Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Ehemals jüdisches Eigentum zurückgegeben
Halle. Die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt hat Sammlungsstücke aus ehemals jüdischem Besitz zurückgegeben. Es handelt sich um 17 Objekte aus Silber, die sich seit 1940 in den Sammlungen des Kunstmuseums Moritzburg in Halle befanden. Zu dem Konvolut gehören Gegenstände für den Alltagsgebrauch sowie für rituelle Zwecke. Die Objekte wurden an die Jewish Claims Conference (JCC) restituiert, die Entschädigungsansprüche jüdischer Opfer des Nationalsozialismus vertritt. Die eigentlichen Besitzer hatten sich nicht mehr ermitteln lassen. Über einen Dauerleihvertrag bleibt das restituierte Kunsthandwerk beim Kunstmuseum. (dpa) Saalfeld. Ein Auflagen-König ist Ror Wolf – alias Raoul Tranchirer – niemals geworden, obwohl er sich doch mit des Deutschen liebster Nebensache als einer der Ersten literarisch befasste: mit dem Fußball. Als „Das nächste Spiel ist immer das Schwerste“erschien, hatte er „Punkt ist Punkt“(1971) längst in die gedruckte Tiefe des Raumes serviert, und „Die Schmach von Cordoba“scholl noch durch den Äther. Ror Wolf, SprachArtist, Wort-Musiker, experimenteller Prosaist und Collagist mit Lust am Grotesken, agiert doch viel zu eigensinnig, zu intelligent bis verschroben, um massenkompatibel zu sein. Heute wird der gebürtige Saalfelder 85.
„Córdoba: Juni 13.45 Uhr“heißt die in Fachkreisen legendäre, von Wolf mit bissig-humorig präparierte Rundfunk-Collage, die das Zwischenrundenspiel Deutschland – Österreich (2:3) bei der WM 1978 in Argentinien reflektiert. Der Autor hat für sein 41-minütiges Bubenstück OTöne zusammengeschnitten und lässt die Original-Kommentatoren Armin Haufe (D) und Edi Finger (A) gegeneinander antreten. Dessen „Krankl! I werd‘ narrisch!“erhielt so ein famoses Denkmal.
Wolf wagt solche finten-, hacken-, hattrickreichen Dribblings durchs ritualisierte rhetorische Kurzpass-Gestrüpp der Experten mit atemberaubender Lust und machte den Ballsport seminarfähig bei Germanisten. Und womöglich umgekehrt – ein historisches Foto zeigt ihn Seit an Seit mit Jürgen Grabowski, dem einstigen Eintracht-Regisseur im Frankfurter Waldstadion. In der Mainmetropole bei Goethens hat Wolf offiziell auch studiert, hat für die Studentenzeitung „diskus“1959-61 erste Schreibund den örtlichen Rundfunk 1961-63 erste Sprech-Etüden geliefert.
Bei alledem verleugnet ein Wolf niemals seine Herkunft. Nein, nicht die geografische. Im Thüringischen ist er bloß zufällig aufgewachsen, hat sich nach dem Abi als Bauarbeiter durchgeschlagen und ist 1953 „rübergemacht“. Um sich im Westen weiterhin durchzuschlagen und um endlich frei zu sein: als Schrift-/Fallen-Steller. Immer mit dem Ohr an der Graswurzel und am Hörer, stets mit der Schere im Kopf und Kleber im Geiste am Finger.
Wolf trägt ein Faible fürs Surrealistische, ja, ist unverkennbar dadaistisch beseelt. Nimmt daher, was er findet (found objects!), um‘s zu tranchieren, zu collagieren. Schnipselsortieren macht Wirklichkeit neu. Nicht die verwendeten Dinge des Lebens erweisen sich daran als das den Rezipienten Reizende, sondern die Art ihrer Verarbeitung. Sprich: die Sprache. Wie wir am Bauwerk nicht die Steine, sondern die Kunst des Ror Wolf in seiner Wohnung in Mainz Foto: U. Anspach Baumeisters loben, erwächst der Wortkaskade Gewalt erst aus Mörtel-Musik. Ein Beispiel? Bitte: „das tischtuch fliegt vorbei und eine nacktegarköchin schreit erschreckt an diesem Abendtopf herd brei tisch zischt kracht kocht bebt knackt klappertim augenblick als sie der garkoch packte.“
Zwischenzeitlich im Schweizerischen zuhause, lebt und arbeitet Wolf heute im Rheingau und zwischen den Buchdeckeln, die der tapfere Schöffling-Verlag ihm ab/an auf/zu klappklappt. Geräusch macht das nicht viel, doch ist einer wie er sich und uns selbst genug. Er schreibe, so heißt es, an seiner Biografie und sei „erst mittendrin“.
Bleibt zu hoffen, dass es ihm dabei, was er keine Arbeit mehr nennt, gerade so ergeht wie dem Erzähler in „Pilzer und Pelzer“(1967), seinem auf- und verstörenden zweiten Prosabuch: „Ich bin vollkommen ruhig. Meine einzige Sorge besteht darin, dass jetzt, im letzten Moment, noch ein unvorhergesehener Zwischenfall den Schluss dieser Angelegenheit, das Ende, auf weitere Zeit hinausschieben könnte.“