blick in die zukunft 2020
Schnelle Netze und biegsame Displays
Das nächste Jahrzehnt im 21. Jahrhundert steht vor der Tür, und die technischen Entwicklungen des letzten könnten kaum krasser sein: Smartphones gibt es erst seit zwölf Jahren, und sie haben unser Leben in der letzten Dekade massiv verändert. Auch HD-Fernsehen gibt es in Deutschland erst zehn Jahre und wird wohl bald von 4K oder 8K abgelöst. SSD-Festplatten haben selbst lahmen PCs ein neues Leben eingehaucht. Welche technischen Neuerungen werden also das Jahr 2020 prägen?
Wifi 6 mit deutlich mehr Geschwindigkeit
In 2020 werden vor allem die Funktechniken einen deutlichen Schub erfahren, allen voran das WLAN. Mit Wifi 6 (vormals IEEE 802.11 ax genannt) steht der wesentlich leistungsfähigere Nachfolger von Wifi 5, alias IEEE 201.11ac, vor der breiten Markteinführung. Asus und Netgear haben im Herbst mit dem AiMesh AX 6100 und Nighthawk RAX120 die ersten Wifi-6-fähigen Router auf den Markt gebracht. AVM wird im Frühjahr mit den ersten Modellen nachziehen. Erste High-End-Smartphones wie Samsungs Note 10 und Apples iPhone 11 haben Wifi 6 bereits eingebaut.
Wifi 6 verbessert Vieles: Zum einen steigt die maximale Übertragungsrate dank weiterer MIMO-Kanäle und einer höheren Datenübertragungsrate. Bei Wifi 5 war mit 4x4 MIMO-Streams und 1733 MBit/s Schluss. Wifi 6 kann hier mit 8x8-Kanälen auf bis zu 4800 MBit/s skalieren. Dieses gleichzeitige Schreiben und Lesen auf verschiedenen Frequenzen (MU-MIMO, Multi-User-Multiple-In-Multiple-Out) mit verschiedenen Endgeräten galt bei Wifi 5 nur für den Download. Bei Wifi 6 greift diese Technik auch beim Upload – wichtig zum Beispiel beim Video-Streaming mit dem Handy. Außerdem nutzt Wifi 6 ein Frequenz-Band von 20, 40 oder 80 MHz Bandbreite durch 2 MHz breite Subcarrier wesentlich effizienter aus und kann so deutlich mehr Daten gleichzeitig transportieren. Die Amplituden-Modulation (QAM) wurde von 8 auf 10 Bit erweitert und kann so 25% mehr Daten in gleicher Zeit transportieren.
Für Smartphones besonders interessant: Wifi 6 verbessert die Akkulaufzeit von Clients wie Notebooks und Smartphones über die Target Wake Time (TWT), weil das Endgerät nicht ständig auf Datenpakete lauschen muss. Router und Handy handeln dafür Zeiten aus, wenn Daten gesendet werden, dazwischen kann sich der Client – kurzzeitig – schlafen legen. Das schont den Akku. Weitere technische Neuerungen führen außerdem zu deutlich kürzeren Reaktionszeiten in WLANNetzen mit vielen Clients.
Neuer Sicherheitsstand WPA3
Daneben wird WPA3, der neue Sicherheitsstandard bei der WLAN-Verschlüsselung, kommen, weil Hersteller ab Juni 2020 das Label Wifi certified sonst nicht mehr erhalten. WPA3 ist deutlich robuster gegen Angriffe, auch wenn der gewählte WLANSchlüssel eher schwach ist, und kann optional mit einem 192-Bit-Chiffre betrieben werden, was selbst für Banken, Militär und Sicherheitsbehörden mehr als ausreichend ist, sagen zumindest Experten.
5G kommt auf breiter Front
Ein Meilenstein in der Funktechnik wird die Einführung von 5G als neuem MobilfunkStandard in vielen deutschen Großstädten sein. Erstmal ist eine Funktechnik deutlich schneller als alles, was per Kupferleitung oder Kabel transportiert wird. Bietet LTE aktuell maximal mehrere hundert MBit/s, kann 5G theoretisch bis zu 10 GBit/s übertragen. Ein Wert, der wahrscheinlich nur für viel Geld beim Endkunden oder Unternehmen ankommt.
Dennoch: 5G verkürzt die Latenzzeiten, die bei LTE im Vergleich zu UMTS schon deutlich kürzer wurden, noch einmal um den
Faktor 40. Damit wird sich 5G so schnell wie ein Gigabit-Ethernet-Kabel anfühlen. Möglich macht dieses eine deutlich größere Anzahl an Antennen sowie Funkmasten und gleichzeitig nutzbare Kanäle, auch hier MIMO genannt. Die kurzen Latenzzeiten sind aber vor allem für IoT- und IIoT-Anwendungen und damit für Unternehmen interessant. Dennoch führen die vielen Antennen zu vielfach höheren Datenkapazitäten. Das heißt: Die Geschwindigkeit kommt auch dann noch bei den Kunden an, wenn viele Personen am gleichen Ort surfen und streamen.
