem Kampf mit Katja Kliewer noch auf eine Minipartie mit einem der erfahrensten Fechter im Verein einlasse – ein Satz mit X. Beinahe spielerisch paradiert er meine Angriffe, führt eher mein Florett, als ich meines. Ich kassiere Treffer nach Treffer.
„Koordination ist am wichtigsten beim Fechten“, fasst Katja Kliewer zusammen, als wir uns nach dem Trainingsabend der Anzüge entledigen. Das kann ich bestätigen, doch auch die Fitness muss stimmen, will man nicht allein durchs Vorrücken und Zurückweichen aus der Puste kommen. Zu diesem Zweck wird auch reichlich die Ausdauer geübt.
Spaßig war der Versuch definitiv und er hat im Kopf sogar gleich doppelt aufgeräumt: Erstens fühlt man sich hinterher angenehm ausgepowert. Und zweitens hat sich wieder ein Klischee in Luft aufgelöst: Snobs waren an diesem Abend in der Turnhalle nämlich keine zu sehen.
Geeignet schon für Grundschulkinder