Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Der Junge aus Penkun
I W Ulli Wegner kann es manchmal nicht so richtig fassen, wie erfolgreich er wurde. Als Gründe nennt der -Jährige Ehrgeiz, Bauchgefühl und dass er Menschen an seiner Seite hatte, die es gut mit ihm meinten
Ein Leben im Erfolg. Das Bundesverdienstkreuz, die Goldene Henne haben Sie erhalten. Ehrenbürger der Stadt Gera sind Sie, 15 Mal in Folge Trainer des Jahres, Box-Weltmeister haben Sie geformt. Wie schaffen Sie es , mit dem Erfolg umzugehen?
Ja, wie schaffe ich das? Ich denke ja manchmal sehr nach, weil ich auch fair bleiben will. Ich muss ja auch abwägen, was ich sage und wie ich es sage. Als mittelmäßiger Boxer war ich viel selbstsicherer, da habe ich meinen Spaß gewollt und gehabt.
Herr Wegner, entschuldigen Sie bitte, dass ich unterbreche – aber Sie schweifen ab.
Sie haben ja recht. Das ist eine Schwäche von mir. Ich habe aber auch so viel zu erzählen. Da könnte man noch viele Bücher schreiben. Ja, wie gehe ich mit dem Erfolg um? Als ich zwölf war, da war ich ein vernarrter Fußballer, wir haben in Penkun jeden Tag auf dem Marktplatz gespielt. Und jeden Tag habe ich hoch zum Rathaus geblickt und davon geträumt, wenn ich da mal stehen könnte – oben beim Bürgermeister, beim Rat der Stadt, das wäre ein Traum. Heute bin ich Ehrenbürger von Penkun und habe Traumhaftes erlebt und hatte auch immer Menschen an meiner Seite, die mir geholfen haben.
Das war schon in Gera so?
Das war schon in meinen Geraer Jahren so. Günther Malik hat mich von Erfurt nach Gera geholt und hat mir bei vielen Dingen geholfen. Jürgen Knips war immer da, wenn ich ihn brauchte. Er hat mir in der Ausbildung unheimlich viel geholfen. Leicht ist mir das alles nicht gefallen. Herbert König vom DTSB, verantwortlich für den Leistungssport, hat mir viel abgenommen, auch ein Auge zugedrückt. Ich bin Gera und den Geraern dankbar – für immer. Das trifft auch auf Hans Spazierer zu. Ulli Wegner
Die neue Boxhalle in Gera-Lusan trägt nun den Namen Ulli Wegner. Doch es gab eben auch Stimmen, die riefen, die Halle solle doch nach Hans Spazierer benannt werden. Berechtigt. Vollkommen berechtigt. Doch als ich mit den Boxern gesprochen habe, stellte sich auch schnell heraus, Hans Spazierer kennt heute kaum noch einer. Ulli Wegner schon. Ich hätte es gern gesehen und unterstützt – aber die Entscheidung lag nicht bei mir. Hans Spazierer war fürs Boxen in Gera das, was Werner Marschner für den Geraer Radsport war.
Und er war auch Ihr Mentor. Ich habe sehr viel von ihm profitiert. Ich habe ja erst mit 19 mit dem Boxen angefangen, war nicht viel mehr als Mittelmaß. Doch Hans Spazierer hat mich als Mensch, als Persönlichkeit vorwärts gebracht. Ohne ihn hätte ich nicht meine Trainerkarriere starten können. Und als wir uns bei einem Treffer der Wismut-Boxer wiedersahen, da hat er mich zu sich gerufen, meine Hand genommen und gesagt: Ich habe es immer gewusst, dass du es schaffst. Da musste ich mir eine Träne verdrücken.
Mit Markus Beyer haben Sie einen ehemaligen Geraer Wismut-Boxer zum Weltmeister bei den Profis geformt.
Markus war so etwas wie mein Lieblingsschüler, ein wirklich begnadeter Boxer. Sein Durchbruch war im Jahr 1988 in Gdansk, als er Junioren-Europameister wurde – und ich das als verantwortlicher Trainer steuern konnte. Nach den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta ist er mit mir zu den Profis gegangen. Als er gegen Woodhall in dessen Heimatstadt Telford den WM-Titel holte, das war stark. Damit war Markus am Zenit seiner Laufbahn und dies in einer Halle in der die Hölle los war.
Schnell hieß es , der neue Bubi Scholz steht im Ring.
