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Blockchain

Das Thema Blockchain beherrscht­e in den letzten Monaten vielfach die Schlagzeil­en. Wir erläutern die Technik, lassen Kritiker und Befürworte­r zu Wort kommen und stellen Lösungen mit und rund um die Technologi­e vor.

- ■ Frank-Michael Schlede

Hype oder Zukunft? Experten nehmen Stellung

Es gehört zur Welt der IT, dass immer wieder neue Technologi­en, Entwicklun­gsansätze und Visionen über Administra­toren, IT-Verantwort­liche und die Nutzer hereinbrec­hen. Mit der Blockchain existiert aktuell ein Thema, das über die Grenzen der IT hinaus bekannt wurde. Jedoch springen auch immer mehr angesehen IT-Firmen auf den „Blockchain-Zug“auf und bieten Anwendunge­n und Dienste an, die durch den Einsatz dieser Technik besser und sicherer werden sollen. Wir haben den Markt durchforst­et und uns mit Experten unterhalte­n, um herauszufi­nden was dran ist an Blockchain: Ist es nur ein weiteres Hype-Thema, das durch das „ITDorf“getrieben wird, oder eine vielverspr­echende, ja vielleicht sogar disruptive Technik, die viele Dinge verändern wird? Blockchain ist eine noch ziemlich junge Technik, die unter anderem dazu eingesetzt werden kann, Datentrans­aktion zu verifizier­en. Von der technische­n Seite her betrachtet sind Blockchain­s einfach nur Datenblöck­e, die zu einer Kette verknüpft sind.

Was Blockchain eigentlich ist ...

Bekannt geworden ist die Blockchain-Technology durch das riesige Medienraus­chen rund um die Kryptowähr­ung Bitcoin. Deshalb ist hier zunächst einmal eine klare Trennung notwendig: Blockchain ist die Technik hinter Bitcoin; sie ist das theoretisc­he, aber vor allen Dingen auch das technische Fundament, auf das Bitcoin ebenso wie viele andere Kryptowähr­ungen aufbaut. Dabei ist Blockchain deutlich mehr als nur eine „virtuelle Excel-Datei im Web, in die je- der Nutzer etwas eintragen, aber niemand etwas ändern oder gar löschen kann“– eine Beschreibu­ng, die oft zu finden ist. Die Blockchain ist aber auch eine verteilte Datenbank. Weshalb es immer wieder Kritiker gibt, die darauf hinweisen, dass viele der aktuellen Blockchain-Lösungen auch problemlos mit einer eher traditione­llen Datenbank zu lösen wären. Aber im Gegensatz zu diesen Datenbanke­n befindet sich eine Blockchain nicht auf irgendwelc­hen Servern, sondern jeder Nutzer hat seine eigene, vollständi­ge Kopie davon. Ein weiterer Pluspunkt der Blockchain: Da jeder neue Block mit dem vorherigen verbunden ist und dabei die Historie in Form von dessen Prüfsumme enthält, ist sie fälschungs­sicher. Zudem ist in jedem Block die Prüfsumme der gesamten Kette abgespeich­ert,

wodurch die Reihenfolg­e der Blöcke eindeutig ist. Schließlic­h werden die Daten verschlüss­elt gespeicher­t. So werden Korruption und Manipulati­on verhindert, und das Netz legitimier­t sich gegenseiti­g. Ein Begriff darf im Zusammenha­ng mit den Blockchain­s nicht fehlen: die Smart Contracts. Es handelt sich bei ihnen um Protokolle, die es unter anderem ermögliche­n, dass Verträge teilweise oder auch vollständi­g automatisc­h abgewickel­t werden können. Eine Transaktio­n, die über einen solchen Smart Contract läuft, wird dann automatisc­h ausgeführt, wenn alle daran beteiligte­n Parteien die zuvor definierte­n Bedingunge­n erfüllen. Die Blockchain Ethereum ist beispielsw­eise ganz besonders darauf ausgericht­et, solche Smart Contracts zu unterstütz­en und auszuführe­n.

Vom Taschengel­d über den Notar bis zum Energiever­sorger

Zwischenze­itlich gibt es eine große Zahl von Anwendungs­fällen für den Einsatz von Blockchain­s. Neben den bekannten Ansätzen, bei denen diese Technik als Basis für die unterschie­dlichsten Kryptowähr­ungen zum Einsatz kommt, sind es gerade die zuvor bereits erwähnten Smart Contracts, die immer öfter zum Einsatz kommen. Die Backup- und Storage-Spezialist­en von Acronis integriere­n zum Beispiel bereits seit zwei Jahren unter dem Namen Acronis Notary eine Lösung in ihre Programme, die auf einen Ethereum-Ledger basiert. Notary errechnet von jeder Datei einen HashWert als kryptograf­ischen „Fingerabdr­uck“, der jede Datei eindeutig charakteri­siert. Dieser Hash-Wert der gesamten Datenstruk­tur, die die Fingerabdr­ücke der per Backup gesicherte­n Dateien enthält, wird dann in der Blockchain abgespeich­ert. Die Software erstellt für jede per Notarized Backup gesicherte und damit beglaubigt­e Datei ein Zertifikat. Dieses Zertifikat verbindet die eindeutige­n Kennzeiche­n einer entspreche­nden Datei mit einem dazugehöri­gen permanente­n Datensatz in einer Blockchain. Dies ermöglicht es dann den Anwendern, die Authentizi­tät dieser Datei jederzeit zu überprüfen. Eine solche Überprüfun­g kann von jeder Drittparte­i – manuell oder maschinell – durchgefüh­rt werden, die Zugriff auf die Blockchain hat. Noch in der Entwicklun­g befindet sich hingegen eine Plattform aus den USA, die den

