Prozessoren: Intel vs. aMD
AMDs neue PCIe-4.0-Plattform im Vergleich
Mit Zen 2 alias Matisse wirbelt AMD den Markt für Desktop-CPUs ordentlich durcheinander. Intel darf sich warm anziehen, denn die auf Basis der Zen2-Mikroarchitektur gefertigten Ryzen3000-Prozessoren haben es in sich: Mit dem zum Testzeitpunkt aktuellen Spitzenmodell Ryzen 9 3900X bietet AMD erstmals eine 12-Kern-CPU auf dem Desktop-Markt an, während Intel im Mainstream-Bereich noch bei maximal 8 Kernen verharrt. Das hinderte AMD jedoch nicht daran, mit dem seit Ende November erhältlichen 16-Kerner Ryzen 9 3950X nochmals eine CoreSchippe draufzulegen.
7-nm-Fertigung, Verkaufsstart am 7.7.
Die deutlich gestiegene Anzahl der CPUKerne ist aber nur eine von vielen Herausforderungen, denen sich Intel stellen muss. Mit Zen 2 basieren die Ryzen-3000-CPUs auf einer komplett überarbeiteten Mikroarchitektur samt PCI Express 4.0 x16 als Sahnestück, wobei die CPU-Kerne erstmals im 7-nm-Verfahren gefertigt sind (Intel: 14 nm) – die Grundlage für höhere Leistung und Energieeffizienz. In Anlehnung an die Fertigungsgröße legte AMD den Starttermin für den Verkauf seiner neuen CPUs auf den 7.7. dieses Jahres fest. Zu den größten Neuerungen von Zen 2 gehören kleinere Chip-Einheiten, höhere Taktraten, mehr Kerne und Threads sowie eine laut AMD 15 Prozent höhere Leistung pro Taktzyklus (IPC). Die soll in Kombination mit den höheren Taktraten unter anderem auch für eine höhere Single-Core-Leistung sorgen – bisher die Achillesferse von Ryzen. Durch ihre Ringbus-Architektur waren die Core-iCPUs von Intel hier stets flotter unterwegs. Ob AMD diese Lücke schließen kann, und in welchen Bereichen Intel darüber hinaus
Druck bekommt, zeigt unser Test. Dabei lassen wir den 12-Kerner Ryzen 9 3900X gegen den Core i9-9900K antreten, das Flaggschiff der 9. Generation der Desktop-Prozessoren von Intel. Beide CPUs nehmen sich preislich fast nichts, was das Duell noch spannender macht. Als Boxed-Version zahlt man für den Ryzen 9 3900X 560 Euro, für den Intel Core i9-9900K mit 520 Euro etwas weniger.
AMDs Zen-2-Architektur: neues Multichip-Design
Mit Zen 2 verpasst AMD seinen DesktopCPUs erstmals ein Multichip-Design, das es bisher nur bei den Server-Prozessoren Epyc und Threadripper zu bewundern gab. Sämtliche Ein-/Ausgabefunktionen sind in einen separaten Chip gewandert (den I/ODie). Die CPU-Kerne bekamen ihrerseits eigene Chips spendiert. Im I/O-Die eines Ryzen-3000-Prozessors befinden sich un
ter anderem ein PCIe-Root-Hub mit 24 PCIe-4.0-Lanes und ein Controller für 4 USB-3.2-Gen.2-Ports (10 GBit/s). Weitere 20 PCIe-4.0-Lanes kommen durch den X570Chipsatz dazu, wobei 4 davon für die Kommunikation mit der CPU reserviert sind. Jeweils 4 Prozessorkerne mitsamt ihrem gemeinsam genutzten L3-Cache à 16 GByte fasst AMD zu einem Compute Core Complex (CCX) zusammen. Da Zen 2 Simultaneous Multithreading (SMT) unterstützt, können pro Kern zwei Threads verarbeitet werden. Zwei der CCXe bilden wiederum ein CPU Core Die (CCD). Ein solches CCD entspricht der kleinsten Chip-Einheit auf CPU-Seite und besteht also aus 8 Kernen, 16 Threads und 32 MB L3-Cache. Die Prozessoren skalieren sich dann über die Anzahl der CCDs: Ryzen-3000-CPUs mit mehr als 8 Kernen bestehen aus mehreren zusammengeschalteten CCDs. Das sind neben unserem 12-Kerner Ryzen 9 3900X auch der Ryzen 3900 (ebenfalls 12 Kerne, aber ohne offenen CPU-Multiplikator und nur für OEMs gedacht) und der Ryzen 9 3950X (16 Kerne).