Ja, dass konnte er – die Leberhaken. Sein größter Kampf war der Titelkampf gegen Danny Green in Riesa – auch in großer Fight.
Von Titelkampf zu Titelkampf sind Sie aber dann mit Sven Ottke gezogen.
Sein Meisterstück war der erste WM-Kampf gegen Charles Brewer in Düsseldorf – ein 2:1-Sieg. Aber auch das war keine so einfache Trainer-Sportler-Beziehung.
Das ist es nie. Aber wir haben uns zusammengerauft. Mal ein Beispiel: Sven Ottke hat im EMFinale gegen den Russen Alexander Lebsjak gekämpft und sah schlecht aus. Da habe ich in der Pause gesagt: Wenn du schon nicht gewinnen willst, dann tu‘ es für deinen Trainer – hier in der Ecke, da steht er. Und dann hat er aufgedreht. Nach dem Kampf ist er gefragt worden, was der Trainer ihm denn gesagt hätte.
Und was hat er darauf geantwortet?
Das wisse er nicht, was der Trainer gesagt hat, das geht rechts rein und links wieder raus. Und ich hab ihm zugerufen. Im Mittelgang ist schon was hängen geblieben. Wenn ich in den Ringpausen meine Dinger rausgehauen habe, dann habe ich mich auch immer auf mein Bauchgefühl verlassen. Das hat fast immer geklappt.
Sven Ottke hat Ihnen aber auch den Spitznamen Diktator verpasst. Boxprofessor fände ich passender.
Ja, da hat ihn einer von der Bild gefragt, hat der Trainer Wegner einen Spitznamen? Und da hat Ottke gemeint: Ach, der Diktator. Am nächsten Tag habe ich einen Zettel an den Spind geklebt, worauf zu lesen stand: „Und ich bestimme doch!“
Sven Ottke hat einen starken Abgang hinbekommen ...
... ich hab zu ihm in der Ringecke gesagt: Du sagst mir nicht, wenn du aufhören willst, aber ich sage dir, wenn du aufhören musst. Der Sieg gegen Armand Kranjc im März 2004 war Ottkes letzter Kampf, gleichzeitig seine 22. Titelverteidigung.
Svennie war satt, des Boxens überdrüssig. Er hätte noch viel Geld verdienen können, zum Beispiel bei einem Abschiedskampf im Olympiastadion – aber er wollte nicht.
Die Ära mit Manfred Wolke, Fritz Sdunek und Ulli Wegner, die als Trainer das Profiboxen nach der Wende groß gemacht haben, ist vorbei. Der Boxabend in Hannover am 2. Juni könnte dann ihr letzter in der Ringecke sein. Wird es wirklich so sein?
Ich kann es mir nicht richtig vorstellen. Aber ich werde wohl aufhören – meiner Frau zuliebe. Wir sind 32 Jahre verheiratet, sie hat viel mitgemacht mit mir, sie stand immer hinter mir und meinen Entscheidungen.
Nur wer los lässt, hat die Hände frei für Neues. Können Sie los lassen?
So schnell nicht. Es steckt einfach in mir drin. Wenn ich einen Jungen boxen sehe, dann reizt es mich ganz einfach, etwas aus ihm zu machen. Dieser Reiz wird wohl nie vergehen.
Als ihr Vater in Rente ging, jeden Tag zu Hause war, ging das auch nicht gut.
Meine Mutter, sie war eine Seele von Mensch. Aber als mein Vater dann jeden Tag zu Hause war, da sagte sie eines Tage zu ihm: Karl, geh doch bitte wieder arbeiten.
Wäre das ein Szenario, was Ihnen gefallen würde?
Dazu sage ich ausnahmsweise mal nichts. Andreas Hübner (blau) den Ball vor dem Löhmaer Nico Hebenstreit. Foto: Jürgen Müller
„Was ist ein Traumjob? Der beste Beruf ist der, den man mit dem Herzen liebt und mit dem Verstand ausführt.“
„Niederböhmersdorf wurde seiner Favoritenrolle gerecht. Uns fehlte es in manchen Situationen an dem notwendigen Quäntchen Glück. Mein Glückwunsch geht an das Siegerteam“, so der Löhmaer Trainer Janek Weiß. Ähnlich sah auch der Niederböhmersdorfer Betreuer Danny Grau: „In der ersten Halbzeit entwickelte sich ein Spiel zwischen zwei gleichwertigen Teams, nach dem Seitenwechsel haben wir endlich die sich bietenden Gelegenheiten genutzt.“(Jürgen Müller)