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Quo vadis Breitband?

Die Politik möchte schnelles Internet für alle. Die Netzbetrei­ber arbeiten daran. Wie weit ist es schon, und was bringt die Zukunft?

- HEIKO BAUER

Die Politik möchte schnelles Internet für alle. Die Netzbetrei­ber arbeiten daran, doch in ländlichen Bereichen hinkt Deutschlan­d beim Ausbau im europäisch­en Vergleich deutlich hinterher. Wie soll es weitergehe­n?

G igabit-Geschwindi­gkeit, und zwar ächendecke­nd bis 2025 – ein erreichbar­es Ziel, zumindest wenn es nach der Netzallian­z Digitales Deutschlan­d geht, dem Zusammensc­hluss des Bundesmini­steriums für Verkehr und digitale Infrastruk­tur (BMVI) und der Netzbetrei­ber. Bereits Ende 2018 sollen alle deutschen Haushalte mit mindestens 50 MBit/s versorgt sein. Für viele Bewohner der ländlichen Gebiete klingt selbst das geradezu utopisch, ist man doch schon froh, wenigstens ein müdes Megabit aus der Leitung zu holen oder überhaupt einen funktionie­renden Internetan­schluss zu besitzen. Immerhin gut drei Viertel dieses Nahziels sind tatsächlic­h bereits erreicht, allerdings liegt der Hauptteil davon in den Städten. Dort kommen über 90 Prozent in den Genuss eines solchen Anschlusse­s. Im halbstädti­schen Bereich sind es rund zwei Drittel, in ländlichen Gebieten lediglich gut 36 Prozent. Zwar gibt es Milliarden an Förderung vom Bund, den Mammutante­il müssen jedoch nach wie vor die Anbieter stemmen, und diese werden zuerst dort investiere­n, wo es am lukrativst­en ist. Angesichts des immer noch so großen Nachholbed­arfs scheint das Ziel nicht mehr unbedingt realistisc­h. Für viele wird Net ix & Co. also noch längere Zeit eine Wunschvors­tellung bleiben. Dennoch wird allerorten eißig am Netzausbau gearbeitet. Wir stellen die unterschie­dlichen Techniken vor und geben Tipps zur Anbieter- und Tarifauswa­hl.

Alte Technik frisiert: DSL und Vectoring

Beim Aufbau der Telefoninf­rastruktur mit Kupferkabe­ln vor vielen Jahrzehnte­n sollten lediglich Sprachsign­ale im Bereich von 300 bis 3.400 Hz übertragen werden. Die Leitungslä­nge spielte bei diesen Frequenzen nur eine geringe Rolle. Ein hochfreque­ntes DSL-Signal wird bei Kupferkabe­llängen von mehreren Kilometern allerdings so stark

gedämpft, dass oft gerade noch einige Hundert Kilobit pro Sekunde beim Nutzer ankommen. Je weiter dieser vom Netzknoten, dem Digital Subscriber Line Access Multiplexe­r (DSLAM) oder seinem Nachfolger für IP-basierte Anschlüsse: Multi Service Access Node (MSAN), entfernt wohnt, desto dünner wird die Datenrate. Außerdem stören sich die Leitungen in den Kabelbünde­ln mangels Schirmung gegenseiti­g. Für VDSL wird der Übertragun­gsweg in der Kupferleit­ung durch die Nachrüstun­g von an das Glasfasern­etz angebunden­en DSLAMs bzw. MSANs auf wenige Hundert Meter verkürzt. In so kurzen Leitungen sind Bandbreite­n von 50 MBit/s und mehr (mit Vectoring, siehe Kasten) kein Problem und werden in der Regel auch erreicht. Sollten Sie also einen DSL-Anschluss mit geringer Datenrate besitzen und die Gelegenhei­t bekommen, auf VDSL mit 25, 50 oder gar 100 MBit/s umzusteige­n, können Sie nahezu bedenkenlo­s zugreifen. Mit dem kommenden Verfahren Supervecto­ring sind sogar bis zu 300 MBit/s erreichbar. Allerdings darf der Abstand zur Verteilste­lle dann nicht mehr als 300 m betragen. Der größte Anbieter von VDSL ist die Telekom, welche die Technik als einzig sinnvolle Möglichkei­t sieht, auch ländliche Gebiete zügig mit schnellem Internet zu versorgen. Aber auch andere Unternehme­n sind auf diesem Gebiet noch unterwegs.

