Smart Home verstehen
In einem Smart Home lässt sich nahezu alles per Handy regeln – Licht, Heizung, Rollläden und Musik. Oft steuern sich die Komponenten sogar selbst. Lesen Sie, wie Sie Ihr Smart Home am geschicktesten einrichten.
So gelingt der Einstieg in das vernetzte Heim
W er heute sein Zuhause in ein Smart Home verwandeln will, dem sind kaum Grenzen gesetzt. Heizung, Rollos, Beleuchtung, Sicherheitssystem, Waschmaschine, Fernseher und Musik-Anlage – alles lässt sich steuern. Selbst ein intelligentes, privates Stromnetz mit Photovoltaik-Anlage, Stromspeicher und Ladestation für das Elektro-Auto lässt sich einbinden. Um die Integration all dieser Komponenten kümmern sich im Smart Home Sensoren und Aktoren. Sensoren ermitteln Werte und stellen sie dem Smart Home bereit. Sensor- werte können die Zimmertemperatur von einem Wandthermostat sein, eine erkannte Bewegung von einem Bewegungsmelder oder bei einem Taster, ob er gedrückt wurde. Aktoren führen Befehle aus. Ein Zwischenstecker in der Steckdose schließt und trennt den Stromkreis, ein Heizkörperthermostat ändert über einen Stellantrieb die Temperatur vom Heizkörper, und eine Sirene schlägt Alarm. Im Gegensatz zu einer traditionellen Elektroverkabelung sind im Smart Home Sensor und Aktor in der Regel voneinander getrennt. Und darin liegt ein großer Vorteil vom Smart Home. Denn so kann ein Sensor nicht nur eine Aktion bei einem einzigen Aktor auslösen. Bei einer traditionellen Elektroinstallation geht über einen Schalter nur das Licht im Raum an. In einem Smart Home kann ein Schalter an der Wand das Licht einschalten, die Rollläden nach unten fahren und bewirken, dass die Lieblingsplaylist auf dem Musik-System startet. Ein Fensterkontakt kann als Sensor gleichzeitig einen Alarm bei einer Sirene auslösen und den Heizkörper in den Sparmodus schicken,
wenn ein Fenster geöffnet wurde. Was ein Tastendruck oder ein offenes Fenster auslösen soll, lässt sich jederzeit ändern. Das macht ein Smart Home ungemein exibel. Die Unterscheidung zwischen Aktoren und Sensoren spart auch Geld. Denn es genügt ein Fensterkontakt für das Sicherheitssystem und die Heizungssteuerung.
Nachrüsten ohne neue Kabel
Wer ein Smart Home in einem bestehenden Haus nachrüstet, entscheidet sich häu g für eine Funk-Lösung. Man will ja keine Wände aufschlagen und neue Kabel verlegen, die die Sensorinformationen und Steuerbefehle übertragen. Neue Stromkabel sind auch nicht gewünscht, weshalb häu g Batterien zum Einsatz kommen. Bei einem Neubau oder einer Kernsanierung sieht es anders aus. Hier kann man Kabel zu allen gewünschten Stellen legen und auf Batterien verzichten. Belohnt wird man mit einer stabilen Informationsübertragung, bei der Störungen fast ausgeschlossen sind. Dennoch kann auch bei einem Neubau die Entscheidung für ein Funksystem fallen, denn sie sind in aller Regel günstiger als kabelgebundene Systeme. Nach Untersuchungen vom Institut für Gebäudetechnologie (IGT) liegen die Kosten für eine klassische Elektroverkabelung bei ca. 50 bis 100 Euro pro Quadratmeter, bei einem Smart Home auf Basis des Funkstandards EnOcean bei 100 bis 150 Euro pro Quadratmeter inklusive der Elektroverkabelung. Bei einem kabelgebundenen Smart Home (z.B. auf Basis von KNX) muss man laut IGT mit Kosten von 200 bis 300 Euro pro Quadratmeter rechnen. Egal ob Kabel- oder Funkvernetzung, bei beiden Varianten hat man die Möglichkeit, zwischen offenen und proprietären Übertragungsprotokollen zu entscheiden. Für ein proprietäres Protokoll eines Herstellers spricht, dass Sie sichergehen können, dass alle Komponenten problemlos miteinander harmonieren und Sie alle Funktionen nutzen können. Dafür sind Sie größtenteils auf einen Hersteller beschränkt und auf dessen Produktpalette. Proprietäre Protokolle nutzen beispielsweise innogy SmartHome, eQ-3 Homematic (IP) und Loxone.
