Blockchain
Das Thema Blockchain beherrschte in den letzten Monaten vielfach die Schlagzeilen. Wir erläutern die Technik, lassen Kritiker und Befürworter zu Wort kommen und stellen Lösungen mit und rund um die Technologie vor.
Hype oder Zukunft? Experten nehmen Stellung
Es gehört zur Welt der IT, dass immer wieder neue Technologien, Entwicklungsansätze und Visionen über Administratoren, IT-Verantwortliche und die Nutzer hereinbrechen. Mit der Blockchain existiert aktuell ein Thema, das über die Grenzen der IT hinaus bekannt wurde. Jedoch springen auch immer mehr angesehen IT-Firmen auf den „Blockchain-Zug“auf und bieten Anwendungen und Dienste an, die durch den Einsatz dieser Technik besser und sicherer werden sollen. Wir haben den Markt durchforstet und uns mit Experten unterhalten, um herauszufinden was dran ist an Blockchain: Ist es nur ein weiteres Hype-Thema, das durch das „ITDorf“getrieben wird, oder eine vielversprechende, ja vielleicht sogar disruptive Technik, die viele Dinge verändern wird? Blockchain ist eine noch ziemlich junge Technik, die unter anderem dazu eingesetzt werden kann, Datentransaktion zu verifizieren. Von der technischen Seite her betrachtet sind Blockchains einfach nur Datenblöcke, die zu einer Kette verknüpft sind.
Was Blockchain eigentlich ist ...
Bekannt geworden ist die Blockchain-Technology durch das riesige Medienrauschen rund um die Kryptowährung Bitcoin. Deshalb ist hier zunächst einmal eine klare Trennung notwendig: Blockchain ist die Technik hinter Bitcoin; sie ist das theoretische, aber vor allen Dingen auch das technische Fundament, auf das Bitcoin ebenso wie viele andere Kryptowährungen aufbaut. Dabei ist Blockchain deutlich mehr als nur eine „virtuelle Excel-Datei im Web, in die je- der Nutzer etwas eintragen, aber niemand etwas ändern oder gar löschen kann“– eine Beschreibung, die oft zu finden ist. Die Blockchain ist aber auch eine verteilte Datenbank. Weshalb es immer wieder Kritiker gibt, die darauf hinweisen, dass viele der aktuellen Blockchain-Lösungen auch problemlos mit einer eher traditionellen Datenbank zu lösen wären. Aber im Gegensatz zu diesen Datenbanken befindet sich eine Blockchain nicht auf irgendwelchen Servern, sondern jeder Nutzer hat seine eigene, vollständige Kopie davon. Ein weiterer Pluspunkt der Blockchain: Da jeder neue Block mit dem vorherigen verbunden ist und dabei die Historie in Form von dessen Prüfsumme enthält, ist sie fälschungssicher. Zudem ist in jedem Block die Prüfsumme der gesamten Kette abgespeichert,
wodurch die Reihenfolge der Blöcke eindeutig ist. Schließlich werden die Daten verschlüsselt gespeichert. So werden Korruption und Manipulation verhindert, und das Netz legitimiert sich gegenseitig. Ein Begriff darf im Zusammenhang mit den Blockchains nicht fehlen: die Smart Contracts. Es handelt sich bei ihnen um Protokolle, die es unter anderem ermöglichen, dass Verträge teilweise oder auch vollständig automatisch abgewickelt werden können. Eine Transaktion, die über einen solchen Smart Contract läuft, wird dann automatisch ausgeführt, wenn alle daran beteiligten Parteien die zuvor definierten Bedingungen erfüllen. Die Blockchain Ethereum ist beispielsweise ganz besonders darauf ausgerichtet, solche Smart Contracts zu unterstützen und auszuführen.
