Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)
Die bleischwere Schuld eines charmanten Trinkers
Sebastian Barry lässt seinen Helden in „Gentleman auf Zeit“auf eine unselige Konstellation zurückblicken
Seine bleischwere Schuld an der Verwandlung der lebenslustigen, selbstbewussten und schönen Mai in ein Alkoholwrack liegt klar auf der Hand und wird nie geleugnet.
„Gentleman auf Zeit“ist nach „Die Zeitläufe des Eneas McNulty“(1999) und „Ein verborgenes Leben“(2009) der dritte Roman des 1955 geborenen Barry mit einer Figur aus der eigenen Familiengeschichte im Zentrum. In seinem neuen Buch bekommt nicht das Opfer das Wort, sondern der Hauptschuldige am Scheitern eines anderen. Jack ist ein intelligenter, charmanter Trinker, ein einsichtsvoller, reumütiger Versager mit scharfer Beobachtungsgabe, der Konsequenzen immer bis fünf nach zwölf aufschiebt. Zwecks Läuterung zur Feder greift er erst 1957, Jahre nach Mais Tod, im westafrikanischen Accra, wohin es ihn mal wieder bei einer seiner vielen Fluchten getrieben hat.
Sebastian Barry gehört zur allerersten britisch-irischen Erzählergarde mit Kollegen wie Ian McEwan, Julian Barnes und John Banville. Er schlägt in seinem neunten Roman den gewaltigen Bogen zwischen den Schauplätzen Ghana und Irland und auch über dreieinhalb Jahrzehnte, zurück zur ersten Begegnung 1922 zwischen der vielversprechenden Schönheit Mai Kirwan aus der gehobenen Mittelklasse und dem sozial deutlich „rangniederen“Jack.