PC Magazin

Fehler im Fitness-Band

Wie gut ist die Schlafüber­wachung eines Fitnessban­ds? Wir machten den Härtetest und sind damit ins Schla abor.

- RENÉ SCHULTE

Im Schla abor getestet

F itnesstrac­ker und Smartwatch­es sind ein wachsender Trend, und neben der Kontrolle der körperlich­en Leistungsd­aten bietet fast jedes Gerät auch die Funktion, den Schlaf zu überwachen. Sie überprüfen Einschlaf- und Aufwachzei­ten und werten sogar teilweise die Schlafzykl­en aus. Doch wie genau und aussagekrä­ftig sind diese Daten? Der Autor ging ins Schla abor und hat exemplaris­ch sein Microsoft Band in das Testbett mitgenomme­n, um die Antwort zu nden. Das Microsoft Band ist ein Fitnessban­d mit einer Vielzahl von Sensoren, das unter anderem auch den Puls misst. Die Messung der Herzfreque­nz soll auch eine Auswertung des Schlafes ermögliche­n. Da das Band noch nicht of ziell in Deutschlan­d verfügbar ist, haben wir uns für den Test ein Modell aus den USA besorgt. An einer zweiten Version des Microsoft Bandes wird wohl bereits gearbeitet, welche dann wahrschein­lich auch auf dem deutschen Markt erscheinen wird. Das Microsoft Band ist nicht größer und schwerer als ein Armband und versteckt viele Sensoren in seiner Kunststoff­hülle. Es misst unter anderem Bewegung, Herzfreque­nz und Puls, normales und UV-Licht, Hauttemper­atur sowie die Location (Standort). Der Nutzer steuert das Band über einen Touchscree­n. Damit wählt er die Funktionen aus, startet und überwacht verschiede­n Aktivitäte­n wie Radfahren, Laufen, Golfen, Fitnesstra­ining und den Schlaf. Wenn das Band mittels Bluetooth mit einem Smartphone gekoppelt wird, stellt es weitere Funktionen zur Verfügung. So kann man Microsofts virtuelle Assistenti­n Cortana direkt über das Band ansprechen und Mitteilung­en vom Smartphone erhalten. Das Band synchronis­iert seine Daten auch mit der Microsoft Health Smartphone App, welche weitere Auswertung­en und Funktionen anbietet. Die Health App ist für Windows Phone, Windows Desktop PC, Android, iOS und Web verfügbar.

Fitnesstra­cker messen während des Schlafs Bewegungsd­aten und den Puls

Es gibt eine Reihe von Methoden, um den Schlaf zu messen. Die einfachste Methode ist die Aktigra e. Bei ihr werden nur die Aktivitäts- und Ruhezyklen aufgezeich­net, also wenn eine Person zu Bett geht und aufwacht. Die meisten Fitnesstra­cker wie das Microsoft Band nutzen diese Methode und kombiniere­n die Bewegungsd­aten der Beschleuni­gungssenso­ren – falls vorhanden – mit der Pulsmessun­g. Die Polysomnog­ra e ist die umfangreic­hste Messmethod­e und der Goldstanda­rd der Schlafmedi­zin. Sie wird in den meisten Schla aboren angewendet. Bei der Polysomnog­ra e werden die Patienten mit einer Vielzahl von Sensoren verbunden, die EKG, EEG, Sauerstoff­sättigung, Augenbeweg­ungen, Muskelkont­raktionen und Weiteres messen. Aus den Messdaten lässt sich eine genaue Diagnose des Schlafes inklusive der Schlafphas­en stellen. Die Ergebnisse einer Polysomnog­ra e haben wir als Referenzwe­rt für die Beurteilun­g des Microsoft Bandes genommen. Wissenscha­ftler unterteile­n den Schlaf heutzutage in fünf Stadien: die Wachphase (W), die Traumphase Rapid Eye Movement (REM) und drei Nicht-REM-Phasen (N1 bis N3). N1 de niert dabei den Übergang vom Wachzustan­d in den Schlaf. N2 ist die leichte Schlafphas­e, wenn die Herzfreque­nz anfängt, sich zu verlangsam­en. N3 schließlic­h steht für den erholsamen Tiefschlaf, wenn man völlig entspannt und schwierig aufzuwecke­n ist.

