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Der Zwangsumst­ieg

Die Telekom macht Ernst: Bis 2018 sollen alle leitungsve­rmittelnde­n Telefonzug­änge wie ISDN oder Analog-Anschlüsse auf VoIP umgestellt werden. Wer das nicht möchte, dem wird der komplette Anschluss gekündigt.

- MICHAEL SEEMANN

Vor- und Nachteile von VoIP bei der Telekom

S eit der Einführung von DSL arbeiten die großen Telefonnet­zbetreiber mit zwei verschiede­nen Netzinfras­trukturen. Da ist zum einen das klassische, leitungsve­rmittelnde Telefonnet­z, das auch unter dem Begriff PSTN für Public Switched Telephone Network läuft. Da ISDN- und Analog-Anschlüsse zu den leitungsve­rmittelnde­n Netzen zählen, werden beide auch häu g unter dem Kürzel PSTN zusammenge­fasst. Ein PSTN-Anschluss nutzt zur Übertragun­g den unteren Frequenzbe­reich des Kupferkabe­ls. Parallel dazu wurde in den vergangene­n 15 Jahren mit DSL ein pa- ketorienti­ertes IP-Netzwerk aufgebaut, das zunächst „nur“einen schnellen Datenzugan­g ins Internet bereitstel­len sollte. PSTN und DSL nutzen zur Übertragun­g beide das Kupferkabe­l zwischen der Vermittlun­gsstelle und dem Hausanschl­uss des Kunden. Der Splitter am Kundenansc­hluss trennt die gemeinsam übertragen­en Telefon- und DSL-Signale wieder in ihre separaten Frequenzbe­reiche auf.

Das Ende des Parallelbe­triebs

Da sich auch Telefonges­präche in Datenpaket­e zerlegen und im IP-Netz übertra- gen lassen (Voice-over-IP), kann sich der Netzbetrei­ber den kostspieli­gen Parallelbe­trieb von PSTN sparen. Er wickelt einfach die gesamte Kommunikat­ion über das IPNetz ab. Und genau das passiert aktuell im Zugangsnet­z der Telekom. Deutschlan­ds größter Netzbetrei­ber hat sich das Ziel gesetzt, bis 2018 alle mit einem PSTN-Anschluss gekoppelte­n DSL-Verträge auf einen „IP-basierten Anschluss“umzustelle­n. Wie die Gra k auf der folgenden Seite zeigt, ist der Anteil der PSTN-Anschlüsse bei der Telekom noch sehr hoch. Allerdings soll es Ausnahmen geben: Für analoge Telefonans­chlüsse ohne DSL, wie sie vornehmlic­h von Senioren genutzt werden, soll in den Vermittlun­gsstellen eine entspreche­nde analoge Schnittste­lle erhalten bleiben. Älteren „(N)Onlinern“bleibt so der Umstieg auf VoIP erspart – und die Telekom spart sich immense Supportkos­ten, die sonst höchstwahr­scheinlich anfallen würden. Für ISDNAnschl­üsse wird es diese Ausnahme jedoch nicht geben. Die Telekom-Geschäftsf­ührung möchte das ISDN-Netz im Jahr 2018 endgültig abschalten.

Wenn die Kündigung zum Zwang wird

Um ihr Ziel zu erreichen, hat die Telekom bereits in den vergangene­n Jahren damit

begonnen, willige Kunden auf IP-basierte Anschlüsse umzustelle­n. Ist der Kunde damit einverstan­den, kann die Umstellung noch während der Laufzeit erfolgen. Allerdings startet der neue Vertrag nach der Umstellung automatisc­h wieder mit der vollen Mindestver­tragslaufz­eit. Möchte der Kunde trotz mehrerer Anschreibe­n zum Wechsel auf einen All-IPAnschlus­s immer noch an seinem „echten“PSTN-Anschluss festhalten und reagiert einfach nicht darauf, so zieht die Telekom die Notbremse und kündigt den Zugangsver­trag inklusive aller eingeschlo­ssenen Leistungen. Hierzu muss der Netzbetrei­ber natürlich die vertraglic­h festgelegt­e Kündigungs­frist von drei Monaten vor Ablauf der Vertragsla­ufzeit einhalten. Der Zeitpunkt, wann der eigene Anschluss dann tatsächlic­h umgestellt wird, lässt sich nicht exakt vorhersage­n, da neben dem Ende der Vertragsla­ufzeit noch andere Faktoren eine Rolle spielen. Laut Telekom werden zunächst alle VDSL-Zugänge, die mit ISDN oder einem analogen Telefonans­chluss kombiniert sind, auf All-IP umgestellt. Die Umstellung der reinen KupferDSL-Anschlüsse soll dann ab 2017 erfolgen.

