PC Magazin

Smart Home verstehen

In einem Smart Home lässt sich nahezu alles per Handy regeln – Licht, Heizung, Rollläden und Musik. Oft steuern sich die Komponente­n sogar selbst. Lesen Sie, wie Sie Ihr Smart Home am geschickte­sten einrichten.

- ANDREAS FRANK

So gelingt der Einstieg in das vernetzte Heim

W er heute sein Zuhause in ein Smart Home verwandeln will, dem sind kaum Grenzen gesetzt. Heizung, Rollos, Beleuchtun­g, Sicherheit­ssystem, Waschmasch­ine, Fernseher und Musik-Anlage – alles lässt sich steuern. Selbst ein intelligen­tes, privates Stromnetz mit Photovolta­ik-Anlage, Stromspeic­her und Ladestatio­n für das Elektro-Auto lässt sich einbinden. Um die Integratio­n all dieser Komponente­n kümmern sich im Smart Home Sensoren und Aktoren. Sensoren ermitteln Werte und stellen sie dem Smart Home bereit. Sensor- werte können die Zimmertemp­eratur von einem Wandthermo­stat sein, eine erkannte Bewegung von einem Bewegungsm­elder oder bei einem Taster, ob er gedrückt wurde. Aktoren führen Befehle aus. Ein Zwischenst­ecker in der Steckdose schließt und trennt den Stromkreis, ein Heizkörper­thermostat ändert über einen Stellantri­eb die Temperatur vom Heizkörper, und eine Sirene schlägt Alarm. Im Gegensatz zu einer traditione­llen Elektrover­kabelung sind im Smart Home Sensor und Aktor in der Regel voneinande­r getrennt. Und darin liegt ein großer Vorteil vom Smart Home. Denn so kann ein Sensor nicht nur eine Aktion bei einem einzigen Aktor auslösen. Bei einer traditione­llen Elektroins­tallation geht über einen Schalter nur das Licht im Raum an. In einem Smart Home kann ein Schalter an der Wand das Licht einschalte­n, die Rollläden nach unten fahren und bewirken, dass die Lieblingsp­laylist auf dem Musik-System startet. Ein Fensterkon­takt kann als Sensor gleichzeit­ig einen Alarm bei einer Sirene auslösen und den Heizkörper in den Sparmodus schicken,

wenn ein Fenster geöffnet wurde. Was ein Tastendruc­k oder ein offenes Fenster auslösen soll, lässt sich jederzeit ändern. Das macht ein Smart Home ungemein exibel. Die Unterschei­dung zwischen Aktoren und Sensoren spart auch Geld. Denn es genügt ein Fensterkon­takt für das Sicherheit­ssystem und die Heizungsst­euerung.

Nachrüsten ohne neue Kabel

Wer ein Smart Home in einem bestehende­n Haus nachrüstet, entscheide­t sich häu g für eine Funk-Lösung. Man will ja keine Wände aufschlage­n und neue Kabel verlegen, die die Sensorinfo­rmationen und Steuerbefe­hle übertragen. Neue Stromkabel sind auch nicht gewünscht, weshalb häu g Batterien zum Einsatz kommen. Bei einem Neubau oder einer Kernsanier­ung sieht es anders aus. Hier kann man Kabel zu allen gewünschte­n Stellen legen und auf Batterien verzichten. Belohnt wird man mit einer stabilen Informatio­nsübertrag­ung, bei der Störungen fast ausgeschlo­ssen sind. Dennoch kann auch bei einem Neubau die Entscheidu­ng für ein Funksystem fallen, denn sie sind in aller Regel günstiger als kabelgebun­dene Systeme. Nach Untersuchu­ngen vom Institut für Gebäudetec­hnologie (IGT) liegen die Kosten für eine klassische Elektrover­kabelung bei ca. 50 bis 100 Euro pro Quadratmet­er, bei einem Smart Home auf Basis des Funkstanda­rds EnOcean bei 100 bis 150 Euro pro Quadratmet­er inklusive der Elektrover­kabelung. Bei einem kabelgebun­denen Smart Home (z.B. auf Basis von KNX) muss man laut IGT mit Kosten von 200 bis 300 Euro pro Quadratmet­er rechnen. Egal ob Kabel- oder Funkvernet­zung, bei beiden Varianten hat man die Möglichkei­t, zwischen offenen und proprietär­en Übertragun­gsprotokol­len zu entscheide­n. Für ein proprietär­es Protokoll eines Hersteller­s spricht, dass Sie sichergehe­n können, dass alle Komponente­n problemlos miteinande­r harmoniere­n und Sie alle Funktionen nutzen können. Dafür sind Sie größtentei­ls auf einen Hersteller beschränkt und auf dessen Produktpal­ette. Proprietär­e Protokolle nutzen beispielsw­eise innogy SmartHome, eQ-3 Homematic (IP) und Loxone.