Unabhängig von einem Hersteller
Anders ist es bei offenen Standards: Hier lassen sich in der Regel Produkte verschiedener Hersteller in einem Smart-HomeSystem kombinieren. Dafür ist nicht immer gewährleistet, dass alle Produkte problemlos miteinander funktionieren. Im Funk-Bereich sind Standards wie Z-Wave, Zigbee, EnOcean, Bluetooth und DECT ULE beliebt, im Kabel-Bereich ist es vor allem der Standard KNX. WLAN zur Übertragung von Informationen zwischen Aktoren und Sensoren wird relativ selten verwendet – vor allem wenn die Komponenten mit Batterien arbeiten. WLAN-Chips brauchen relativ viel Strom, weshalb die Batterien nicht lange durchhalten würden. Bei Funkprotokollen wie Z-Wave oder Homematic IP überdauern die Batterien häu g ein bis zwei Jahre. Viele der Smart-Home-Protokolle funken im Frequenzbereich um 868 MHz. Diese relativ geringe Sendefrequenz erlaubt größe-
re Reichweiten, als sie etwa mit WLAN oder Bluetooth möglich sind. Dennoch kann es in größeren Häusern zu Empfangsproblemen kommen. In diesem Fall helfen Funk-Repeater weiter, die für viele Smart-Home-Systeme existieren. Standards wie Z-Wave oder Zigbee bauen sogar ein vermaschtes Netz auf, in dem die mit dem Stromnetz verbundenen Komponenten (z.B. Schaltsteckdosen) die Signale weiterleiten und verstärken. Um sich vor Hackerangriffen zu schützen, werden bei neueren Funk-Smart-HomeSystemen die Daten so gut wie immer verschlüsselt übertragen. Zusätzlich zu Sen- soren und Aktoren gibt es in den meisten Smart Homes eine Zentrale, die sich mit den Komponenten verbindet, oft auch Hub, Gateway, Bridge oder Access Point genannt. Universal-Zentralen wie Homee, Qivicon Home Base (Telekom Magenta SmartHome) oder WiButler Pro verstehen dabei gleich mehrere Funk-Protokolle. Das erhöht die Produktauswahl enorm. Die Zentrale stellt auch die Verbindung zum Internet-Router per WLAN oder NetzwerkKabel her. So wird das Zuhause per App oder Web-Browser auf Smartphones, Tablets und Computern von zu Hause und unterwegs steuerbar. Wer sein Smart Home nicht mit dem Internet verbinden will, sollte sich im Vorhinein informieren, ob das überhaupt möglich ist. Denn bei manchen Smart Homes sind nur alle Funktionen verfügbar, wenn eine Verbindung zum Internet besteht. Eine Ausnahme ist Devolo Home Control: Hier steht es dem Nutzer frei, ob sich das System mit dem Internet verbinden soll, um es auch von unterwegs zu steuern oder eben nicht.
