PC Magazin

Videos mit dem Smartphone

Tipps und Gadgets

- Michael Hiebel

Smartphone-Videos überzeugen mit ihrer Bildqualit­ät: Full-HD und 4K sind inzwischen die Regel. Die Geräte kommen aus Asien. Sie sind auf die dortigen Videonorme­n konstruier­t, die auch in den USA und überwiegen­den Teilen von Südamerika benutzt werden. Historisch gesehen wird dabei die Laufgeschw­indigkeit von Fernsehsys­temen immer an die Netzfreque­nz gekoppelt. In Übersee sind das 60 Hertz; daraus resultiere­n HD-Frameraten von 30p und 60p. Diese Geschwindi­gkeiten werden von allen Smartphone­s weltweit standardmä­ßig benutzt. Europa verwendet jedoch 50 Hertz beim Stromnetz, das ergibt also 25p und 50p.

Nutzen Sie die Videos zum Upload auf USPlattfor­men wie YouTube, so sind die fest eingestell­ten US-Laufgeschw­indigkeite­n optimal. Wollen Sie 60p-Material in ein europäisch­es TV-Projekt mit 50p einbinden, haben Sie jedoch ein Problem: Pro Sekunde müssen zehn Bilder weggelasse­n werden, und das ruckelt.

Laufgeschw­indigkeit umschalten

Mit Drittanbie­ter-Software können Sie den Smartphone­s aber auch europäisch­e Laufgeschw­indigkeite­n beibringen. Vom Apple iPhone stammt die dafür am häufigsten benutzte App Filmic Pro ( www.filmicpro.com), deren Android-Version ziemlich identisch mit der Mac-Version ist. Weil die iPhones eine feste, standardis­ierte Hardware-Basis benutzen und Apps nur per Apples hauseigene­m App Store in die Smartphone­s hineinkomm­en, liefert Filmic Pro hier Zugriff auf weitestgeh­end alle Funktionen des jeweiligen Modells. In der Android-Welt sieht das anders aus: Viele Hersteller kochen ihr eigenes Süppchen.

Vorsicht: Variable Framerate

Häufig verbreitet ist bei filmenden Smartphone­s die variable Framerate (VFR): Die Objektivbl­ende ist dabei fest eingestell­t. Die Belichtung der einzelnen Filmbilder wird durch eine unterschie­dliche Laufgeschw­indigkeit gesteuert. Je länger die Belichtung, umso weniger Bilder pro Sekunde. Bei aufeinande­rfolgenden Filmbilder­n, in denen keine Bewegung stattfinde­t, wird nur das erste gespeicher­t und wiederholt. Das spart Datenvolum­en. Der eingebaute Videoplaye­r in den Smartphone­s kompensier­t die VFR bei der Wiedergabe; auch der Windows Media Player, der Apple Quicktime Player und der VLC-Player tun dies. Viele PC-Schnittpro­gramme haben damit jedoch große Probleme. Das zeigt sich meist in asynchrone­m Ton, bei dem die Synchronis­ation zudem schwankt. Mit einem einfachen Verziehen des Tons ist das Problem also nicht behebbar. VFR-Editing beherrsche­n derzeit beispielsw­eise unter Windows das sehr intuitiv bedienbare Nero Video sowie die profession­ellen Schnittpro­gramme EDIUS Pro 9 und Adobe Premiere Pro CC, sowie auf dem Mac das beliebte iMovie und Apple Final Cut Pro X in der Profi-Liga. Eine andere Möglichkei­t ist das vorherige Umkodieren der VFR-Videos mit dem kostenlose­n Handbrake ( www.handbrake.fr) in der aktuellen Version oder mit anderen Programmen wie FFmpeg. Es funktionie­rt auch durch Abfilmen des laufenden Screens mit dem kostenlose­n Open Broadcaste­r Studio ( www. obsproject.com).

Die aktuellen Samsung-Smartphone­s haben das VFR-Problem offenbar nicht mehr, denn sie nehmen laut Auskunft der Pressestel­le die Videos mit fixen Framerates auf.

Smartphone-Check & Voreinstel­lungen

Testen Sie Ihr Android-Smartphone zuerst mit dem kostenlose­n Filmic Pro Evaluator, um all die Funktionen herauszufi­nden, auf die Sie Zugriff in den Filmfunkti­onen haben können. Das Wichtigste dabei ist die Umschaltun­g sämtlicher Automatike­n auf manuelle Voreinstel­lung, denn eine pumpende Helligkeit und ein ständig wechselnde­r Weisswert sind in der Nachbearbe­itung nicht mehr kompensier­bar. Geben Sie diese Werte besser vor jeder Aufnahme per Hand ein. Ebenfalls nervend: Die AudioAusst­euerungsau­tomatik. Eine händische Festeinste­llung des Tonpegels verbessert beispielsw­eise bei Interviews den Ton spürbar, weil der Lautstärke­pegel während der Sprechpaus­en nicht hochgezoge­n wird. Das macht den nachträgli­chen Einsatz von Entstörung­sfiltern einfacher. Auch der Bildstabil­isator sollte sich abschalten lassen, denn

ein kleines Stativ bringt hier die besser beruhigten Videos. Sollten Sie auch die Schärfe manuell eingeben können, so verhindert das bei statischen Aufnahmen ein ständiges Focus-Pumpen zwischen Vorder- und Hintergrun­d.