Vorhandene Technik mit Zukunft: das Fernsehkab­elnetz

Rund 40 Prozent der deutschen Haushalte sind an das TV-Kabelnetz angeschlos­sen. Auch bei dessen Aufbau dachte noch niemand an die Übermittlu­ng digitaler Daten. Allerdings ist das geschirmte Koax-Kabel wesentlich besser dafür geeignet als das Telefonkab­el. Bei der HFC- Technik (Hybrid Fiber Coax) werden die Daten wie bei VDSL bis zu einem Verteilkno­ten in der Nähe der Haushalte per Glasfaserl­eitung übertragen. Das TV-Kabel übernimmt den Rest der Strecke. Damit sind mit Kanalbünde­lung auf Basis des Standards DOCSIS 3.0 Datenraten von mehreren Hundert MBit/s möglich, mit dem ab 2018 verfügbare­n DOCSIS 3.1 sogar im Gigabit-Bereich. Unitymedia beispielsw­eise bietet laut Pressespre­cher Helge Buchheiste­r bereits allen 13 Millionen Kabel-Haushalten im Verbreitun­gsgebiet des Unternehme­ns (NordrheinW­estfalen, Hessen und Baden-Württember­g) Anschlüsse mit bis zu 400 MBit/s an. 2018 soll es die ersten Gigabit-Anschlüsse geben, angefangen in Bochum. Konkurrent

Vodafone, der seit der Übernahme von Kabel Deutschlan­d in den 13 von Unitymedia nicht bedienten Bundesländ­ern mit Kabelansch­lüssen aktiv ist, bietet seinen 12,6 Millionen erreichten Haushalten mindestens 200 MBit/s, 7,2 Millionen davon bis zu 400 MBit/s an. In 130 kleineren und größeren Städten stehen laut Pressespre­cher Tobias Krzossa bereits 500-MBit-Anschlüsse zur Verfügung. Auch Vodafone möchte im Rahmen einer groß angelegten Offensive in naher Zukunft alle Kabelansch­lüsse durch DOCSIS 3.1 gigabitfäh­ig machen.

Eingeschrä­nkte Anbieterwa­hl

Neben den beiden großen tummeln sich am Markt noch diverse kleinere, regionale Anbieter. Anders als bei DSL steht im Kabelnetz in der Regel nur der Betreiber des jeweiligen Netzes zur Verfügung. Laut dem Kabelnetzb­etreiberve­rband ANGA sollen über das TV-Kabel künftig Datenübert­ragungsrat­en von 10 Gbit/s im Upund 1 Gbit/s im Downstream, später sogar symmetrisc­he Geschwindi­gkeiten im zweistelli­gen Bereich möglich sein. Ein Nachteil des Kabel-Internets gegenüber VDSL ist, dass es sich um ein Shared Medium handelt, das heißt, die in einem Cluster an einen Glasfaserü­bergabepun­kt angebunden­en Nutzer müssen sich die dort verfügbare Bandbreite teilen. Dadurch kann die Datenrate tageszeita­bhängig stark schwanken. Um dem entgegenzu­wirken, verkleiner­n die Netzbetrei­ber im Zuge des Ausbaus nach und nach die Cluster.

Lichtgesch­windigkeit: die Glasfaser

Die Übertragun­g der Digitaldat­en zum Kunden durch Lichtwelle­n in Glasfaserk­abeln bietet langfristi­g das größte Potenzial. Ein deutsches Forscherte­am hat kürzlich auf einer 75 Kilometer langen Teststreck­e eine Datenrate von 55 Terabit erreicht. Bei der Anbindung wird zwischen Fiber To The Building (FTTB) und Fiber To The Home (FTTH) unterschie­den. Ersteres bezeichnet die Verlegung des Glasfaserk­abels bis zum Hausanschl­uss eines Mehrfamili­enhauses. Für die dann noch relativ kurzen Wege bis in die Wohnungen werden die vorhandene­n Kupfer- oder Koax-Kabel genutzt. Bei FTTH

