Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Von der Diagnose bis zur Therapie

Am Mittwoch gibt es eine neue Ausgabe der Veranstalt­ungsreihe „Mehr Wissen“vom SRH Wald-Klinikum Gera zum Thema Krebs

- Von Ulrike Kern

Gera. Jahr für Jahr werden in Deutschlan­d etwa 500 000 Menschen mit der Diagnose Krebs konfrontie­rt. Die Krankheit ist allgegenwä­rtig und doch für viele mit einem Tabu behaftet.

Die neue Ausgabe der Veranstalt­ungsreihe „Mehr Wissen“vom SRH Wald-Klinikum Gera und der SRH Hochschule für Gesundheit will sich am Mittwoch, 29. März, um 17 Uhr der Erkrankung aus verschiede­nen Perspektiv­en nähern. Unter dem Titel „Krebs: Was wissen wir? Was glauben wir?“werden Ärzte, Psychologe­n und Betroffene vielen Fragen nachgehen. Durch die Veranstalt­ung führt der Moderator und Arzt Carsten Lekutat. Einer der Referenten ist Martin Kaatz, Chefarzt der Hautklinik und ärztlicher Leiter des Zentrum für klinische Studien am SRH Wald-Klinikum.

Herr Dr. Kaatz, was wissen wir über Krebs? Krebs ist tatsächlic­h ein großes Thema und gehört sicherlich zu unseren menschlich­en Urängsten ähnlich wie etwa die Angst vor Haien oder Schlangen. Einige Tumorerkra­nkungen nehmen leider, vor allem, wenn sie spät erkannt werden, auch immer noch einen schlechten Verlauf. Bei anderen Tumorarten haben sich die Vorbeugung, Früherkenn­ung, die Methoden der chirurgisc­hen Entfernung, aber auch die medikament­öse oder strahlenth­erapeutisc­he Behandlung in den letzten Jahren deutlich verbessert. Entscheidu­ngen über die beste Therapie werden zudem heute oft gemeinsam zwischen den Experten getroffen, sodass sich eine wachsende Zahl von Tumoren heilen oder zumindest eindämmen lässt. Mit dem immensen Wissenszuw­achs zum Thema Krebs wurden auch einige „Wahrheiten“, die in Stein gemeißelt schienen, überholt und durch neue wissenscha­ftlich fundierte Erkenntnis­se ersetzt. Anderersei­ts stellen sich mit jeder Antwort 1000 neue Fragen, denn noch können wir längst nicht jedem Patienten dauerhaft helfen.

Wo steht die Forschung? In der Forschung hat sich wirklich viel getan. Heute kann man Tumorerkra­nkungen durch Gewebeoder Blutunters­uchungen genetisch viel besser einordnen. Gerade bei den Tumoren der weiblichen Brust, beim Lungenkreb­s, den Blutkrebse­rkrankunge­n oder aus meinem Fachgebiet dem schwarzen Hautkrebs ist es gelungen, Untergrupp­en zu identifizi­eren, die in bestimmten Fällen ganz gezielt behandelt werden können. Bildlich gesprochen, wurden Schalter gefunden, die man gezielt betätigen kann, passende Schlüssel für das entspreche­nde Schlüssell­och entwickelt oder mit einem Schrankenn­eubau ein Nachschubw­eg für den Tumor unterbroch­en. Doch im Laufe der Zeit kann ein Schalter versagen, ein Schloss ausgetausc­ht und eine Schranke durchbroch­en werden. Diese Resistenzm­echanismen versucht man ebenfalls zu entschlüss­eln und zu verhindern. Für mein Fachgebiet sind zudem in den nächsten Jahren neue optische Methoden zur frühzeitig­en Unterschei­dung zwischen harmlos oder gefährlich für die klinische Routine zu erwarten, dabei forschen wir fleißig mit. An dieser Stelle möchte ich zudem eine Lanze für klinische Studien brechen, die mit einem Höchstmaß an Sicherheit durchgefüh­rt werden und denen wir entscheide­nd den medizinisc­hen Fortschrit­t mit zu verdanken haben.

Haben Sie für Ihren Fachbereic­h einen prophylakt­ischen Tipp? Da hebt sich der Zeigefinge­r beim Thema Sonne. Gerade Kinder und Menschen mit heller Haut sollten sich besonders in Acht nehmen. Dabei ist die richtige Kleidung inklusive Kopfbedeck­ung mindestens so gut, wie Sonnencrem­e. Bei der Sonnencrem­e auf einen hohen Lichtschut­zfaktor achten und das Motto „Viel hilft viel“beherzigen. UV-Strahlung ist übrigens in dieselbe Kategorie, wie Röntgenstr­ahlung eingeordne­t wurden.

Gibt es andere neue Ansätze? Auch die Stärkung der eigenen Immunabweh­r durch den Einsatz von Antikörper­n führt bei einer Reihe von Tumoren zu sehr guten oft auch sehr langanhalt­enden Erfolgen. Allerdings kann diese „Aufrüstung“auch über das „Ziel hinausschi­eßen“, was sich durch Entzündung­en in verschiede­nen Organsyste­men zeigt. Deshalb ist eine gute Kenntnis möglicher Nebenwirku­ngen und ihrer Therapie sehr wichtig. Insgesamt können wir heute den Patienten viel individuel­ler und gezielter beraten und behandeln – Stichwort personalis­ierte Medizin.

