Der Zwangsumstieg
Die Telekom macht Ernst: Bis 2018 sollen alle leitungsvermittelnden Telefonzugänge wie ISDN oder Analog-Anschlüsse auf VoIP umgestellt werden. Wer das nicht möchte, dem wird der komplette Anschluss gekündigt.
Vor- und Nachteile von VoIP bei der Telekom
S eit der Einführung von DSL arbeiten die großen Telefonnetzbetreiber mit zwei verschiedenen Netzinfrastrukturen. Da ist zum einen das klassische, leitungsvermittelnde Telefonnetz, das auch unter dem Begriff PSTN für Public Switched Telephone Network läuft. Da ISDN- und Analog-Anschlüsse zu den leitungsvermittelnden Netzen zählen, werden beide auch häu g unter dem Kürzel PSTN zusammengefasst. Ein PSTN-Anschluss nutzt zur Übertragung den unteren Frequenzbereich des Kupferkabels. Parallel dazu wurde in den vergangenen 15 Jahren mit DSL ein pa- ketorientiertes IP-Netzwerk aufgebaut, das zunächst „nur“einen schnellen Datenzugang ins Internet bereitstellen sollte. PSTN und DSL nutzen zur Übertragung beide das Kupferkabel zwischen der Vermittlungsstelle und dem Hausanschluss des Kunden. Der Splitter am Kundenanschluss trennt die gemeinsam übertragenen Telefon- und DSL-Signale wieder in ihre separaten Frequenzbereiche auf.
Das Ende des Parallelbetriebs
Da sich auch Telefongespräche in Datenpakete zerlegen und im IP-Netz übertra- gen lassen (Voice-over-IP), kann sich der Netzbetreiber den kostspieligen Parallelbetrieb von PSTN sparen. Er wickelt einfach die gesamte Kommunikation über das IPNetz ab. Und genau das passiert aktuell im Zugangsnetz der Telekom. Deutschlands größter Netzbetreiber hat sich das Ziel gesetzt, bis 2018 alle mit einem PSTN-Anschluss gekoppelten DSL-Verträge auf einen „IP-basierten Anschluss“umzustellen. Wie die Gra k auf der folgenden Seite zeigt, ist der Anteil der PSTN-Anschlüsse bei der Telekom noch sehr hoch. Allerdings soll es Ausnahmen geben: Für analoge Telefonanschlüsse ohne DSL, wie sie vornehmlich von Senioren genutzt werden, soll in den Vermittlungsstellen eine entsprechende analoge Schnittstelle erhalten bleiben. Älteren „(N)Onlinern“bleibt so der Umstieg auf VoIP erspart – und die Telekom spart sich immense Supportkosten, die sonst höchstwahrscheinlich anfallen würden. Für ISDNAnschlüsse wird es diese Ausnahme jedoch nicht geben. Die Telekom-Geschäftsführung möchte das ISDN-Netz im Jahr 2018 endgültig abschalten.
Wenn die Kündigung zum Zwang wird
Um ihr Ziel zu erreichen, hat die Telekom bereits in den vergangenen Jahren damit
begonnen, willige Kunden auf IP-basierte Anschlüsse umzustellen. Ist der Kunde damit einverstanden, kann die Umstellung noch während der Laufzeit erfolgen. Allerdings startet der neue Vertrag nach der Umstellung automatisch wieder mit der vollen Mindestvertragslaufzeit. Möchte der Kunde trotz mehrerer Anschreiben zum Wechsel auf einen All-IPAnschluss immer noch an seinem „echten“PSTN-Anschluss festhalten und reagiert einfach nicht darauf, so zieht die Telekom die Notbremse und kündigt den Zugangsvertrag inklusive aller eingeschlossenen Leistungen. Hierzu muss der Netzbetreiber natürlich die vertraglich festgelegte Kündigungsfrist von drei Monaten vor Ablauf der Vertragslaufzeit einhalten. Der Zeitpunkt, wann der eigene Anschluss dann tatsächlich umgestellt wird, lässt sich nicht exakt vorhersagen, da neben dem Ende der Vertragslaufzeit noch andere Faktoren eine Rolle spielen. Laut Telekom werden zunächst alle VDSL-Zugänge, die mit ISDN oder einem analogen Telefonanschluss kombiniert sind, auf All-IP umgestellt. Die Umstellung der reinen KupferDSL-Anschlüsse soll dann ab 2017 erfolgen.
Kündigen (lassen) oder nicht?
Wer auf einen alternativen Netzbetreiber ausweichen kann, der zudem noch PSTNTelefonanschlüsse bereithält, muss die Kündigung des Telekom-Anschlusses nicht fürchten. Vodafone beispielsweise verspricht, ISDN-Zugänge noch bis zum Jahre 2022 zu betreiben. Auch der bayerische Netzbetreiber Mnet möchte ISDN noch mindestens bis 2020 im Portfolio behalten. Wer möchte, kann nach der Kündigung auch auf einen anderen All-IP-Provider ausweichen, wenn dieser interessantere Tarife bietet. Natürlich sollte der Kunde den gewünschten Anbieter rechtzeitig kontaktieren, sodass der Anschlusswechsel möglichst nahtlos erfolgen kann. Und selbst wenn die Kündigung Ihres Telekom-Anschlusses samt Abschalttermin bereits vorliegt, können Sie es sich immer noch einmal anders überlegen und zurückkehren. Schließen Sie einfach einen Neuvertrag mit der Telekom ab, dessen Laufzeit am geplanten Abschalttermin startet.
Wie funktioniert die Umstellung?
Wer sich bereit erklärt hat, auf den IP-basierten Anschluss der Telekom zu wechseln, erhält eine Auftragsbestätigung mit einem recht genauen Bereitstellungstermin. Innerhalb des angegebenen Zeitfens- ters von wenigen Stunden muss der Kunde damit rechnen, dass er über seine Festnetznummer nicht erreichbar ist. Im Idealfall sollte der Kunde innerhalb dieser Zeitspanne die nötigen Maßnahmen am Anschluss (Splitter und/oder NTBA entfernen) und am Router (Umstellung auf VoIP-Rufnummern) vornehmen oder den neuen Router installieren. Der Workshop am Ende des Artikels fasst die wichtigsten Punkte zusammen, die Sie hierbei beachten sollten.
Was ändert sich bei den Endgeräten?
Um den neuen IP-basierten Anschluss nutzen zu können, benötigen Sie einen Modem-Router mit Annex-J-Unterstützung und einer integrierten VoIP-fähigen Telefonanlage. Neben den aktuellen TelekomRoutern nden sich noch weitere Hersteller, die entsprechende Modelle anbieten, allen voran AVM mit seinen aktuellen FritzboxRoutern. Auch TP-Link bietet seit Kurzem Modem-Router für IP-basierte Anschlüsse inklusive VoIP-Telefonanlage an. Alle entsprechenden Router-Modelle besitzen Anschlüsse für analoge Telefonie-Geräte. Wer auch sein ISDN-Telefon weiter nutzen möchte, benötigt einen Router mit S0-Anschluss, wie zum Beispiel die Fritzbox-Modelle 7490 und 7390, den Speedport W921V oder einen ISDN-Adapter, der an einen LAN-Port des Routers angeschlossen wird.