Extra Komfort über Automationen
Was der Nutzer über einen Fingertipp auf das Smartphone auslöst, kann er selbst bestimmen. Die einfachste Möglichkeit ist, ein einzelnes Gerät zu steuern: etwa eine Schaltsteckdose, eine LED-Lampe wie Philips Hue oder ein Heizkörperthermostat. Um mehrere Geräte gleichzeitig zu steuern, lassen sich häu g Szenen anlegen. Eine Szene für abends kann zum Beispiel bewirken, dass alle Rollos nach unten fahren und das Licht im Wohnzimmer angeht. Eine andere Szene bietet sich für die Zeit an, in der niemand zu Hause ist. Sie schaltet zum Beispiel alle Lichter und Geräte aus und schickt die Heizung in den Sparmodus. Wer dafür nicht jedes Mal sein Smartphone zücken will, kann Szenen auch über Wandtaster oder eine Fernbedienung auslösen. Be-
sonders komfortabel wird das Smart Home, wenn Vorgänge selbständig ablaufen. Damit sich zum Beispiel die Szenen Abends und Abwesend selbständig aktivieren. So könnten Sie beispielsweise festlegen, dass Abends zu einem festen Zeitpunkt startet. Oder das Smart Home reagiert exibel: Die Szene Abends wird aktiviert, wenn ein Helligkeitssensor bemerkt, dass es dunkel wird oder das Smart Home diese Information aus dem Internet erhält. Für das automatische Aktivieren der Szene Abwesend ist es praktisch, wenn das System die Standort-Informationen der Mobilgeräte der Bewohner auswertet. Be ndet sich kein Smartphone in der Wohnung, wird sie auf Abwesend geschaltet.
Einfacher Einstieg für Laien
Einige Smart-Home-Systeme wie Telekom Magenta SmartHome oder innogy SmartHome bieten zum Erstellen solcher Automationen Vorlagen an. Hier besteht Ihre Hauptaufgabe nur darin, zu bestimmen, welche Geräte Sie verwenden wollen. Loxone integriert in seinen Miniserver sogar einen Auto-Kon gurator. Dabei werden eingebundene Komponenten so miteinander verknüpft, wie es in den meisten Fällen sinnvoll ist. Eine freie Verknüpfung von Ak- toren und Sensoren ermöglichen bei vielen Systemen Wenn-dann-Regeln. Also wenn ein bestimmter Auslöser (Sensor) eintritt, dann soll eine Aktion (Aktor) ausgelöst werden. Wenn beispielsweise ein Bewegungsmelder eine Bewegung erkennt, dann soll sich das Licht einschalten. Dabei lassen sich mehrere Auslöser über oder sowie und verknüpfen. In unserem Beispiel mit dem Bewegungsmelder: Wenn eine Bewegung erkannt wird oder ein Türkontakt ein Öffnen registriert, soll sich das Licht einschalten. Und wird verwendet, wenn eine bestimmte Bedingung erfüllt sein muss. Also, wenn eine Bewegung erkannt wird und ein bestimmter Helligkeitswert unterschritten wird, soll sich das Licht einschalten. Ausgelöste Aktionen lassen sich wiederum über und verknüpfen: Wenn eine Bewegung erkannt wurde, dann sollen sich das Licht und die Musik einschalten.
Vernetzte Geräte integrieren
Bislang haben wir hauptsächlich über klassische Sensoren und Aktoren gesprochen. In der Tat lässt sich über einen Schaltaktor (z.B. Schaltsteckdose) die Stromzufuhr zu einer Musik-Anlage unterbrechen und herstellen, damit sie sich aus- und einschaltet. Die Musik wird jedoch bei vielen Musikanlagen nicht zu spielen beginnen. So wie häu g eine Waschmaschine nicht mit dem Waschgang beginnen wird, wenn ihr eine Schaltsteckdose Strom gibt. Es ist meist noch ein zusätzlicher Tastendruck am Gerät oder auf der Fernbedienung nötig. Damit die Musik zu spielen beginnt und der Waschgang startet, bedarf es also mehr Intelligenz in den Geräten. Das bringt das Internet der Dinge, in dem die Geräte selbst vernetzt sind. Hier be nden sich die Aktoren und Sensoren in den Geräten selbst. Musikanlage, Wasch- oder Kaffeemaschine werden nicht mehr von einer Schaltsteckdose ein- und ausgeschaltet, sondern sind selbst dazu in der Lage. Die Verbindung zwischen Smart-Home-
System und Musik-Anlage, Wasch- oder Kaffeemaschine erfolgt häu g lokal über das Heimnetzwerk oder über das Internet – also über die Netzwerk-Buchse oder WLAN. Verbreitete Standards, die festlegen, wie die Geräte miteinander kommunizieren, gibt es bislang aber so gut wie nicht.