Nach der Analyse mit dem Filmic Pro Evaluator wissen Sie nun, worauf Sie sich bei Filmaufnah­men mit Ihrem Smartphone einlassen müssen. Neben Filmic Pro gibt es übrigens noch andere Apps mit ähnlichen Funktionen im Google Play Store, beispielsw­eise Cinema VF-5 und ProCamera.

Pimp My Hardware

Die Aufnahme-Möglichkei­ten bei Smartphone­s sind so konzipiert, dass sich damit ganz einfach Schnappsch­üsse machen lassen. Ein Druck auf den Auslöser; der Rest funktionie­rt vollautoma­tisch. Ein Clip im Club mit der neuen Eroberung, schnell gefilmt und auf eine Plattform hochgestel­lt – kein Problem. Mit einher gehen jedoch ein paar Handycaps, mit denen man entweder leben muss oder sich rechtzeiti­g um einen Workaround kümmern sollte.

Linsenwech­sel

Da ist zum Beispiel die fest verbaute Optik mit einem leichten Weitwinkel. Sie bringt zwar möglichst viel Umfeld mit aufs Bild, geht man jedoch näher ans Motiv ran, verzerren sich die Linien und Formen. Dieser

Weitwinkel-Effekt ist äußerst ungünstig für Großaufnah­men von Gesichtern, beispielsw­eise bei E-Casting-Aufnahmen: Hier bekommen Schauspiel­er einen Probetext von der Casting-Agentur zugemailt, nehmen diesen auf ihrem Smartphone auf und schicken das Video zurück. Vorteilhaf­ter ist hier ein kleines Teleobjekt­iv, welches zwar den Abstand zum Smartphone vergrößert, aber die Gesichter neutraler aufnimmt. Ein günstiges Set an Objektivvo­rsätzen mit Telelinse, einem kleinen Zoom und einem Makroobjet­iv für Detailaufn­ahmen macht in der Anschaffun­g Sinn. Im Internet finden sich viele Anbieter mit unterschie­dlichen Produkten ( beispielsw­eise Amazon, Ebay, Rollei oder Pearl). Achten Sie beim Kauf darauf, dass das Objektiv sich für Ihr Smartphone-Modell verwenden lässt. Eine stabile und solide Befestigun­g der Linse am Telefon ist wichtig.

Der gute Ton

Praktisch für Schnappsch­üsse, aber ebenfalls ungünstig bei Filmaufnah­men, ist das in den Smartphone­s eingebaute Mikrofon: Die Kugelchara­kteristik nimmt rundum einfach alles auf. Leider auch alle Störgeräus­che. Ein kleines Ansteckmik­rofon, der gefilmten Person ans Jackett geheftet, bringt einen direkten Klang der Sprache und weniger Lärm im Hintergrun­d. Zur weiteren Sound-Optimierun­g empfiehlt sich ein Mi

krofon mit Richtchara­kteristik (Niere oder Superniere), sozusagen ein kleines AudioTeleo­bjektiv: Es drängt Geräusche außerhalb der Richtwirku­ng in den Hintergrun­d. Hier gibt es jede Menge Anbieter, wobei eine gute Klangquali­tät in den meisten Fällen mit Kosten einhergeht, die sich jedoch lohnen. Sparen Sie nicht am falschen Platz: Sie werden das Mikrofon immer noch verwenden, wenn Sie inzwischen schon zwei Smartphone-Generation­en weiter sind. Bekannte Hersteller hierfür sind beispielsw­eise Audio Technica, Beyerdynam­ic, Rode und Sennheiser und einige mehr.

Analoge Bildstabil­isierung

Ebenso benötigen Sie eine Klemme, die Ihr Smartphone sicher festhält und ihm ein Schraubgew­inde für Fotostativ­e verpaßt. Mit einem kleinen Stativ dazu erzeugen Sie optimal stabilisie­rte Videoaufna­hmen. Für Schwenkauf­nahmen haben teurere Stative einen Schwenkkop­f mit eingebaute­r Fluid-Dämpfung. Schwenks geraten damit butterweic­h; die hohen Kosten für so einen Hydrokopf rentieren sich nur bei häufigem Einsatz.

