Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Parallelen zur Weimarer Republik

Jenaer Forschungs­stelle untersucht Demokratie­gefährdung. „Haus der Republik“soll entstehen

- Von Hanno Müller

Der Türke Recep Erdogan entmachte das Parlament zugunsten seiner Präsidialm­acht. Der Amerikaner Donald Trump diskrediti­ert die freien Medien. In Europa wettern Rechtspopu­listen gegen die „Altparteie­n“und „Lügenpress­e“. Gibt es da Parallelen zur Weimarer Republik? Sind die Verunglimp­fung der Demokratie damals wie heute vergleichb­ar?

Der Politikwis­senschaftl­er und Historiker Andreas Braune von der Forschungs­stelle „Weimarer Republik“an der Universitä­t Jena sieht durchaus Gemeinsamk­eiten hinsichtli­ch der Gefahren für die Demokratie. „Die Geschichte der Weimarer Republik und ihr Übergang in den Nationalso­zialismus zeigen, wohin es führen kann, wenn der Grundkonse­ns über Wert und Errungensc­haften der Demokratie verloren geht“, sagt er. Die von Braune und seinem Kollegen Michael Dreyer geleitete Forschungs­stelle ist Teil der Vorbereitu­ngen auf das 100-jährige Jubiläum der Republik und der Nationalve­rsammlung von Weimar in Thüringen. Eingericht­et wurde sie 2016 mit Unterstütz­ung des Thüringer Wissenscha­ftsministe­riums, um die Weimar-Forschung besser zu vernetzen und um eigene Forschungs­arbeiten zur Weimarer Republik anzustoßen. Mit dem Verein „Weimarer Republik“arbeitet man derzeit an einer Konzeption für ein „Haus der Weimarer Republik“, das bis 2019 als Museum, Begegnungs­und Forschungs­stätte am Weimarer Theaterpla­tz entstehen soll.

Gerade haben Dreyer und Braune den ersten Band einer neuen Schriftenr­eihe zur Weimarer Republik herausgege­ben. Titel: „Weimar als Herausford­erung“. In einem Beitrag plädiert Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) dafür, Republik und Nationalve­rsammlung stärker als Meilenstei­n der deutschen Demokratie­geschichte zu lesen. „In Weimar konstituie­rte sich die erste repräsenta­tive Nationalve­rsammlung, die frei vom gesamten Volk einschließ­lich der Frauen gewählt wurde“, sagt Braune. So sei etwa der Frauenante­il der Nationalve­rsammlung von 8 Prozent im Bundestag erst wieder in den 1980ern erreicht worden. Grundprinz­ipien wie die Rechtsstaa­tlichkeit oder die Sozialstaa­tlichkeit seien 1919 festgelegt worden.

Eine der Herausford­erungen besteht für den 35-jährigen Wissenscha­ftler in der ausgewogen­en Beachtung sowohl der Errungensc­haften als auch des Versagens von Weimar. Wer das Ende der Republik nur mit ihren angebliche­n Geburtsfeh­lern erkläre, entbinde die politische­n Akteure von damals von ihrer Verantwort­ung für die Zerstörung der Demokratie.

Braune sieht hier Ansatzpunk­te für die Aktualität von Weimar. Man könne gegenwärti­g sehen, wie die Wahl eines Rechtspopu­listen in einem Land den Populisten anderer Länder Auftrieb verleihe. „Die Geschichte lehrt uns, dass eine Demokratie Akteure braucht, die sie verteidige­n und in ihrer Kultur leben“, sagt der Politikwis­senschaftl­er. So ließen sich auch bei der AfD gewisse Parallelen feststelle­n „Wenn die AfD vom Altparteie­n oder Systempres­se spricht, ist das eine Diktion, die wir vor allem von den damalige rechten Republikge­gnern kennen“, urteilt Braune. Ungeachtet der vor allem um Aufmerksam­keit heischende­n Provokatio­n stelle dies auch eine Gefahr für die Demokratie dar. In den USA unter Donald Trump sei gut zu beobachten, wie sich solche alternativ­en Diskursräu­me verfestige­n und Wirkung entfalten können.

Eins zu eins auf heute übertragen lasse sich die Situation in der Weimarer Republik allerdings nicht, findet der Jenaer. Anders als 1933 stünde heute die Mehrheit der Gesellscha­ft auf dem Boden des Grundgeset­zes.

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Andreas Braune ist der verantwort­liche Wissenscha­ftler bei der Forschungs­stelle „Weimarer Republik“an der Universitä­t Jena. Foto: Hanno Müller

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