Ein CCD ist mit 74 mm² deutlich kleiner als ein bisheriger Ryzen-Achtkern-Die mit 213 mm². Auch die Anzahl der Transistoren hat gegenüber Zen/Zen+ abgenommen, von 4,8 auf 3,9 Milliarden, da etliche Funktionen nun in den I/O-Die verlagert wurden. Dadurch kann AMD in gleicher Zeit mehr CPU-Komponenten herstellen, wobei durch die reduzierte Komplexität auch die Anzahl der Produktionsfehler sinken dürfte.
64 MByte großer Game Cache
Für den Ryzen 9 3900X sieht die CCX/CCDRechnung so aus: Der 12-Kerner setzt auf zwei CCDs, wobei AMD zwei Kerne pro CCD abschaltet, um auf 12 Cores und 24 Threads zu kommen (Intel Core i9-9900K: 8 Kerne, 16 Threads). Da jeder CCX 16 MByte L3-Cache mitbringt und 4 davon im 3900X sitzen, ergibt sich daraus ein L3-Cache von insgesamt 64 MByte. Das ist sehr beachtlich, denn zum einen bietet der Intel Core i9-9900K nur 16 MB L3-Cache. Auch AMDintern ist das eine echte Hausnummer: Ryzen 1000 und Ryzen 2000 kommen mit maximal 16 MB L3-Cache. 64 MB des schnellen Zwischenspeichers besaßen bisher nur die Ryzen-Threadripper-CPUs, und von ihnen auch nur die Spitzenmodelle 2970WX und 2900WX. Eine Ryzen-3000-CPU kann also, anders als ihre Vorgänger, eine größere Datenmenge in der Nähe ihrer Ausführungseinheiten bereithalten, was die Speicherlatenz verringert und die Leistung von Spielen verbessern kann. Passend dazu nennt AMD den neuen L3-Cache auch Game Cache.
Hohe Taktfrequenzen als Spiele-Turbo
Der I/O-Die wird, wie bei Zen+, in einer Strukturbreite von 12 nm gefertigt. Für die CPU-Kerne kommt erstmals eine 7-nm-Prozesstechnologie zum Einsatz. Das erlaubt höhere Kerne-Taktfrequenzen als bei Zen/ Zen+. Beispiel Ryzen 9 3900X: Der startet mit 3,8 GHz als Basisfrequenz und steigert sich auf eine Boost-Frequenz von beeindruckenden 4,6 GHz. Für Spieler sind das wie
der gute Nachrichten, denn viele Game-Engines profitieren deutlich mehr von hohen Taktfrequenzen als von vielen Kernen und nutzen zudem nur selten mehr als 4 Cores. An der Leistungsaufnahme hat sich gegenüber den schnellsten Zen/Zen+-Modellen nichts geändert. Mit einer Thermal Design Power (TDP) von 105 Watt läuft der Ryzen 9 3900X, gemessen an seiner Performance, sehr energieeffizient. Der Intel Core i99900K ist zwar auf 95 Watt spezifiziert, doch direkt vergleichbar sind beide TDP-Angaben nicht, weil AMD und Intel ihr jeweils unterschiedliche Definitionen zugrunde legen. So geht Intel bei der TDP-Berechnung von einer abzuführenden Last im Basistakt aus, AMD dagegen eher von einer vollen Nutzung des Chips.
Overclocking-Schalter für DDR4-RAM
Mit Zen 2 hält die neue Generation der Infinity Fabric Einzug, deren Bandbreite von 256 auf 512 Bit erhöht wurde. Dabei handelt es sich um eine Schaltlogik, die die CCDs mit dem I/O-Die verbindet, wobei der Datenaustausch zwischen den CCDs grundsätzlich immer über den I/O-Die erfolgt. Der Takt des neuen Infinity Fabric ist zudem nicht mehr an den RAM-Takt gekoppelt. Usern verschafft das mehr Spielraum beim Overclocking, weil der Speicher nicht mehr durch CPU-interne Limits gebremst wird. Offiziell unterstützen die Zen-2-CPUs DDR4-3200-RAM, kommen aber auch mit deutlich höher getaktetem Speicher zurecht. Bis zu einem Takt von DDR4-3600, den auch unser Test-RAM-Kit Corsair Vengeance RGB PRO 16GB nutzt, laufen Infinity Fabric und Speicher im 1:1-Modus. Darüber hinaus verschiebt sich das Verhältnis automatisch auf 2:1, lässt sich aber auch manuell im BIOS auf eine andere Teilerfrequenz festlegen. Das ermöglicht zwar höhere Speicherbandbreiten, erhöht aber auch die Speicher-Latenzzeiten um durchschnittlich etwa 10 ns. Laut AMD liegt das Performance-Optimum bei DDR4-3733, die beste Kombination aus Preis und Leistung bei DDR4-3600 und CL16.