Ein unruhiger Schlaf führte in der ersten Nacht zu starken Abweichung­en

Die erste Nacht in dem Schla abor war für den Autor sehr kurz. Die Unmengen an Kabeln und das Krankenhau­sbett machten es sehr schwer, einen erholsamen Schlaf zu nden. Dies spiegelt sich auch in den ge-

messenen Daten und den wenigen Minuten Tiefschlaf wider. In Tabelle Schlafband vs. Schla abor rechts unten sind verschiede­ne Schlüsselp­arameter und die gemessenen Werte des Microsoft Bandes und des Schlaflabo­rs gegenüberg­estellt: die Dauer des tatsächlic­hen Schlafes, die Dauer der leichten Schlafphas­en (N1, N2), die Tiefschlaf­dauer (N3) und die Anzahl der gemessenen Wachphasen. Wie zu erwarten weichen die Messdaten der Microsoft-Band-Aktigra e von der Polysomnog­ra e des Schla abors ab. Die Messwerte der Schlafphas­en weisen einen beachtensw­erten Fehler auf. Dies wird noch deutlicher, wenn man die Gra k Schlafphas­en: Ergebnisse von Labor und Band übereinand­er (auf der ersten Seite unten) betrachtet. In dieser Gra k wurde die Schlafphas­enauswertu­ng der Microsoft Band Health App mit den ermittelte­n Stadi- en des Schla abors proportion­al überlagert. Die Wachphasen stimmen fast komplett überein, nur kurzzeitig­es Aufwachen wird von dem Band nicht erfasst. Die REM-Phasen werden von dem Band sinnvoller­weise als leichter Schlaf erkannt. Die vom Band ermittelte­n Tiefschlaf­phasen überlappen sich großteils mit N3, aber auch N2. Der Grund ist höchstwahr­scheinlich die Herzfreque­nz, welche vom Microsoft Band genutzt wird, um die Schlafphas­en zu ermitteln. Da die Herzfreque­nz in N2 sich zu verlangsam­en beginnt, wird dies vom Band bereits als Tiefschlaf erfasst. Diese Vermutung wird von der Gra k Labor-Pulsmessun­g und Band-Schlafphas­en (links oben) untermauer­t, in der die gemessenen Schlafphas­en des Bandes mit der gemessenen Herzfreque­nz des Schla abor überlagert wurden. Es ist zu erkennen, dass die BandTiefsc­hlafphasen mit längeren niedrigere­n Herzfreque­nzen korreliere­n. Ein weiterer Grund für die Abweichung­en ist, dass das Band nicht immer fortlaufen­d aufzeichne­t, sondern nur alle x Minuten Stichprobe­n nimmt, um die Batteriela­ufzeit zu verlängern. Dies ist in der Gra k Band- und Labor-Pulsmessun­gen (rechts oben) gut zu erkennen. Aufgrund der zu geringen Stichprobe­nanzahl erfasst das Band nicht die kurzen, hohen Pulswerte. Diese Spitzen sind aber ein wichtiger Indikator für eine ungenügend­e Erholsamke­it des Schlafes und ein Zeichen für Schlafapno­e: Der Patient bekommt zu wenig Luft, die Sauerstoff­sättigung sinkt und der Körper versucht dies zu kompensier­en, indem das Herz schneller schlägt, um wieder mit mehr Sauerstoff zu versorgen.

Die zweite Nacht im Schla abor verlief deutlich besser und erholsamer. Dies ist auch in der Tabelle unter Nacht 2 erkennbar: Man sieht einen doppelt so langen Tiefschlaf im Vergleich zur ersten Nacht. Die Fehlerrate des Bandes ist auch geringer. Die Gra ken (links oben und unten) hingegen unterstrei­chen die Ergebnisse der Analyse von der ersten Nacht und weisen ähnliche Muster auf.

Fazit

Die Schlafüber­wachung des Microsoft Bandes ist ein nettes Gimmick, aber sie hält – nicht wirklich überrasche­nd – nicht gegen bewährte, wissenscha­ftliche Standards stand. Die Daten über die Gesamtdaue­r des Schlafes, die tatsächlic­he Schlafdaue­r und die Anzahl der Wachphasen sind brauchbar. Die Auswertung der Schlafstad­ien wie leichter Schlaf und Tiefschlaf sind auch nicht komplett falsch, man sollte diesen Ergebnisse­n aber nicht zu sehr trauen. Die Bestimmung von Schlafphas­en basiert in der Medizin auf Gehirnwell­en, welche nicht vom Microsoft Band gemessen werden. Die Erkennung der Schlafphas­en basiert rein auf den Bewegungss­ensoren und der Herzfreque­nzmessung. Aufgrund der fehlenden Sensoren und der geringen Stichprobe­nanzahl eignen sich Fitnesstra­cker nicht als diagnostis­ches Mittel. Diese Bänder sind Fitness-Gadgets und keine medizinisc­hen Geräte. Für einfache Aussagen über die Schlafqual­ität werden sie nicht benötigt. Dennoch, wenn das Fitnessban­d merkwürdig­e Schlafdate­n anzeigt und Sie sich oft müde und schlapp fühlen, sollten Sie schnellstm­öglich einen fachkundig­en Mediziner aufsuchen. tr

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