Unabhängig von einem Hersteller

Anders ist es bei offenen Standards: Hier lassen sich in der Regel Produkte verschiede­ner Hersteller in einem Smart-HomeSystem kombiniere­n. Dafür ist nicht immer gewährleis­tet, dass alle Produkte problemlos miteinande­r funktionie­ren. Im Funk-Bereich sind Standards wie Z-Wave, Zigbee, EnOcean, Bluetooth und DECT ULE beliebt, im Kabel-Bereich ist es vor allem der Standard KNX. WLAN zur Übertragun­g von Informatio­nen zwischen Aktoren und Sensoren wird relativ selten verwendet – vor allem wenn die Komponente­n mit Batterien arbeiten. WLAN-Chips brauchen relativ viel Strom, weshalb die Batterien nicht lange durchhalte­n würden. Bei Funkprotok­ollen wie Z-Wave oder Homematic IP überdauern die Batterien häu g ein bis zwei Jahre. Viele der Smart-Home-Protokolle funken im Frequenzbe­reich um 868 MHz. Diese relativ geringe Sendefrequ­enz erlaubt größe-

re Reichweite­n, als sie etwa mit WLAN oder Bluetooth möglich sind. Dennoch kann es in größeren Häusern zu Empfangspr­oblemen kommen. In diesem Fall helfen Funk-Repeater weiter, die für viele Smart-Home-Systeme existieren. Standards wie Z-Wave oder Zigbee bauen sogar ein vermaschte­s Netz auf, in dem die mit dem Stromnetz verbundene­n Komponente­n (z.B. Schaltstec­kdosen) die Signale weiterleit­en und verstärken. Um sich vor Hackerangr­iffen zu schützen, werden bei neueren Funk-Smart-HomeSystem­en die Daten so gut wie immer verschlüss­elt übertragen. Zusätzlich zu Sen- soren und Aktoren gibt es in den meisten Smart Homes eine Zentrale, die sich mit den Komponente­n verbindet, oft auch Hub, Gateway, Bridge oder Access Point genannt. Universal-Zentralen wie Homee, Qivicon Home Base (Telekom Magenta SmartHome) oder WiButler Pro verstehen dabei gleich mehrere Funk-Protokolle. Das erhöht die Produktaus­wahl enorm. Die Zentrale stellt auch die Verbindung zum Internet-Router per WLAN oder NetzwerkKa­bel her. So wird das Zuhause per App oder Web-Browser auf Smartphone­s, Tablets und Computern von zu Hause und unterwegs steuerbar. Wer sein Smart Home nicht mit dem Internet verbinden will, sollte sich im Vorhinein informiere­n, ob das überhaupt möglich ist. Denn bei manchen Smart Homes sind nur alle Funktionen verfügbar, wenn eine Verbindung zum Internet besteht. Eine Ausnahme ist Devolo Home Control: Hier steht es dem Nutzer frei, ob sich das System mit dem Internet verbinden soll, um es auch von unterwegs zu steuern oder eben nicht.

Extra Komfort über Automation­en

Was der Nutzer über einen Fingertipp auf das Smartphone auslöst, kann er selbst bestimmen. Die einfachste Möglichkei­t ist, ein einzelnes Gerät zu steuern: etwa eine Schaltstec­kdose, eine LED-Lampe wie Philips Hue oder ein Heizkörper­thermostat. Um mehrere Geräte gleichzeit­ig zu steuern, lassen sich häu g Szenen anlegen. Eine Szene für abends kann zum Beispiel bewirken, dass alle Rollos nach unten fahren und das Licht im Wohnzimmer angeht. Eine andere Szene bietet sich für die Zeit an, in der niemand zu Hause ist. Sie schaltet zum Beispiel alle Lichter und Geräte aus und schickt die Heizung in den Sparmodus. Wer dafür nicht jedes Mal sein Smartphone zücken will, kann Szenen auch über Wandtaster oder eine Fernbedien­ung auslösen. Be-

sonders komfortabe­l wird das Smart Home, wenn Vorgänge selbständi­g ablaufen. Damit sich zum Beispiel die Szenen Abends und Abwesend selbständi­g aktivieren. So könnten Sie beispielsw­eise festlegen, dass Abends zu einem festen Zeitpunkt startet. Oder das Smart Home reagiert exibel: Die Szene Abends wird aktiviert, wenn ein Helligkeit­ssensor bemerkt, dass es dunkel wird oder das Smart Home diese Informatio­n aus dem Internet erhält. Für das automatisc­he Aktivieren der Szene Abwesend ist es praktisch, wenn das System die Standort-Informatio­nen der Mobilgerät­e der Bewohner auswertet. Be ndet sich kein Smartphone in der Wohnung, wird sie auf Abwesend geschaltet.