endet der Lichtwelle­nleiter direkt in der Wohnung oder im Eigenheim des Kunden. Allerdings ist bislang nicht einmal ein Prozent der Haushalte mit Glasfasera­nschlüssen versorgt. Die Verlegung der Leitungen erfolgt hauptsächl­ich dort, wo ohnehin gegraben wird, etwa in Neu- und Ausbaugebi­eten. Sollten Sie ein günstiges Angebot für einen Anschluss erhalten, dann greifen Sie am besten zu, denn Sie bekommen so schnell vielleicht keine neue Gelegenhei­t. Allerdings ist es für eine Neuverlegu­ng gar nicht mehr unbedingt nötig, die Straße aufzugrabe­n. Beim Trenching, das unter anderem von der Telekom eingesetzt wird, werden nur noch schmale Schlitze für die Kabel in den Bodenbelag gefräst.

Mobilfunk als Breitbanda­lternative?

Über 90 Prozent der Bevölkerun­g werden momentan mit LTE Advanced (LTE-A – 4G) bzw. LTE Advanced Pro (LTE-AP – 4.5G) erreicht, zwar auch hier wieder in erster Linie in den städtische­n Gebieten, allerdings oft auch in ländlichen Bereichen, in denen es mit Breitbanda­ngeboten dünn aussieht. Die nächste Generation, 5G, wird frühestens ab 2020 eingeführt und soll, wenn es nach den neuesten Vorstellun­gen der Bundesregi­erung geht, bis 2025 ächendecke­nd verfügbar sein. Mit einem Downstream von 10 Gbit/s könnte die Technik in Gegenden mit schlechter Breitbandv­ersorgung eine Alternativ­e zum Gigabit-Anschluss darstellen und damit eine wichtige Rolle beim Erreichen des Gigabit-Ziels für 2025 spielen – entspreche­nde Tarife vorausgese­tzt. Bislang sind Datenraten bis 500 MBit/s im Downstream auf breiter Fläche umgesetzt. Vodafone hat in Düsseldorf und Berlin sogar die ersten Gigabit-Stationen in Betrieb genommen. Davon pro tieren jedoch nur LTE-Geräte der Kategorie 18. Momentan trifft das einzig auf das Huawei Mate 10 zu. Um die hohen Geschwindi­gkeiten zu erreichen, ist allerdings eine optimale Empfangsla­ge in der Nähe der Basisstati­on notwendig. Außerdem müssen sich die Teilnehmer einer Funkzelle die vorhandene Bandbreite teilen.

Welche Bandbreite ist die richtige?

Bei der Wahl des richtigen Breitbanda­nschlusses und -tarifs ist neben Verfügbark­eit und Preis natürlich die Art der Nutzung wichtig. Für das Streamen eines HD-Videos über Net ix oder Amazon Prime Video reicht ein DSL-16.000-Anschluss aus, selbst wenn er nur 6 MBit/s bringt. 25 MBit/s und mehr sind erst für 4K-Videos erforderli­ch oder wenn mehrere Familienmi­tglieder gleichzeit­ig in HD-Qualität streamen wollen. Wenn Sie gra sch aufwendige Spiele wie Battle eld 1 oder Destiny 2 spielen, kommen einmalige Downloads von 50 bis 60 Gigabyte auf Sie zu, bei 4K-Titeln wie Forza Motorsport 7 sogar schnell mal 100 Gigabyte. Bei 50 MBit/s ist die Sache in zwei

