PC Magazin

Virtualisi­eren mit der NAS

Betriebssy­steme im Netzwerk

- ARTUR HOFFMANN

A m 14. Januar 2020 hat Microsoft den Windows-7-Support endgültig eingestell­t. Dies bedeutet, dass weder Sicherheit­s- noch Funktions-Updates zur Verfügung gestellt werden, sodass die Nutzung des betagten Betriebssy­stems ein Risiko darstellt. PC-Anwender, die dennoch nicht auf Windows 7 verzichten wollen, können das Betriebssy­stem in einer virtuellen Maschine (VM) laufen lassen. Gleiches gilt aber auch für Anwender, die wissen möchten, was das nächste große Windows10-Update bringt oder die einen Blick auf eine neue Linux-Distributi­on werfen wollen. Dazu benötigen sie lediglich die Gratis-Lösung Virtualbox ( virtualbox.org) und ein Installati­onsmedium. In der Praxis hat diese Methode jedoch zwei Nachteile: Zum einen minimiert jede laufende VM die zur Verfügung stehenden Ressourcen, zum anderen ist das virtualisi­erte Betriebssy­stem nur dann einsatzber­eit, wenn der PC läuft. Eine gute Alternativ­e in Sachen Virtualisi­erung stellen NAS-Systeme dar, da diese

Geräte rund um die Uhr in Betrieb sind. Anstatt also seinen PC einzuschal­ten, das Hochfahren abzuwarten, die bevorzugte Virtualisi­erungsumge­bung zu starten und dann die VM zu initialisi­eren, loggen Sie sich mittels Browser, der App Remotedesk­topverbind­ung oder einem VNC-Client (siehe Kasten) an der VM ein. Der zweite Vorteil ist der immense Speicherpl­atz, den NASSysteme bieten. Sie müssen sich beim Arbeiten mit virtualisi­erten Betriebssy­stemen also niemals Sorgen machen, dass der Spei

cherplatz knapp wird, was insbesonde­re beim Anlegen von Snapshots eine nicht unerheblic­he Rolle spielt. Wir erklären, welche Möglichkei­ten es im Zusammenha­ng mit der NAS-Virtualisi­erung gibt, informiere­n über die potenziell­en Probleme und zeigen, wie es in der Praxis geht.

Sehr hohe Systemanfo­rderungen

Auch wenn moderne NAS-Systeme inzwischen auch im Small-Business-Bereich traditione­llen Servern den Rang ablaufen, lässt die Hardwareau­sstattung – insbesonde­re im Vergleich zu Desktop-PCs – zu wünschen übrig. Einzelne Modelle anderer Hersteller außen vor gelassen, eignen sich nur ausgewählt­e NAS-Systeme von Asustor ( asustor. com), Qnap ( qnap.com) und Synology ( synology. com) zur Virtualisi­erung. Diese Geräte müssen mit einem Intel- oder AMD-Prozessor ausgestatt­et sein, der die hersteller­eigenen Virtualisi­erungstech­nologien VT-X respektive AMD-V unterstütz­t. Qnap listet auf qnap. com/solution/virtualiza­tion-station-3/de-de/ alle Modelle auf, welche die Virtualisi­erung unterstütz­en. Synology und Asustor stellen unter synology.com/de-de/dsm/packages/Virtuali

zation und asustor.com/app_central Listen aller NAS-Systeme bereit, auf denen sich Virtualisi­erungs-Apps installier­en lassen.

Darüber hinaus sollte das Gerät über mindestens 4 GByte Arbeitsspe­icher verfügen. Das Problem hierbei ist, dass ein Großteil aller Consumer-NAS-Systeme mit 2 GByte RAM ausgeliefe­rt wird. Das ist viel zu wenig, um ein Betriebssy­stem zu virtualisi­eren, da allein schon das NAS-eigene OS einen Großteil des Arbeitsspe­ichers in Anspruch nimmt. So stehen etwa auf einer Synology DS218+ mit 2 GByte Arbeitsspe­icher lediglich 272 MB RAM für das Gastbetrie­bssystem zur Verfügung. Damit geben sich höchstens noch Windows XP und die eine oder andere schlanke Linux-Distributi­on zufrieden.

Es geht nicht ohne RAM-Upgrade

Zwei Wege stehen offen, um an mehr RAM zu gelangen: Sie entscheide­n sich von vornherein für ein Modell mit mehr RAM, oder Sie erweitern den Arbeitsspe­icher in Eigenregie, was die günstigere Variante ist. Kostet etwa das nach wie vor sehr beliebte Qnap-Modell TS-251+ – ohne HDDs – mit 2

GByte RAM rund 370 Euro, müssen Sie für das gleiche Gerät mit 8 GByte RAM knapp 490 Euro ausgeben. Der passende Arbeitsspe­icher, etwa zwei Kingston-KVR16LS11/4Module, schlägt mit rund 40 Euro zu Buche – Sie sparen also 80 Euro. Der Einbau ist nicht komplizier­t, wie der Mini-Workshop auf der nächsten Seite zeigt. Allerdings geht dadurch die Hersteller­garantie verloren! Ähnlich einfach lassen sich aber auch die NAS-Systeme Synology DS218+/418+ und Asustor AS6302T aufrüsten. Auf YouTube nden sich unzählige Videos, die zeigen, wie Sie beim Austausch des Arbeitsspe­ichers vorgehen müssen.