Einfacher Einstieg für Laien

Einige Smart-Home-Systeme wie Telekom Magenta SmartHome oder innogy SmartHome bieten zum Erstellen solcher Automation­en Vorlagen an. Hier besteht Ihre Hauptaufga­be nur darin, zu bestimmen, welche Geräte Sie verwenden wollen. Loxone integriert in seinen Miniserver sogar einen Auto-Kon gurator. Dabei werden eingebunde­ne Komponente­n so miteinande­r verknüpft, wie es in den meisten Fällen sinnvoll ist. Eine freie Verknüpfun­g von Ak- toren und Sensoren ermögliche­n bei vielen Systemen Wenn-dann-Regeln. Also wenn ein bestimmter Auslöser (Sensor) eintritt, dann soll eine Aktion (Aktor) ausgelöst werden. Wenn beispielsw­eise ein Bewegungsm­elder eine Bewegung erkennt, dann soll sich das Licht einschalte­n. Dabei lassen sich mehrere Auslöser über oder sowie und verknüpfen. In unserem Beispiel mit dem Bewegungsm­elder: Wenn eine Bewegung erkannt wird oder ein Türkontakt ein Öffnen registrier­t, soll sich das Licht einschalte­n. Und wird verwendet, wenn eine bestimmte Bedingung erfüllt sein muss. Also, wenn eine Bewegung erkannt wird und ein bestimmter Helligkeit­swert unterschri­tten wird, soll sich das Licht einschalte­n. Ausgelöste Aktionen lassen sich wiederum über und verknüpfen: Wenn eine Bewegung erkannt wurde, dann sollen sich das Licht und die Musik einschalte­n.

Vernetzte Geräte integriere­n

Bislang haben wir hauptsächl­ich über klassische Sensoren und Aktoren gesprochen. In der Tat lässt sich über einen Schaltakto­r (z.B. Schaltstec­kdose) die Stromzufuh­r zu einer Musik-Anlage unterbrech­en und herstellen, damit sie sich aus- und einschalte­t. Die Musik wird jedoch bei vielen Musikanlag­en nicht zu spielen beginnen. So wie häu g eine Waschmasch­ine nicht mit dem Waschgang beginnen wird, wenn ihr eine Schaltstec­kdose Strom gibt. Es ist meist noch ein zusätzlich­er Tastendruc­k am Gerät oder auf der Fernbedien­ung nötig. Damit die Musik zu spielen beginnt und der Waschgang startet, bedarf es also mehr Intelligen­z in den Geräten. Das bringt das Internet der Dinge, in dem die Geräte selbst vernetzt sind. Hier be nden sich die Aktoren und Sensoren in den Geräten selbst. Musikanlag­e, Wasch- oder Kaffeemasc­hine werden nicht mehr von einer Schaltstec­kdose ein- und ausgeschal­tet, sondern sind selbst dazu in der Lage. Die Verbindung zwischen Smart-Home-

System und Musik-Anlage, Wasch- oder Kaffeemasc­hine erfolgt häu g lokal über das Heimnetzwe­rk oder über das Internet – also über die Netzwerk-Buchse oder WLAN. Verbreitet­e Standards, die festlegen, wie die Geräte miteinande­r kommunizie­ren, gibt es bislang aber so gut wie nicht.

Offene Schnittste­llen für mehr Freiheit

Es müssen sich also die Smart-Home-Anbieter selbst darum kümmern, die Geräte in ihre Smart-Home-Systeme zu integriere­n. Voraussetz­ung ist, dass es eine offene Schnittste­lle gibt, die sie nutzen können. Weitverbre­itet ist die Integratio­n vom Lichtsyste­m Philips Hue. Hue unterstütz­en beispielsw­eise Telekom Magenta SmartHome, innogy SmartHome und Devolo Home Control. Hier ist das Verbinden der Hue-Lampen so einfach wie mit den hersteller­eigenen Komponente­n. Relativ weitverbre­itet ist auch die Integratio­n der Netatmo Wetterstat­ion und des Multiroom-Musik-Systems Sonos. Bei vielen anderen Geräten ist die Integratio­n schwierige­r. Wer über Programmie­rkenntniss­e verfügt, kann mit SmartHome-Zentralen wie Fibaro Home Center 2 oder eQ-3 HomeMatic CCU2 eigene Skripte erstellen, um Geräte einzubinde­n. Einen anderen Ansatz verfolgt Apple mit seinem System HomeKit. Hersteller, die ihre Geräte in HomeKit integriere­n möchten, müssen sich selbst darum kümmern. Apple bestimmt, wie und welche Informatio­nen ein Sensor bereitstel­len und welche Befehle ein Aktor verstehen muss. Dadurch ist gewährleis­tet, dass sich HomeKit-zerti zierte Geräte verständig­en können, selbst wenn sie von verschiede­nen Hersteller­n stammen. Das sind etwa die Lampen von Philips Hue oder Heizungsst­euerungen von Tado und Netatmo. Sie alle lassen sich über HomeKit-kompatible Apps wie die Home- App von Apple auf iPhone und iPad bedienen. Auch abseits von Smart-HomeSystem­en gibt es Dienste und Apps, die verschiede­ne Hersteller miteinande­r verbinden. Der wohl bekanntest­e Vertreter ist IFTTT (If This Then That). Ein Grund besteht darin, dass die Auswahl an kompatible­n Produkten besonders groß ist. Dazu zählen beispielsw­eise Philips Hue, Produkte von Nest, Wasch-, Spül- und Kaffemasch­ine von Bosch und Siemens oder die Sprachassi­stenten von Amazon und Google. Per App oder Web-Browser können Sie mit IFTTT Wenn-dann-Regeln über Hersteller­grenzen hinweg erstellen, zum Beispiel: Wenn die Netatmo Wetterstat­ion schlechte Luftqualit­ät feststellt, sollen die Lampen von Philips Hue rot leuchten.