Diese Eigenschaften machen 5G interessant als überlegene „Ersatztechnik“für lahme DSL-Leitungen. Den ersten EndanwenderRouter für 5G hat Huawei mit dem kürzlich vorgestellten 5G CPE Pro auf den Markt gebracht, der maximal 2,33 GBit/s (down) und 1,25 GBit/s (up) schafft. AVM hat auf der IFA den 5G-Router Fritz!Box 6850 angekündigt, der im ersten Quartal 2020 auf den Markt kommen soll.
2020 werden wohl alle Smartphone-Anbieter mit 5G-Technik zumindest bei den High-End-Geräten punkten wollen. Dieses Jahr haben es schon Samsung mit dem S10 5G, dem Note 10+ 5G und auch Huawei mit dem Mate20 X 5G geschafft. Apple will erst im Herbst 2020 nachziehen. Auch bei Notebooks mit 5G wird es spannend. Bisher hat
nur Lenovo ein Gerät angekündigt, das allerdings auf dem ARM-Chip Snapdragon 8cx und 5G-Modem Snapdragon X55 von Qualcomm basiert. Intel- oder AMD-basierte Geräte sind bisher nicht angekündigt. Hier wird es zur CES Anfang Januar 2020 interessant werden.
Die Deutsche Telekom und Vodafone investieren bereits kräftig in den 5G-Ausbau und bieten erste 5G-Tarife an. Bei der Telekom ist man ab 40 Euro dabei, Vodafone verlangt im ersten Jahr mindestens 30 Euro, danach auch 40 Euro.
Glasfaser oder DOCSIS 3.1
Internet per Kabel bietet neben echten Glasfaser-Anschlüssen bis ins Haus (FTTH) die meisten Internet-Leistungsreserven. Die aktuelle Übertragungstechnik fürs Kabel, DOCSIS 3.0, kommt mit 1 GBit/s an ihre Grenzen. Deshalb rüstet Vodafone mit Hochdruck schon jetzt das Kabelnetz auf DOCSIS 3.1 um. Mit DOCSIS 3.1 steigt die Effizienz auf dem gleichen Kabel um 35 % und kann wesentlich besser mit Schwachstellen im Leitungsnetz umgehen. Durch die Nutzung weitere Frequenzen lassen sich mit DOCSIS 3.1 Downloadraten bis 10 GBit/s und Upload-Raten bis 1 GBit/s erreichen. Auch DOCSIS 3.1 wird aktuell weiterentwickelt. Mit der Variante DOCSIS 3.1 Full Duplex, die seit Oktober 2017 spezifiziert ist, sind auch Upload-Raten mit bis zu 10 GBit/s möglich, was vor allem für Unternehmen interessant ist. Eine Einführung bei Vodafone wird es wohl erst nach 2020 geben. Geräte für DOCSIS 3.1 gibt es bisher nur wenige. Die Fritz!Box 6591 Cable hat AVM 2018 auf den Markt gebracht. Für 2020 ist die Fritz!Box 6660 Cable angekündigt, die einen 2,5-GBit-LAN-Port und Wifi 6 besitzt. Generell wird es für 2020 wichtig, die eigene Ethernet-Verkabelung im Haus oder der Wohnung zu überdenken. NAS-Geräte und erste Router haben bereits 2,5 GigabitPorts. Wer dabei ist, seinen Switch zu ersetzen oder einen neuen anzuschaffen, sollte gleich nach 10-GBit-Geräten schauen.
PCIe 4.0: AMD hat die Nase klar vorn
AMD hat dieses Jahr Intel die lange Nase gezeigt und mit den Ryzen-CPUs zu sehr attraktiven Preisen und sehr guter Leistung mächtig zugesetzt. Zwar können die aktuellen Intel-CPUs in 14-nm-Fertigung teilweise noch gegen AMD bestehen, doch Intel hat bisher nur „frequenz-optimierte“, ältere CPU-Technik mit mehr Takt auf den Markt gebracht und musste mit Preissenkungen kontern. AMD fertigt CPUs schon in 7 nm und stattet sie mit einer großen Zahl an PCIe-4.0-Kanälen aus, die deutlich schneller Daten an Grafikkarten und SSDSpeicher übertragen als PCIe 3.0. Beim alten Standard sind maximal 4 GByte/s möglich, die in der Praxis selten 3 GByte/s erreichen; bei PCIe 4.0 sind Übertragungsraten von 8 GByte/s möglich.