Hardware-Schutz gegen Spectre
Weitere Zen-2-Zutaten sorgen dafür, dass AMD mit seinen Ryzen-3000-CPUs Intel engagiert das Wasser abgräbt, zum Beispiel beim Thema Sicherheit. CPU-Schwachstellen wie Spectre begegnet Ryzen 3000 mit einem Hardware-Schutz. Intel hat dagegen bis dato keine Lösung parat, um diese Angriffe direkt abzuwehren. Weitere Neuerungen: Zur Sprungvorhersage nutzt Zen 2 den
Tagged Geometric History Length-Algorithmus (TAGE), der als eine der fortschrittlichsten Methoden zur Branch Prediction gilt. Die Fehlerrate beim Vorhersagen der nächsten Rechenschritte verringert sich damit laut AMD um rund 30 Prozent, was sich in einem höherem CPU-Tempo niederschlägt. Bei den Fließkomma- und Integer-Berechnung zieht AMD mit Intel gleich: Auch der Ryzen 3000 kann nun 256 Bit breite AVX2Befehlssätze (Advanced Vector Extensions) pro Takt abarbeiten, was den FließkommaDurchsatz gegenüber Zen/Zen+ verdoppelt. Außerdem übernehmen nun 3 statt vormals 2 Adress Generator Units (AGUs) die Integer-Kalkulation. Mit dabei sind außerdem ein größerer Micro-Op-Cache und ein assoziativerer L1-Cache, der mit 8-fach anstelle von 4-fach arbeitet.
PCI Express 4.0 nur mit X570-Chipsatz
Um alle Features der Ryzen-3000-CPUs wie PCI Express 4.0 nutzen zu können, braucht es ein Mainboard mit X570-Chipsatz, zum Beispiel das von uns verwendete Asus ROG STRIX X570-E Gaming. In älteren Sockel-AM4-Mainboards kann ein Ryzen 3000 ebenfalls laufen, dann aber ohne PCI Express 4.0. Mainboards mit den 300erChipsätzen X370 und B350 lassen sich Zen2-kompatibel machen, wenn der Hersteller ein BIOS-Update anbietet. Außen vor bleibt dagegen der A320-Chipsatz. Macht man einen Sprung zu den 400er-Mainboards, kommen die X470- und B450-Chipsätze für Zen 2 infrage, was gegebenenfalls auch ein BIOS-Update erfordert.
Auch mit einem X570-Mainboard ist nicht alles eitel Sonnenschein. Derzeit gibt es nämlich nur vergleichsweise wenige Hauptplatinen, die volles PCIe-4.0-Tempo auf beiden M.2-Slots unterstützen. Das betrifft auch unser Test-Mainboard von Asus: Nur der M.2-Slot des ROG STRIX X570-E Gaming, der sich näher am Prozessorsockel befindet, wird auch mit PCIe 4.0 x4 angesteuert, der zweite lediglich mit PCIe 3.0 x4.
Die Test-Plattformen im Überblick
Um das Duell zwischen dem AMD Ryzen 9 3900X und dem Intel Core i9-9900K ausgewogen zu gestalten, haben wir für beide Test-Plattformen soweit wie möglich die gleichen Hardware-Zutaten verwendet. Speziell auf AMD oder Intel ist jedoch keines der Systeme getrimmt. Vielmehr lag unser Fokus darauf, sie so aufzubauen, wie auch Anwender das getan hätten – mit hochwertigen Komponenten, die gleichzeitig durch ihr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugen.
Als Speicher fungiert das Corsair Vengeance RGB PRO Kit CMW16GX4M2Z3600C18 mit 2x 8 GByte DDR4-3600-RAM. Bei der Grafikkarte fiel die Wahl auf die Zotac Gaming GeForce RTX 2080 SUPER AMP Extreme ZTT20820B-10P. Das Netzteil (ION+ 860P) und die CPU-Kühlung (die Wasserkühlung Celsius 24) kommen jeweils von Fractal Design. Den AMD Ryzen 9 3900X setzen wir in das Asus ROG STRIX X570-E Gaming (Chipsatz AMD X570), den Intel Core i9-9900K in das Asus ROG MAXIMUS XI Formula (Chipsatz Intel Z390). Alle Benchmarks laufen unter Windows 10 1903, das wir mit den zum Testzeitpunkt aktuellsten Nvidia-Treibern in der Version 441.12 gefüttert haben.
