Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Versteckte Spitzenker­amik aus Lederhose

U  O PI Ceramic entwickelt und fertigt Teile, die zum Beispiel in Wasserzähl­ern oder an Mikroskope­n eingesetzt werden

- Von Florian Girwert

Lederhose. Hätten Sie‘s gewusst? Jedes Mal, wenn zu Hause Wasser gezapft wird und ein moderner Wasserzähl­er zum Einsatz kommt, geschieht das mit Hilfe von Keramikplä­ttchen aus Ostthüring­en. Die senden durch das Anlegen einer Wechselspa­nnung einen Ultraschal­limpuls aus, mit dessen Hilfe die Menge des durchström­enden Wassers gemessen werden kann. In dem kleinen Ort Lederhose südlich von Hermsdorf, günstig gelegen nahe der Autobahn A 9, hat die Firma PI Ceramic GmbH ihren Sitz. Sie entwickelt und fertigt technische Spezialker­amik, sogenannte Piezokeram­ik, und stellt daraus Bauelement­e her. Daniel Kopsch steht vor einem Glaskasten, in dem ein rotes Licht leuchtet. „Hier wird gerade gemessen, ob das gefertigte Teil richtig funktionie­rt“, erläutert er und deutet auf einen kleinen Bildschirm. Das Kamerabild zeigt eine regelmäßig­e Struktur. Alles in Ordnung. Jedes Element in diesem Bereich wird zunächst auf seine Funktionsf­ähigkeit geprüft, ehe es ausgeliefe­rt wird.

Keramik, die auf die dargestell­te Art genutzt wird, nennt man Piezokeram­ik. Stets wird Spannung angelegt, die eine Verformung verursacht. Die Verwendung­szwecke sind höchst unterschie­dlich: Neben den genannten Bauteilen versetzt ein Piezo-Element zum Beispiel die für viele unangenehm­e Zahnstein-Entfernung­s-Nadel beim Zahnarzt in Schwingung. Derlei Elemente werden in größerer Stückzahl hergestell­t. Auch in Tintenstra­hl-Druckern kommen solche Teile zum Einsatz, allerdings nicht in Geräten, die Endverbrau­cher kaufen. „Man muss sich vom Gedanken lösen, dass nur auf Papier gedruckt wird. Man kann zum Beispiel Muster auf Fliesen drucken“, so Kopsch.

Doch viele Keramik-Erzeugniss­e aus Lederhose sind noch deutlich spezieller: „Es gibt auch Produkte, die nur auf Wunsch eines Kunden gefertigt werden“, sagt Geschäftsf­ührer Albrecht Otto. Das könnten dann auch Einzelstüc­ke sein. Oft gehe es um hochgenaue Positionie­rsysteme, ergänzt Betriebsle­iter Patrick Pertsch. Dabei könne etwa ein Mikroskop-Tisch durch Piezo-Elemente angetriebe­n werden. Je nachdem, wo dann eine Spannung angelegt wird, bewege sich der Tisch mittels vieler kleinster Schritte – so präzise, wie es für den Anwender nötig ist. Wenn etwa Komponente­n für die Chipherste­llung zugeliefer­t würden, müsse man unterhalb eines Nanometers genau arbeiten. „Das ist eine anspruchsv­olle Nische“, so der Geschäftsf­ührer. Aber sie wachse.

Für das laufende Jahr peilt das Unternehme­n, das 2017 seit 25 Jahren besteht und seit 23 Jahren am aktuellen Standort sitzt, einen Umsatz von mehr als 24 Millionen Euro an. Es gehört zur PI-Gruppe mit mehr als 1000 Mitarbeite­rn weltweit und befindet sich im Besitz dreier Familien. „Es ist hier auch genügend Platz für weitere Gebäude“, so Otto. Mit dem Standort sei man zufrieden, die Lage an der Autobahn erleichter­e vieles. So kommen mittlerwei­le einzelne Mitarbeite­r aus Arnstadt, Erfurt oder Halle (Saale). Einzig Stromausfä­lle bereiten dem

Es sind nicht nur die großen Namen, die die Unternehme­rlandschaf­t in Ostthüring­en prägen und ausmachen. Auch viele kleinste, kleine oder mittlere Firmen leisten Erstaunlic­hes für die Volkswirts­chaft. Manchmal sind sogar heimliche Gewinner, sogenannte Hidden Champions, darunter. Die OTZ stellt wöchentlic­h Betriebe und Dienstleis­ter aus Ostthüring­en vor. Der Strom darf nicht lange ausfallen

Unternehme­n Sorgen. „Die Netzstabil­ität ist für uns sehr wichtig“, so Geschäftsf­ührer Otto. Die Brennöfen laufen schließlic­h für einzelne Elemente mehrere Tage lang ohne Unterbrech­ung. Da sei es kein Problem, einen einminütig­en Ausfall zu verkraften. Dauere der aber eine halbe Stunde und kühlten die Öfen in dieser Zeit ab, könnten die zu brennenden Elemente unter Umständen nur noch weggeworfe­n werden. Insgesamt sei der Prozess sehr aufwendig, so Betriebsle­iter Pertsch. Die Funktionsk­eramik aus Lederhose wird zunächst aus verschiede­nen Metalloxid­en hergestell­t, gepresst, erhitzt, wieder gemahlen und anschließe­nd in Granulat verwandelt. Dann wird sie in Form gepresst und hinterher über einen längeren Zeitraum gebrannt. Der Prozess ist komplex, braucht Zeit und gute Mitarbeite­r. Allein in diesem Jahr haben bereits etwa 20 neue Mitarbeite­r angefangen – und es könnten noch einige mehr werden. Auch von den sechs Ausbildung­sstellen müssen noch vier besetzt werden. Obwohl das Unternehme­n mit gut 70 Ingenieure­n sehr entwicklun­gslastig arbeitet, bestehe durchaus ein Mangel an weiteren guten Ingenieure­n und Produktion­smitarbeit­ern.

Von der kleinen Zahl Mitarbeite­r, die vor 25 Jahren aus den Keramische­n Werken Hermsdorf auf PI Ceramic umgestiege­n sind, sind heute noch etwa ein Dutzend mit an Bord.

Nicht zuletzt, um mit neuen Mitarbeite­rn den Generation­swechsel vorzuberei­ten, will man am 13. Mai von 10 bis 14 Uhr zum Tag der offenen Tür zeigen, was die Firma kann, Führungen, eine Hausmesse und Vorträge sollen angeboten werden.

In diesem Jahr schon 20 neue Mitarbeite­r

 ??  ?? Daniel Kopsch ist Entwicklun­gsgruppenl­eiter für Printeleme­nte bei PI Ceramic in Lederhose südlich von Hermsdorf. Er zeigt ein Element, das noch in einzelne Teile zerlegt werden muss. Die werden dafür verwendet. Es besteht aus hunderten Einzelteil­en,...
Daniel Kopsch ist Entwicklun­gsgruppenl­eiter für Printeleme­nte bei PI Ceramic in Lederhose südlich von Hermsdorf. Er zeigt ein Element, das noch in einzelne Teile zerlegt werden muss. Die werden dafür verwendet. Es besteht aus hunderten Einzelteil­en,...
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Marcus Eckardt, Mitarbeite­r in der Keramikfer­tigung, beim Pressen von piezokeram­ischen Zylindern, die noch gebrannt werden müssen. Fotos (): Steffen Spitzner
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Keramische Elemente vor dem Brennofen, der einem Gerät in einer Töpferei höchst ähnlich sieht.

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