Offene Schnittstellen für mehr Freiheit
Es müssen sich also die Smart-Home-Anbieter selbst darum kümmern, die Geräte in ihre Smart-Home-Systeme zu integrieren. Voraussetzung ist, dass es eine offene Schnittstelle gibt, die sie nutzen können. Weitverbreitet ist die Integration vom Lichtsystem Philips Hue. Hue unterstützen beispielsweise Telekom Magenta SmartHome, innogy SmartHome und Devolo Home Control. Hier ist das Verbinden der Hue-Lampen so einfach wie mit den herstellereigenen Komponenten. Relativ weitverbreitet ist auch die Integration der Netatmo Wetterstation und des Multiroom-Musik-Systems Sonos. Bei vielen anderen Geräten ist die Integration schwieriger. Wer über Programmierkenntnisse verfügt, kann mit SmartHome-Zentralen wie Fibaro Home Center 2 oder eQ-3 HomeMatic CCU2 eigene Skripte erstellen, um Geräte einzubinden. Einen anderen Ansatz verfolgt Apple mit seinem System HomeKit. Hersteller, die ihre Geräte in HomeKit integrieren möchten, müssen sich selbst darum kümmern. Apple bestimmt, wie und welche Informationen ein Sensor bereitstellen und welche Befehle ein Aktor verstehen muss. Dadurch ist gewährleistet, dass sich HomeKit-zerti zierte Geräte verständigen können, selbst wenn sie von verschiedenen Herstellern stammen. Das sind etwa die Lampen von Philips Hue oder Heizungssteuerungen von Tado und Netatmo. Sie alle lassen sich über HomeKit-kompatible Apps wie die Home- App von Apple auf iPhone und iPad bedienen. Auch abseits von Smart-HomeSystemen gibt es Dienste und Apps, die verschiedene Hersteller miteinander verbinden. Der wohl bekannteste Vertreter ist IFTTT (If This Then That). Ein Grund besteht darin, dass die Auswahl an kompatiblen Produkten besonders groß ist. Dazu zählen beispielsweise Philips Hue, Produkte von Nest, Wasch-, Spül- und Kaffemaschine von Bosch und Siemens oder die Sprachassistenten von Amazon und Google. Per App oder Web-Browser können Sie mit IFTTT Wenn-dann-Regeln über Herstellergrenzen hinweg erstellen, zum Beispiel: Wenn die Netatmo Wetterstation schlechte Luftqualität feststellt, sollen die Lampen von Philips Hue rot leuchten.
Eine App für alles
Zum Verbinden von Produkten verschiedener Hersteller bieten sich ebenfalls Apps wie iHaus, Yonomi, Gideon Smart Home oder Muzzley an. Die Produktauswahl der Apps ist nicht so groß wie bei IFTTT, dafür lassen sich über die Apps die einzelnen Geräte einfach per Fingertipp steuern. Wer also ins Smart Home starten will, sollte sich zunächst überlegen, was er überhaupt steuern will. Sollen Produkte verschiedener Hersteller kombiniert werden, ist es wichtig, zu überprüfen, ob sie sich überhaupt miteinander verbinden lassen und welcher Aufwand dafür nötig ist. Dem entgeht man, wenn man einen Systemintegrator beauftragt, der das Smart Home installiert und sich darum kümmert, dass alle Produkte reibungslos miteinander funktionieren. Wer Komponenten in Schaltern, Steckdosen und Schaltschrank einbauen will, sollte ohnehin die Installation in die Hände eines Pro s legen. Denn Arbeiten an 230 Volt sind für den Laien verboten und gehören in die Hände eines Elektrikers. Für ein paar Hundert Euro wie beim Selbstinstallieren kann man so nicht ins Smart Home starten. Hier beginnt man eher im vierstelligen Bereich. Dafür bekommt man ein wirklich funktionierendes Smart Home, wofür Ihnen Ihre Familie sicherlich sehr dankbar ist. ok