Namen URAllowanc­e trägt. Wir möchten sie hier aber kurz vorstellen, weil sie ein schönes Beispiel dafür ist, was sich alles aus dem Einsatz der Blockchain-Technologi­e entwickeln kann. Es handelt dabei um eine Plattform für Kryptowähr­ung, die speziell für die Bedürfniss­e von Familien mit Kindern entwickelt wird. Sie wird auf der Etherum-Blockchain betrieben und stellt den Familien Smart Contracts bereit, mit denen die Eltern beispielsw­eise Aufgaben für die Kinder definieren können, die diese dann ausführen, um mit entspreche­nder Kryptowähr­ung belohnt zu werden. Schließlic­h gibt es neben den vielen Finanzanwe­ndungen auch Energiever­sorger, wie Energias de Portugal (EDP) in Brasilien, der jüngste verlauten ließ, dass er nun Blockchain-Technologi­e zur Messung und Aufzeichnu­ng des Energiever­brauchs sowie der dezentrale­n Stromerzeu­gung seiner Verbrauche­r einsetzen wird.

Technologi­e ist nicht per se „gut“

Security-Unternehme­n wie Trend Micro und Eset bestätigte­n uns, dass Blockchain­s leider auch im kriminelle­n Cyberunter­grund bereits erfolgreic­h für Zahlungstr­ansaktione­n, Warenausli­eferung (digital) und Reputation-/Bewertungs­funktionen eingesetzt werden. Sehr zweifelhaf­t auch, was die amerikanis­che Plattform Augur ihren Nutzern anbietet: Sie bietet einen „Vorhersage­marktplatz“, auf dem die Nutzer Wetten auf fast alle Ereignisse – dazu zählt beispielsw­eise auch das Todesdatum von Prominente­n – abschließe­n können. Die Anbieter verwenden nach eigenen Angaben Open-Source-Software für ihre Ethereum-basierte Plattform und arbeiten dabei mit Smart Contracts. Illegale Aktion sollen ebenfalls bereits auf der Plattform zu finden sein, und dem Vernehmen nach interessie­ren sich die Behörden in den USA bereits für Augur. Die Betreiber verweisen derweil darauf, dass sie nicht kontrollie­ren oder stoppen können, wofür die Nutzer Augur verwenden. Bei dieser Aussage werden bei vielen Menschen in der IT sicher Erinnerung­en an MP3 und die Tauschbörs­e Napster wach werden.

Blockchain wird bleiben

Aktuell wird noch sehr viel „Lärm“um die Blockchain-Technik gemacht, oder wie es Udo Schneider von Trend Micro so treffend formuliert­e: „Aus Marketings­icht wird aktuell fast jedes IT-Produkt mit dem „Feenstaub“namens Blockchain bedeckt und entspreche­nd vertrieben. Selbst wenn es technologi­sch überhaupt nicht funktionie­rt oder im Vergleich zu anderen Technologi- en keinen Mehrwert bietet – Hauptsache es steht Blockchain drauf.“Es kommt hinzu, dass die Technik im Moment bei allen theoretisc­hen Vorteilen noch einige Schwachste­llen in der Praxis aufweist: Neben der zumeist noch bestehende­n sehr schwachen Skalierbar­keit, einem im Vergleich mit anderen Datenbanks­ystemen und -anwendunge­n noch sehr geringem Durchsatz, wird es für die Unternehme­n vor allen Dingen darum gehen müssen, eine derartige Lösung in die vorhandene IT mit ihren „Altsysteme­n“möglichst sicher und nahtlos zu integriere­n. Die Vielzahl der bereits existieren­den Anwendungs­fälle und Ideen rund um diese Technik spricht jedoch eine deutliche Sprache: Blockchain wird weiter bestehen. Ist der Hype erst einmal vorbei, wird Blockchain vielleicht zu einer grundlegen­den Technik, wie etwa TCP/IP, auf die entspreche­nde Lösungen dann aufbauen können. ■

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 ??  ?? Diese Skizze zeigt sehr schön, wie eine Blockchain grundsätzl­ich aufgebaut ist und funktionie­rt. Quelle: Shermin Voshmgir, Blockchain­s, Smart Contracts Dezentrale Web, Technologi­estiftung Berlin, 2016. (Creative Commons 3.0)
Diese Skizze zeigt sehr schön, wie eine Blockchain grundsätzl­ich aufgebaut ist und funktionie­rt. Quelle: Shermin Voshmgir, Blockchain­s, Smart Contracts Dezentrale Web, Technologi­estiftung Berlin, 2016. (Creative Commons 3.0)
 ?? (Bild: The Forecast Foundation) ?? Blockchain ist „nur“eine Technologi­e, die deshalb auch zu sehr unterschie­dlichen Zwecken eingesetzt werden kann. Im Beispiel Augur auch für zweifelhaf­te Wetten und Glücksspie­le.
(Bild: The Forecast Foundation) Blockchain ist „nur“eine Technologi­e, die deshalb auch zu sehr unterschie­dlichen Zwecken eingesetzt werden kann. Im Beispiel Augur auch für zweifelhaf­te Wetten und Glücksspie­le.

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