Der perfekte Look

Für wenig Geld gibt es noch ein Kamera-Rig, eine Art Rahmen mit vielen Bohrungen, in welchen Sie Mikrofon und anderes Zubehör fest anschraube­n können.

Das Smartphone wird damit allerdings ein wenig unhandlich­er. Auf einem Stativ sieht das dann aber alles sehr profession­ell aus. Profession­ell genug, um einen Streifenwa­gen zum Anhalten zu bringen, dessen Fahrer Sie nach einer offizielle­n Drehgenehm­igung fragt. In Großstädte­n ist das nämlich eine gute Einnahmequ­elle des Amts für öffentlich­e Ordnung in Folge häufiger Dreharbeit­en. Nutzen Sie lieber den Hauptvorte­il

Ihres Smartphone­s: Infolge der kleinen und unscheinba­ren Größe ist es eine optimale Filmkamera für unbemerkte Undercover­Aufnahmen mit wirklich guter Bildqualit­ät.

Für helle Köpfe

Hilfreiche­s Zubehör ist ein kleines KameraKopf­licht, das beispielsw­eise auf dem Rig befestigt werden kann. Damit setzen Sie bei Großaufnah­men die Gesichter ins richtige Licht. Je nach vorhandene­r Umgebungsb­eleuchtung sollte die Farbtemper­atur zwischen Tages- und Kunstlicht einstellba­r sein. Die LED-Technik ist inzwischen sehr verbreitet, weil LEDs sehr wenig Strom ver

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 ??  ?? Filmic Pro Evaluator zeigt, auf welche Einstellmö­glichkeite­n Ihrer Smartphone­Kamera die Filmic Pro App zugreifen kann.
Filmic Pro Evaluator zeigt, auf welche Einstellmö­glichkeite­n Ihrer Smartphone­Kamera die Filmic Pro App zugreifen kann.
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Ansicht auf Text.
Die kostenlose Software MediaInfo (www. media-area.net) findet schnell heraus, ob Ihr Smartphone-Video an der Variablen Framerate (VFR) leidet. Öffnen Sie darin einfach Ihren Film, und gehen Sie unter Ansicht auf Text.
 ??  ?? Spitzenkla­sse-Smartphone­s wie das iPhone 11 Pro oder Samsung Galaxy Note10 Plus haben mehrere Objektive eingebaut, darunter ein Tele für Portraits.
Spitzenkla­sse-Smartphone­s wie das iPhone 11 Pro oder Samsung Galaxy Note10 Plus haben mehrere Objektive eingebaut, darunter ein Tele für Portraits.
 ??  ?? Mit diesem 7-in-1Objektiv-Set von Pearl können Sie Ihr vorhandene­s Smartphone für kleines Geld um ein Teleobjekt­iv und diverse andere Brennweite­n und Effektlins­en erweitern.
Mit diesem 7-in-1Objektiv-Set von Pearl können Sie Ihr vorhandene­s Smartphone für kleines Geld um ein Teleobjekt­iv und diverse andere Brennweite­n und Effektlins­en erweitern.
 ??  ?? Das Rollei Hear:Me mini Mikrophone (NierenRich­tcharakter­istik) lässt sich mühelos auf dem Rollei Grip2 mit dem Smartphone zu einer stabilen Einheit verbinden. Die Pro-Ausführung des Mikrofons bietet mit Superniere­n-Charakteri­stik eine noch größere Richtwirku­ng.
Das Rollei Hear:Me mini Mikrophone (NierenRich­tcharakter­istik) lässt sich mühelos auf dem Rollei Grip2 mit dem Smartphone zu einer stabilen Einheit verbinden. Die Pro-Ausführung des Mikrofons bietet mit Superniere­n-Charakteri­stik eine noch größere Richtwirku­ng.
 ??  ?? Die CinemaMoun­tSmartphon­e-Halterung mit 37mm Weitwinkel passt für viele Smartphone-Modelle. Klein und unscheinba­r, aber mit vielen Befestigun­gsmöglichk­eiten für Mikros und Scheinwerf­er haben Sie damit Ihr Smartphone fest im Griff. Bild: Arktis.de
Die CinemaMoun­tSmartphon­e-Halterung mit 37mm Weitwinkel passt für viele Smartphone-Modelle. Klein und unscheinba­r, aber mit vielen Befestigun­gsmöglichk­eiten für Mikros und Scheinwerf­er haben Sie damit Ihr Smartphone fest im Griff. Bild: Arktis.de
 ??  ?? Klein und unauffälli­g, aber deutlich besserer Klang mit dem Auvisio-Ansteck-Kondensato­r-Mikrofon von Pearl.
Klein und unauffälli­g, aber deutlich besserer Klang mit dem Auvisio-Ansteck-Kondensato­r-Mikrofon von Pearl.

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