Vom Taschengeld über den Notar bis zum Energieversorger
Zwischenzeitlich gibt es eine große Zahl von Anwendungsfällen für den Einsatz von Blockchains. Neben den bekannten Ansätzen, bei denen diese Technik als Basis für die unterschiedlichsten Kryptowährungen zum Einsatz kommt, sind es gerade die zuvor bereits erwähnten Smart Contracts, die immer öfter zum Einsatz kommen. Die Backup- und Storage-Spezialisten von Acronis integrieren zum Beispiel bereits seit zwei Jahren unter dem Namen Acronis Notary eine Lösung in ihre Programme, die auf einen Ethereum-Ledger basiert. Notary errechnet von jeder Datei einen HashWert als kryptografischen „Fingerabdruck“, der jede Datei eindeutig charakterisiert. Dieser Hash-Wert der gesamten Datenstruktur, die die Fingerabdrücke der per Backup gesicherten Dateien enthält, wird dann in der Blockchain abgespeichert. Die Software erstellt für jede per Notarized Backup gesicherte und damit beglaubigte Datei ein Zertifikat. Dieses Zertifikat verbindet die eindeutigen Kennzeichen einer entsprechenden Datei mit einem dazugehörigen permanenten Datensatz in einer Blockchain. Dies ermöglicht es dann den Anwendern, die Authentizität dieser Datei jederzeit zu überprüfen. Eine solche Überprüfung kann von jeder Drittpartei – manuell oder maschinell – durchgeführt werden, die Zugriff auf die Blockchain hat. Noch in der Entwicklung befindet sich hingegen eine Plattform aus den USA, die den
Namen URAllowance trägt. Wir möchten sie hier aber kurz vorstellen, weil sie ein schönes Beispiel dafür ist, was sich alles aus dem Einsatz der Blockchain-Technologie entwickeln kann. Es handelt dabei um eine Plattform für Kryptowährung, die speziell für die Bedürfnisse von Familien mit Kindern entwickelt wird. Sie wird auf der Etherum-Blockchain betrieben und stellt den Familien Smart Contracts bereit, mit denen die Eltern beispielsweise Aufgaben für die Kinder definieren können, die diese dann ausführen, um mit entsprechender Kryptowährung belohnt zu werden. Schließlich gibt es neben den vielen Finanzanwendungen auch Energieversorger, wie Energias de Portugal (EDP) in Brasilien, der jüngste verlauten ließ, dass er nun Blockchain-Technologie zur Messung und Aufzeichnung des Energieverbrauchs sowie der dezentralen Stromerzeugung seiner Verbraucher einsetzen wird.
Technologie ist nicht per se „gut“
Security-Unternehmen wie Trend Micro und Eset bestätigten uns, dass Blockchains leider auch im kriminellen Cyberuntergrund bereits erfolgreich für Zahlungstransaktionen, Warenauslieferung (digital) und Reputation-/Bewertungsfunktionen eingesetzt werden. Sehr zweifelhaft auch, was die amerikanische Plattform Augur ihren Nutzern anbietet: Sie bietet einen „Vorhersagemarktplatz“, auf dem die Nutzer Wetten auf fast alle Ereignisse – dazu zählt beispielsweise auch das Todesdatum von Prominenten – abschließen können. Die Anbieter verwenden nach eigenen Angaben Open-Source-Software für ihre Ethereum-basierte Plattform und arbeiten dabei mit Smart Contracts. Illegale Aktion sollen ebenfalls bereits auf der Plattform zu finden sein, und dem Vernehmen nach interessieren sich die Behörden in den USA bereits für Augur. Die Betreiber verweisen derweil darauf, dass sie nicht kontrollieren oder stoppen können, wofür die Nutzer Augur verwenden. Bei dieser Aussage werden bei vielen Menschen in der IT sicher Erinnerungen an MP3 und die Tauschbörse Napster wach werden.
Blockchain wird bleiben
Aktuell wird noch sehr viel „Lärm“um die Blockchain-Technik gemacht, oder wie es Udo Schneider von Trend Micro so treffend formulierte: „Aus Marketingsicht wird aktuell fast jedes IT-Produkt mit dem „Feenstaub“namens Blockchain bedeckt und entsprechend vertrieben. Selbst wenn es technologisch überhaupt nicht funktioniert oder im Vergleich zu anderen Technologi- en keinen Mehrwert bietet – Hauptsache es steht Blockchain drauf.“Es kommt hinzu, dass die Technik im Moment bei allen theoretischen Vorteilen noch einige Schwachstellen in der Praxis aufweist: Neben der zumeist noch bestehenden sehr schwachen Skalierbarkeit, einem im Vergleich mit anderen Datenbanksystemen und -anwendungen noch sehr geringem Durchsatz, wird es für die Unternehmen vor allen Dingen darum gehen müssen, eine derartige Lösung in die vorhandene IT mit ihren „Altsystemen“möglichst sicher und nahtlos zu integrieren. Die Vielzahl der bereits existierenden Anwendungsfälle und Ideen rund um diese Technik spricht jedoch eine deutliche Sprache: Blockchain wird weiter bestehen. Ist der Hype erst einmal vorbei, wird Blockchain vielleicht zu einer grundlegenden Technik, wie etwa TCP/IP, auf die entsprechende Lösungen dann aufbauen können. ■