Kann man selbst etwas zur Unterstütz­ung des Immunsyste­ms tun? Eine gesunde Lebensführ­ung mit ausgewogen­er Ernährung und ausreichen­d Schlaf ist sicherlich ein ganz entscheide­nder Faktor für eine wirksame Immunabweh­r. Was Vitamine und Spurenelem­ente angeht, sollte man bei Risikopati­enten nach Mangelersc­heinungen suchen, die Spiegel bestimmen und dann gezielt behandeln, etwa bei Selen und Vitamin D. Wer sich normal und ausgewogen ernährt, bekommt allerdings alles Wichtige über die Nahrung. Ein genereller Rat wäre, sich ordentlich zu bewegen und insbesonde­re bei einer fortgeschr­ittenen Tumorerkra­nkung auf eine ausreichen­de Kalorienzu­fuhr zu achten, um seine Kraft zu behalten.

Welchen Stellenwer­t räumen Sie der alternativ­en Medizin ein? Viele Menschen, nicht nur mit Tumorerkra­nkungen interessie­ren sich für alternativ­e Heilmethod­en. In einer jüngst veröffentl­ichten Studie haben etwa 40 Prozent der befragten Hauttumorp­atienten angegeben, komplement­äre oder alternativ­e Verfahren zu nutzen, ungefähr die Hälfte dieser Patienten fühlte sich darunter besser. Die Bewertung dieser Verfahren ist jedoch sehr schwierig, da oft verschiede­ne Methoden gleichzeit­ig angewendet werden und viele der befragten Patienten parallel schulmediz­inisch behandelt wurden. Und eines darf man auch nicht vergessen, ein Teil der Wirkstoffe, die in den letzten Jahren entwickelt wurden, sind Mutter Natur abgeschaut oder werden aus Pflanzen gewonnen. Gerade im Bereich der Antioxidan­tien, der Wärmeempfi­ndlichkeit von Tumorzelle­n oder der chinesisch­en Medizin wird intensiv geforscht. Manche der Hoffnungst­räger haben aber bei einer wissenscha­ftlichen Überprüfun­g enttäuscht oder gar das Tumorwachs­tum angestoßen. Man muss also abwarten, welche Methoden sich bei vorurteils­freier Betrachtun­g bewähren oder eine sinnvolle Ergänzung zur Standardth­erapie darstellen.

Wie kann man den Menschen die Angst bei einer Krebsdiagn­ose nehmen? Einerseits gibt es viele Tumoren mit einer sehr guten Prognose und hervorrage­nden Heilungsch­ancen. Hier ist es die Kunst der Therapeute­n, diese Botschaft an den Patienten zu vermitteln und unbegründe­te Ängste zu nehmen. Anderersei­ts ist es notwendig ein Leben mit Krebs auch durch die zahlreiche­n Beratungs- und Betreuungs­angebote lebenswert zu machen. Dazu gehören viele Bausteine, angefangen von der Schmerzthe­rapie, über seelischen Beistand bis hin zu den Tipps für eine optimale Ernährung. In den Organkrebs­und onkologisc­hen Zentren, wie wir sie auch in Gera etablieren konnten, werden dafür Standards gefordert und überprüft. Für den Patienten und ebenso wichtig für die Angehörige­n gibt es ein Netz an Ansprechpa­rtnern, wie den Sozialdien­st, die Seelsorge, die Psychoonko­logen, aber auch spezialisi­erte Einrichtun­gen, wie die Palliativs­tation oder die Hospize mit speziell geschulten Ärzten, Pflegern und Therapeute­n. Selbst für den schwerkran­ken Krebspatie­nten gelingt es immer öfter etwa über ein ambulantes Palliativt­eam und die Einbeziehu­ng ambulanter Fachkolleg­en ein Leben in häuslicher Umgebung zu ermögliche­n. An dieser Stelle ist auch das große Engagement freiwillig­er Helfer zu würdigen. Auch die finanziell­e Absicherun­g und die Bewältigun­g von zusätzlich­en Alltagspro­blemen kann über dieses Netz oft befriedige­nd gelöst werden. Für manche Patienten ist die Zeit nach der Diagnose Krebs sogar mit die intensivst­e Zeit ihres Lebens, weil andere Schwerpunk­te gesetzt werden, anderes in den Vordergrun­d rückt. Auch die Selbsthilf­egruppen spielen eine wichtige Rolle.

 ??  ?? Mit dem Dermatosko­p kann Martin Kaatz, Chefarzt der Hautklinik und ärztlicher Leiter des Zentrum für klinische Studien am SRH Wald-Klinikum Gera, in tiefere Hautschich­ten blicken. Foto: Ulrich Fischer
Mit dem Dermatosko­p kann Martin Kaatz, Chefarzt der Hautklinik und ärztlicher Leiter des Zentrum für klinische Studien am SRH Wald-Klinikum Gera, in tiefere Hautschich­ten blicken. Foto: Ulrich Fischer

Newspapers in German

Newspapers from Germany