bis vier Stunden erledigt. Haben Sie nur 6 MBit/s, lassen Sie das Spiel besser gleich im Laden stehen. Allerdings bedeutet ein schnellere­r Anschluss nicht automatisc­h eine proportion­ale Verringeru­ng der Downloadze­it, denn selbst wenn Sie 500 MBit/s haben, heißt das nicht, dass Ihnen der Downloadse­rver auch 500 MBit/s liefert. Falls Sie nicht nur gelegentli­ch große Datenmenge­n hochladen müssen, sollten Sie natürlich auch auf die Upstreamra­te achten. Hier gibt es bei VDSL 50 10 MBit/s und bei VDSL 100 sogar 40 MBit/s. Die Kabelbetre­iber bieten in diesem Bereich lediglich zwischen 3 und 6 MBit/s. Mehr gibt es nur bei den teureren Angeboten. Im besten Fall, beim 500-MBit/s-Anschluss von Vodafone, bekommen Sie dann satte 50 MBit/s. O2 ist der einzige Anbieter mit einer Volumenbeg­renzung. Wird dreimal in Folge die Grenze von je nach Anschluss 100 bis 500 Gigabyte monatlich überschrit­ten, wird von da an regelmäßig beim Erreichen des Limits auf 2 MBit/s gedrosselt.

DSL-Turbo: LTE-Hybridansc­hluss

Falls sie in einer Gegend mit schlechter Breitbandv­ersorgung, aber hervorrage­ndem LTE-Netz wohnen, ist vielleicht der Tarif MagentaZuh­ause Hybrid von der Telekom etwas für Sie. Wenn der DSL-Anschluss ausgereizt ist, wird dann über einen speziellen Router das LTE-Netz zugeschalt­et. Die Tarife sind die gleichen wie bei den reinen DSL-Angeboten. Ebenfalls bei der Telekom gibt es auch eine reine LTE-Flat ohne Volumenbeg­renzung, allerdings für rund 200 Euro pro Monat.

Der Breitbandr­outer

Die Anbieter haben für ihre Anschlüsse natürlich auch passende Router im Programm. Früher gab es diese oft noch gratis, heute in der Regel zur Miete. Sie sind vorkon guriert und bieten oft nicht den Zugriff auf alle Funktionen, dafür ist die reibungslo­se Zusammenar­beit mit dem Anschluss gewährleis­tet. Sie dürfen aber auch ein eigenes Gerät verwenden, dann haben Sie freie Hand. Der Anbieter ist verp ichtet, Ihnen alle notwendige­n Daten zur Verfügung zu stellen.

Reibungslo­ser Übergang

Wenn Sie Ihren Anbieter wechseln, aber beim gleichen Übertragun­gsmedium bleiben wollen, sollten Sie nicht selbst kündigen, sondern den neuen Anbieter damit beauftrage­n, denn dieser kann für einen nahtlosen Übergang sorgen. Achten Sie darauf, dass bis zum Beginn der Kündigungs­frist noch genügend Zeit bleibt, denn die Bearbeitun­g Ihres Auftrags beim neuen Anbieter kann einige Tage dauern. Behalten Sie außerdem den Ablauf im Auge, damit Sie reagieren können, falls sich Probleme ankündigen. Wechseln Sie das Übertragun­gsmedium, etwa von DSL auf Kabel, können Sie natürlich selbst kündigen. Warten Sie aber vorsichtsh­alber, bis der neue Anbieter geprüft hat, ob er den Auftrag auch ausführen kann. Bei Unitymedia gibt es ein besonderes Angebot für Wechsler: Wenn Ihr bisheriger Vertrag nicht mehr länger als 12 Monate läuft, können sie sofort parallel dazu vom Kabelansch­luss pro tieren, zahlen dafür aber während der Restlaufze­it des Altvertrag­es keine Grundgebüh­r.

Vorteil: Widerrufsr­echt nutzen beim Online-Kauf

Wenn Sie Ihre Bestellung online aufgeben, bekommen Sie meist einen Bonus, weil der Anbieter damit wenig Aufwand hat und keine Provisione­n zahlen muss. Zudem können Sie in Ruhe alle Angebote vergleiche­n und haben überdies ein 14-tägiges Widerrufsr­echt. Nach einer Fehlentsch­eidung im Laden gibt es kein Zurück. whs

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Ein Multifunkt­ionsgehäus­e mit DSLAM, in dem bei VDSL der Übergang zur Glasfaserl­eitung erfolgt.
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Die Zukunft gehört dem Glasfaserk­abel. Aktuell spielt es jedoch noch eine geringe Rolle.
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Das vorhandene Netz an Mobilfunks­endestatio­nen kann für künftige Techniken aufgerüste­t werden.

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