Eine App für alles

Zum Verbinden von Produkten verschiede­ner Hersteller bieten sich ebenfalls Apps wie iHaus, Yonomi, Gideon Smart Home oder Muzzley an. Die Produktaus­wahl der Apps ist nicht so groß wie bei IFTTT, dafür lassen sich über die Apps die einzelnen Geräte einfach per Fingertipp steuern. Wer also ins Smart Home starten will, sollte sich zunächst überlegen, was er überhaupt steuern will. Sollen Produkte verschiede­ner Hersteller kombiniert werden, ist es wichtig, zu überprüfen, ob sie sich überhaupt miteinande­r verbinden lassen und welcher Aufwand dafür nötig ist. Dem entgeht man, wenn man einen Systeminte­grator beauftragt, der das Smart Home installier­t und sich darum kümmert, dass alle Produkte reibungslo­s miteinande­r funktionie­ren. Wer Komponente­n in Schaltern, Steckdosen und Schaltschr­ank einbauen will, sollte ohnehin die Installati­on in die Hände eines Pro s legen. Denn Arbeiten an 230 Volt sind für den Laien verboten und gehören in die Hände eines Elektriker­s. Für ein paar Hundert Euro wie beim Selbstinst­allieren kann man so nicht ins Smart Home starten. Hier beginnt man eher im vierstelli­gen Bereich. Dafür bekommt man ein wirklich funktionie­rendes Smart Home, wofür Ihnen Ihre Familie sicherlich sehr dankbar ist. ok

 ??  ?? Eine Zentrale, viele Standards: Bei Homee lässt sich der Brain Cube um Würfel ergänzen und damit um Funkstanda­rds erweitern.
Eine Zentrale, viele Standards: Bei Homee lässt sich der Brain Cube um Würfel ergänzen und damit um Funkstanda­rds erweitern.
 ??  ?? Automation­en anlegen mit innogy SmartHome: In der App oder über den Web-Browser können Sie individuel­le Wenn-dann-Regeln de nieren.
Automation­en anlegen mit innogy SmartHome: In der App oder über den Web-Browser können Sie individuel­le Wenn-dann-Regeln de nieren.
 ??  ?? Das Zuhause per App im Griff: Per Fingertipp können Sie bei innogy
SmartHome zum Beispiel die Beleuchtun­g regeln.
Das Zuhause per App im Griff: Per Fingertipp können Sie bei innogy SmartHome zum Beispiel die Beleuchtun­g regeln.
 ??  ?? Szenen de nieren, um Geräte über einen Fingertipp gemeinsam zu steuern: Über die Benutzerob­er äche von Devolo Home Control wählen Sie die Geräte und bestimmen, wie Sie beim Aktivieren der Szenen reagieren sollen.
Szenen de nieren, um Geräte über einen Fingertipp gemeinsam zu steuern: Über die Benutzerob­er äche von Devolo Home Control wählen Sie die Geräte und bestimmen, wie Sie beim Aktivieren der Szenen reagieren sollen.
 ??  ??
 ??  ?? Produkte verschiede­ner Hersteller steuern: über die Home- App von Apple auf iPhones und iPads.
Produkte verschiede­ner Hersteller steuern: über die Home- App von Apple auf iPhones und iPads.
 ??  ?? Mit der App Gideon Smart
Home können Sie Geräte verschiede­ner Hersteller steuern: zum Beispiel Netatmo Welcome, Philips Hue, Sonos und Nest Protect.
Mit der App Gideon Smart Home können Sie Geräte verschiede­ner Hersteller steuern: zum Beispiel Netatmo Welcome, Philips Hue, Sonos und Nest Protect.

Newspapers in German

Newspapers from Germany