Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Carl-Zeiss-Stürmer Starke will ein Leben retten
Fußball-Profi Manfred Starke vom FC Carl Zeiss Jena werden in Dessau Stammzellen entnommen. Einem Mann könnte es das Leben retten
Dessau. Nun kommen bei Manfred Starke doch noch Pokalfreuden auf. „Du bist ja auch Pokalsieger“, sagt Vereinssprecher Andreas Trautmann und überreicht dem 27-Jährigen nebst T-Shirt auch noch den Thüringer Landespokal, den der FC Carl Zeiss Jena am Pfingstmontag im Finale gegen Wismut Gera gewann. Der in Namibia geborene Starke hat Probleme, den Pott in die Höhe zu stemmen, die Arme, beide Beugen sind mit Binden umwickelt, tun noch weh. Am Ende schafft er es doch. Wie ein Sieger fühlen, das konnte er sich aber schon vorher.
Nicht eine Verletzung fesselte den Stürmer in den zurückliegenden beiden Tagen ans Bett, sondern der Wunsch, einem Menschen zu helfen. Starke hatte sich bei einer Aktion der Deutschen Stammzellspender Datei (DSD) 2016 in Jena typisieren lassen. Als vor einigen Monaten der Anruf mit der Bitte um eine Hilfe kam, willigte er mit Zustimmung des Vereins sofort ein. „Dass ich das Finale verpasst habe, tat nicht ganz so weh, weil ich etwas Großes vorhatte.“
Gestern nun folgte im Institut für Transfusionsmedizin Dessau die Spende. Fünf Tage zuvor hatte Starke mit der Einnahme eines „Wachstumsfaktors“, wie Mediziner Jörg-Peter Schmidt das verabreichte Medikament nennt, begonnen. „Leichte Kopfschmerzen“und das durch die angeregte Stammzellen-Produktion hervorgerufene Anschwellen der Milz erduldete Manfred Starke. Nach Vorabchecks am Tag des Pokalfinales kam es gestern zur eigentlichen Spende. Fünf Stunden war Starke an ein Gerät angeschlossen, dass ihm das Blut aus dem Körper zog, die Stammzellen separierte, um anschließend das Blut zurück zu pumpen. Das Verfahren ist ein wenig vergleichbar mit einer Dialyse.
Für Menschen, die an Blutkrebs (Leukämie) oder Lymphdrüsenkrebs leiden, ist die Stammzell-Transplantation oft die einzige Hoffnung auf eine vollständige Heilung. Dabei wird vor der Transplantation das gesamte blutbildende System des Patienten zerstört, was mit Hilfe der fremden Stammzellen anschließend wieder aufgebaut wird. Etwa 30 Prozent der Betroffenen finden unter ihren Verwandten geeignete Spender. 70 Prozent sind auf externe Hilfe angewiesen. Deutschlandweit haben sich schon 7,5 Millionen Menschen typisieren lassen, weltweit sind es 32 Millionen. „Deutschland und die USA sind Vorreiter, was das angeht“, erklärt der behandelnde Arzt JörgPeter Schmidt.
Bei der Typisierung schauen die Ärzte auf gewisse Gewebemerkmale, HLA-Typen genannt. Die gibt es mit millionenverschiedenen Kombinationen. Das HLA-System der Erkrankten wird dann mittels der weltweiten Datenbank mit dem der möglichen Spender verglichen. Ist die berühmte Nadel im Heuhaufen dabei, die einhundertprozentige Übereinstimmung, wird der Spender kontaktiert. „Eigentlich sagen immer alle gleich zu, sie wissen ja, worum es geht“, sagt Schmidt über den Erstkontakt – ein Menschenleben.
Das will auch Manfred Starke erhalten. Am Ende der Spende hält er etwa 300 Milliliter seines Stammzellenkonzentrats in der Hand. „So viel darf ich verraten: Ein Mann aus dem europäischem Ausland wird die Spende erhalten“, verrät Schmidt. Binnen 72 Stunden müssen ihm die Stammzellen nun transplantiert werden. Ob der Eingriff dann auch tatsächlich geholfen hat, kann Manfred Starke ungefähr in drei Wochen erfahren.
Er würde auch gern den fremden Menschen kennenlernen, der die identischen Stammzellen wie er hat. „Auf jeden Fall“, sagt der Fußballer. In Deutschland gibt es eine Frist von zwei Jahren, ehe Spender und Patient Kontakt aufnehmen dürfen. „Wer dann den ersten Schritt macht, ist eigentlich egal“, erklärt Jörg-Peter Schmidt. In Dessau gab es im vergangenen Jahr 60 Stammzell-Spender. „In diesem Jahr wird die Zahl noch höher sein“, glaubt Schmidt, der in seinem Büro eine Karte hängen hat, worauf zu sehen ist, woher die Spender des laufenden Jahres stammen. Bemerkenswert ist dabei, dass gleich fünf aus Jena kommen. An den vielen potenziellen Lebensretter von der Saale hat sicherlich auch der FC Carl Zeiss seinen Anteil. Der Club rief 2016 vor einem Spiel für einen an Leukämie erkrankten Jungen zur Typisierung auf. Viele folgten, auch Starke. „Es geht mir hier auch nicht um Aufmerksamkeit für mich, sondern für die Stammzellspende“, sagt der Kicker.
Am Abend setzt er sich ins Auto. „Für mich geht es weiter nach Rostock. Von dort fliege ich nach Marokko in den Urlaub.“Krafttanken, erholen mit Blick auf den am 18. Juni beginnenden Trainingsauftakt beim FC Carl Zeiss. Die Gewissheit, einem Menschen wieder Hoffnung gespendet zu haben, fliegt mit.
Vom Krankenhaus direkt in den Urlaub