Erste SSDs von Corsair und Patriot mit PCIe 4.0 liefern beim Lesen an die 5 GByte/s, bei Schreiben 4 GByte/s. Dass da nicht mehr geht, liegt am Chipsatz der SSDs. In 2020 werden alle bekannten Hersteller neue Chipsätze auf den Markt bringen und damit die Übertragungsraten Richtung 8 GByte/s verschieben. Allerdings sind die Preise für SSDs mit PCIe 4.0 aktuell fast doppelt so hoch wie für SATA-Laufwerke. Aber auch 2020 werden die Preise weiter fallen. Gerüchteweise wird Intel auch zur Comdex 2020 im Januar noch keine neuen Chips für PCIe 4.0 vorstellen und soll sich in der Entwicklung schon auf PCIe 5.0 konzentrieren. Es bleibt spannend, ob AMD in 2020 seine technische Führungsrolle weiter ausbauen kann oder von Intel wieder überholt wird. Smartphone-Trends: Kameras und biegsame Displays Die Fotografie ist im Umbruch: Auf YouTube vergleicht ein Fotograf ein iPhone 11 mit einer 7500 Euro teuren Spiegelreflexkamera und findet in den Aufnahmen dank der Software-Power des Smartphones
kaum Unterschiede. Xiaomi bringt mit dem Mi Note 10 ein Smartphone mit fünf verschiedenen Objektiven und macht damit hervorragende Aufnahmen. Der Trend für 2020 wird daher sein: Noch mehr Objektive in jedem neuen Smartphone. Xiaomi legt die Latte hoch: zwei Tele-Objektive, ein Weitwinkel mit 108 Megapixel, ein SuperWeitwinkel und ein Makro-Objektiv. Ebenfalls absoluter Trend: Beste Bilder auch bei sehr schlechten Lichtverhältnissen. Die modernen Smartphones erreichen dies durch lange Belichtungszeiten und Technik, die das Verwackeln ausgleichen ( optisch und/oder digital), eine sehr lichtstarke Optik, das Zusammenfassen von Pixeln und durch reichlich Software und KI.
Das Thema Faltbare Smartphones darf trotz der mangelhaften Qualität des ersten Samsung Galaxy Fold und des exorbitanten Preises von 2100 Euro noch nicht als gescheitert gelten. Auch Huawei will 2020 das Falt-Phone Mate X auf den Markt bringen und hat einen Prototyp auf der IFA 2019 vorgestellt. Aktuell haben beide Hersteller aber noch Schwierigkeiten, die Qualität der biegsamen Displays dauerhaft zu gewährleisten. Alle anderen Smartphone-Hersteller scheinen sich bisher vornehm zurückzuhalten.
Cloud Gaming statt Spiele-PC oder -Konsole
Spielen ist nach wie vor in. Aber nicht jeder potenzielle Gelegenheitsspieler will sich alle zwei Jahre einen neuen Rechner oder eine neue Grafikkarte kaufen. Die InternetAnbindung ist in Deutschland in vielen Städten mittlerweile so gut, dass man Spiele auch in guter Auflösung und mit geringer Latenz übers Internet streamen und spielen kann. Der Spielerechner steht dann nicht im heimischen Wohnzimmer, sondern im Internet. Er berechnet alle Szenen und streamt das Bild als Video übers Internet. Eingaben vom Gamepad werden übers Netz zurückgeschickt.
Mittlerweile wächst die Szene der Anbieter dieses Cloud-Gaming extrem. Mit nVidias GeForce Now, Sony Playstation Now und GameFly für Samsung-, LG- und PhilipsFernseher sind schon große, namhafte Firmen auf den Zug aufgesprungen. Auch die Telekom mischt mit Magenta Cloud Gaming mit. Spezialisten wie Vortex und Loudplay wollen durch extrem gute Anbindung und aktuelle Spiele punkten.
Noch hat sich kein Geschäftsmodell durchgesetzt. Bei Gamefly mietet man pro Monat ein Paket an Spielen, wo brandaktuelle Titel fehlen, aber eine gute Mischung für Abwechslung sorgt. Sie lassen sich gänzlich ohne PC-Hardware direkt am Fernseher spielen. PlayStation Now bringt Konsolenspiele auf den heimschen PC, aber auch hier fehlen die großen, frischen Blockbuster – wohl um sich selbst nicht zu viel Konkurrenz zu machen. nVidia und andere gehen einen anderen Weg: Sie stellen die Server-Hardware. Die Spiele, die man spielen möchte, muss man auf einer Online-Plattform wie Steam, Origin oder Blizzard gekauft haben. Der CloudGaming-Anbieter nutzt die Zugangsdaten der Spieleplattform, und schon kann es losgehen. Damit sind auch aktuelle Blockbuster auf moderater Hardware spielbar. Mit einem passenden Gamecontroller ist ein Unterschied nur noch für Profis spürbar. Die Preise liegen oft zwischen 10 und 20 Euro pro Monat und sind damit deutlich günstiger als der regelmäßige Kauf neuer Gaming-Hardware. nVidia GeForce Now lässt sich in der aktuellen Betaphase noch kostenlos nutzen.
Die Cloud-Gaming-Szene ist noch sehr unübersichtlich. Hier wird es 2020 sicher noch interessante Angebote und Weiterentwicklungen geben.
Fazit
Für Technik-Freaks hält das Jahr 2020 spannende Technik-Entwicklungen bereit. Interessanterweise gibt es nach wie vor enorme Geschwindigkeitssteigerungen in vielen Bereichen mit PCIe 4.0, Wifi 6 und 5G. Was 1990 auf eine Festplatte passte, kann man heute in einer Sekunde per Funk versenden. Aber wie jedes Jahr wird es auch 2020 Neuerungen geben, die keiner erwartet – lassen wir uns also überraschen!