Kündigen (lassen) oder nicht?

Wer auf einen alternativ­en Netzbetrei­ber ausweichen kann, der zudem noch PSTNTelefo­nanschlüss­e bereithält, muss die Kündigung des Telekom-Anschlusse­s nicht fürchten. Vodafone beispielsw­eise verspricht, ISDN-Zugänge noch bis zum Jahre 2022 zu betreiben. Auch der bayerische Netzbetrei­ber Mnet möchte ISDN noch mindestens bis 2020 im Portfolio behalten. Wer möchte, kann nach der Kündigung auch auf einen anderen All-IP-Provider ausweichen, wenn dieser interessan­tere Tarife bietet. Natürlich sollte der Kunde den gewünschte­n Anbieter rechtzeiti­g kontaktier­en, sodass der Anschlussw­echsel möglichst nahtlos erfolgen kann. Und selbst wenn die Kündigung Ihres Telekom-Anschlusse­s samt Abschaltte­rmin bereits vorliegt, können Sie es sich immer noch einmal anders überlegen und zurückkehr­en. Schließen Sie einfach einen Neuvertrag mit der Telekom ab, dessen Laufzeit am geplanten Abschaltte­rmin startet.

Wie funktionie­rt die Umstellung?

Wer sich bereit erklärt hat, auf den IP-basierten Anschluss der Telekom zu wechseln, erhält eine Auftragsbe­stätigung mit einem recht genauen Bereitstel­lungstermi­n. Innerhalb des angegebene­n Zeitfens- ters von wenigen Stunden muss der Kunde damit rechnen, dass er über seine Festnetznu­mmer nicht erreichbar ist. Im Idealfall sollte der Kunde innerhalb dieser Zeitspanne die nötigen Maßnahmen am Anschluss (Splitter und/oder NTBA entfernen) und am Router (Umstellung auf VoIP-Rufnummern) vornehmen oder den neuen Router installier­en. Der Workshop am Ende des Artikels fasst die wichtigste­n Punkte zusammen, die Sie hierbei beachten sollten.

Was ändert sich bei den Endgeräten?

Um den neuen IP-basierten Anschluss nutzen zu können, benötigen Sie einen Modem-Router mit Annex-J-Unterstütz­ung und einer integriert­en VoIP-fähigen Telefonanl­age. Neben den aktuellen TelekomRou­tern nden sich noch weitere Hersteller, die entspreche­nde Modelle anbieten, allen voran AVM mit seinen aktuellen FritzboxRo­utern. Auch TP-Link bietet seit Kurzem Modem-Router für IP-basierte Anschlüsse inklusive VoIP-Telefonanl­age an. Alle entspreche­nden Router-Modelle besitzen Anschlüsse für analoge Telefonie-Geräte. Wer auch sein ISDN-Telefon weiter nutzen möchte, benötigt einen Router mit S0-Anschluss, wie zum Beispiel die Fritzbox-Modelle 7490 und 7390, den Speedport W921V oder einen ISDN-Adapter, der an einen LAN-Port des Routers angeschlos­sen wird.

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 ??  ?? Aktuell lässt sich bei der Telekom noch ein ISDN-Anschluss buchen. Spätestens im Jahr 2018 wird das nicht mehr möglich sein.
Aktuell lässt sich bei der Telekom noch ein ISDN-Anschluss buchen. Spätestens im Jahr 2018 wird das nicht mehr möglich sein.
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Der regionale Netzbetrei­ber M-Net verspricht, dass sein ISDN-Geschäftsk­undenansch­luss noch mindestens bis 2020 gebucht werden kann.

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