Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Die Last der Religion
■ Weitere Termine und Anmeldung bei Stephanie Schrader, Tel.
() , und Ulrike Klein, Tel. () oder im Jugendhaus „Club “, Zentastraße a, in Greiz Als Konfirmand sollte ich eine Bibelstelle als meinen Konfirmationsspruch aussuchen. Ich nahm aus Matthäus, Kapitel 11: „Kommet zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid“. Der Pfarrer zeigte ein verwundertes Gesicht. Meine Schulkameraden lachten leise. Was sollte denn das? Wir kannten weder Mühsal noch Last, waren unbekümmert. Mich hatte das Jesuswort angesprochen. Nur erklären konnte ich es nicht. Im Laufe meiner Lebensjahre habe ich gelernt, dass dies oft so ist. Jesu Worte betreffen mich und jede menschliche Situation unmittelbar. Woher kommt diese Kraft, was ist ihre Wahrheit, in welche Tiefen führt Jesu Wort? Was ist das sanfte Joch und die leichte Last, die wir von ihm aufnehmen? Wie funktioniert das? Jesus sagt nirgends, dass die Last der Arbeit leichter wird oder die Drohung von Alter, Krankheit und Tod weggewischt wird. Jesus spricht nirgends von Spaß oder einem lustigen Leben, sondern er spricht von Nachfolge, Leid und Kreuzeslast, sogar ziemlich oft.
Die Antwort, die ich für mich gefunden habe, ist die Befreiung von der Last des Religiösen, den Konventionen, den Vorgaben. Sie sind der große Versuch, menschliche Unruhe und Angst zu besiegen; Vergeistigung und Vollendung zu erlangen. Darum müht sich der religiöse Mensch, plagt sich ab und quält sein Denken. Er meint, wenn er die religiösen Vorgaben erfüllt, wird er von der menschlichen Unruhe und Verzweiflung geheilt sein. So bin ich erzogen worden. Viele meiner Schulkameraden auch und die meisten von ihnen haben dieses Joch abgeworfen. Sie glaubten stattdessen an politische Visionen oder verschrieben sich den Wissenschaften wie einem religiösen Dogma oder folgten utopischen Erwartungen als Weg zum Besseren der Welt. Ich habe gelernt, die Last der Religion ist leicht, ja sanft. Unabhängig von meinem Suchen und Mühen leuchtet plötzlich und unerwartet die Wahrheit des Lebens ein, ich bin nicht klüger als andere geworden, aber lebe ruhiger und glücklicher, weil Jesus die Last der Religion trägt.
Mein Pfarrer damals hat mir einen anderen Konfirmationsspruch mitgegeben. Aber am Portal der Greizer Stadtkirche kann ich das selbstgewählte Jesuswort lesen. Am Sonntag Palmarum, dem Konfirmationssonntag meiner Kindheit, feiern und erinnern wir in einigen Gottesdiensten das Gedenken an die Konfirmation vor 50 Jahren.