Benchmarks: Multithread-Sieger AMD
Wir waren gespannt, ob der Ryzen 9 3900X bei der Anwendungsleistung dem Intel Core i9-9900K wie versprochen Paroli bieten kann. Und tatsächlich: Bei der SingleThread-Performance holt AMD den bisherigen Rückstand fast komplett auf und ist alles in allem nur etwa 6 Prozent langsamer als Intel. Im Single-Core-Test von Cinebench R15 bringt es der Ryzen 9 3900X auf 205 Punkte, der Core i9-9900K auf 218. Das gleiche Bild zeigt sich beim Single-ThreadTest von CPU-Z. Hier ergeben sich 546 Punkte für AMD und 579 Punkte für Intel.
Bei der Multi-Thread-Leistung spielt die 12-Kern-CPU von AMD in ihrer eigenen Liga und lässt dem Intel-Rivalen keine Chance. Im Test absolviert der Ryzen 9 3900X den Multi-Core-Benchmark von Cinebench mit 3173 Zählern und fährt damit über 1000 Punkte Vorsprung vor dem Intel Core i99900K ein (2050 Punkte). Mit 8317 gegenüber 5561 Punkten fällt die Leistungsdifferenz beim Multi-Thread-Test von CPU-Z sogar noch deutlicher aus. Erwartungsgemäß ist der Ryzen 9 3900X auch beim Rendern eines 4K-Videos mit Handbrake schneller unterwegs. Mit einer Zeit von 2:03 Minuten läuft er imposante 37 Sekunden früher über die Ziellinie als sein Intel-Rivale. Je nach Anwendungs-Benchmark beträgt die MultiThread-Mehrleistung des Ryzen 9 3900X gegenüber dem Intel Core i9-9900K zwischen 20 und 35 Prozent.
Intel: die bessere CPU für Spieler
Geht es um die Spiele-Performance, hat der Core i9-9900K die Nase vorn. In der Summe ist es zwar eher eine Nasenspitze, weil der Performance-Abstand insgesamt nur etwa 5 Prozent beträgt. Kommt es aber auf jedes Frame an, hat Intel die besseren Argumente. Bei Deus Ex: Mankind Divided in Full-HD-Auflösung holt der Core i9-9900K durchschnittlich 130 Bilder pro Sekunde heraus (fps), der Ryzen 9 3900X dagegen nur 109 fps. Das ist aber der Extremfall, denn bei den übrigen Spiele-Tests sind die Abstände deutlich geringer, etwa bei Rise of the Tomb Raider (Full-HD). Hier ergeben sich 240 gegenüber 221 fps zugunsten von Intel. Teilweise kaum mehr spürbar sind die Unterschiede bei 3DMark und Final Fantasy XV. Bei 3DMark Time Spy sind die CPUs mit 11637 Punkten (AMD) und 11657 Punkten (Intel) effektiv gleich schnell. Bei Final Fantasy XV hat Intel noch 3 Prozent Vorsprung.
Fazit
Mit dem Ryzen 9 3900X ist AMD ein großer Wurf gelungen. Durch seine Zen-2-Mikroarchitektur hebt er sich in punkto Singleund Multi-Thread-Leistung, Effizienz und Schnittstellen mitsamt dem Prestige-trächtigen PCIe 4.0 nicht nur deutlich von seinen Ryzen-Vorgängern ab. Auch der Intel Core i9-9900K muss sich der Performance des 12-Kerners teilweise deutlich geschlagen geben. Bei der Single-Thread-Leistung hat der Ryzen 9 3900X die Lücke zum Core i99900K praktisch geschlossen und deklassiert seinen Rivalen mit einer bis zu 35 Prozent höheren Multi-Thread-Leistung. Das macht ihn ideal für alle Anwendungen, die viele Kerne und Threads nutzen. Für das Gaming gilt das ganz genauso; doch hier kann sich der Core i9-9900K noch einen kleinen Vorsprung erhalten – Spiele laufen auf dem Intel-System minimal flotter.
Das Duell endet daher unentschieden. Keine CPU ist pauschal besser, keine eindeutig günstiger. Deshalb entscheidet letztlich das Anwendungsgebiet über den persönlichen Testsieger. Durch seine innovative Mikroarchitektur dürfte AMD aber in den nächsten Monaten im Desktop-Bereich die Nase vorne haben – wir sind gespannt, was Intel als nächstes aus dem Prozessor-Hut zaubert.