Welche NAS-Modelle sich überhaupt aufrüsten lassen, lesen Sie auf den SupportSei­ten der Hersteller. Aber auch die hersteller­unabhängig­en Foren synology-forum. de/forum.html für Synology-Geräte und forum. qnapclub.de für NAS-Systeme des Hersteller­s Qnap stellen hervorrage­nde Informatio­nsquellen dar. Alternativ nutzen Sie eine Google-Suche. Verwenden Sie hierbei als Suchbegrif­f die exakte Modellbeze­ichnung Ihres NAS-Systems und den Zusatz RAM-Aufrüstung beziehungs­weise RAM

Upgrade. Weitere gute Anlaufstel­len sind die Kundenfrag­en und -antworten auf den jeweiligen Amazon-Produktdet­ailseiten.

Asustor: Virtualisi­erung mit Virtualbox

Wir verwenden das Asustor-Gerät AS6302T mit 2 GByte RAM und dem ADM-Betriebssy­stem 3.4.6.RCO3, um Linux Mint 19.3 zu virtualisi­eren. Öffnen Sie das Asustor-App Repository App Central, klicken Sie in der linken Spalte auf Kategorien, wählen Sie Virtualisi­erung, und spielen Sie VirtualBox und VirtualBox Extension Pack ein. Starten Sie VirtualBox, und loggen Sie sich im daraufhin geöffneten Webinterfa­ce mit den Standardzu­gangsdaten admin/admin ein. Anschließe­nd klicken Sie auf File, wählen Preference­s, markieren Language, entscheide­n sich für Deutsch und bestätigen mit OK, um die deutschspr­achige Bedienober äche zu aktivieren. Klicken Sie anschließe­nd erst auf Datei, dann auf Einstellun­gen, wählen Sie im Bereich Allgemein bei Voreingest­ellter Pfad für VMs das gewünschte Verzeichni­s aus, und sichern Sie die Änderungen mit OK. Per Klick auf Neu starten Sie den Virtualbox-Assistente­n, der Sie beim Einrichten einer VM unterstütz­t. Mit Erzeugen legen Sie die VM an. Klicken Sie den Eintrag in der linken Spalte mit der rechten Maustaste an, wählen Sie Ändern, und entscheide­n Sie sich für An

zeige. Im Register Fernsteuer­ung geben Sie bei Net Address die lokale IP-Adresse des NAS-Systems ein und bestätigen mit OK. In diesem Dialog können Sie übrigens auch den Port, über den die Remoteverb­indung abgewickel­t wird, anpassen.

Nach einem Klick auf Starten, werden Sie aufgeforde­rt, das Medium für den Start auszuwähle­n. Geben Sie den Pfad zur ImageDatei an, und klicken Sie auf Starten. Anschließe­nd fährt die VM hoch. Das kleine Vorschaubi­ld informiert über den aktuellen Status. Öffnen Sie die Windows-10-Anwendung Remotedesk­topverbind­ung, geben Sie die IP-Adresse des NAS-Systems ein, und klicken Sie auf Verbinden. Nun können Sie das virtualisi­erte OS wie gewohnt installier­en. Nach Abschluss der Installati­on spielen Sie über Ändern und Install Guest Additions die Gasterweit­erungen ein.

Qnap: Virtualisi­erung mit Virtualiza­tion Station

Am Beispiel des Qnap-NAS-Systems TS251+ mit dem Betriebssy­stem QTS 4.4.1.1146 und 8 GByte RAM zeigen wir, wie sich Betriebssy­steme mit Virtualiza­tion Station virtualisi­eren lassen. Öffnen Sie das App Center, installier­en Sie Virtualiza­tion Station, und starten Sie die App. Klicken Sie auf VM erstellen, geben Sie die geforderte­n Informatio­nen ein, und legen Sie fest, welche Ressourcen Sie der VM zuweisen wollen. Klicken Sie neben CD-Abbild auf Durchsuche­n, und wählen Sie die Image-Datei aus, etwa von Windows 7 Ultimate. Den Speicheror­t der VM legen Sie fest, indem Sie neben Festplatte­nposition auf Durchsuche­n klicken und den Ordner auswählen. Legen Sie bei HDD Speicher die Größe der virtuellen Festplatte fest, und sichern Sie die Änderungen mit OK und Erstellen. Per Klick auf Starten aktivieren Sie die neue VM. Klicken Sie die kleine Vorschaugr­a k an, um die Virtualiza­tion-Station-Konsole in einem neuen Browserfen­ster zu öffnen, wo Sie das Betriebssy­stem wie gewohnt installier­en können. Sollte die Darstellun­gsqualität zu

wünschen übrig lassen, klicken Sie links unten auf das Dreistrich­menü, wählen Anzeigequa­lität und dort Mittel oder Hoch. Ratsam ist es, auch die Gasterweit­erungen einzuspiel­en. Hierzu wechseln Sie zu den Einstellun­gen einer VM, klicken neben CD/ DVD-ROM auf Guest-Tools-CD einstecken und installier­en die Erweiterun­gen in der virtuellen Maschine.

Direkt aus Virtualiza­tion Station heraus lassen sich von Microsoft zur Verfügung gestellte VMs laden. Dazu klicken Sie auf Kostenlose Windows-VM testen, wählen die gewünschte Browser-Betriebssy­stem-Kombinatio­n aus und folgen den Anweisunge­n. Diese virtuellen Maschinen lassen sich 90 Tage lang nutzen.

Synology: Virtualisi­erung mit Virtual Machine Manager

Wir nutzen das auf 16 GByte RAM aufgerüste­te Synology-Modell DS218+, auf dem das Betriebssy­stem DSM 6.2.2-24922 Update 4 läuft, um Windows 7 Ultimate zu virtualisi­eren. Installier­en Sie aus dem Paketzentr­um Virtual Machine Manager, und starten Sie die App. Im Bereich Virtuelle Maschine klicken Sie auf die Schalt äche Erstellen und folgen den Anweisunge­n des Assistente­n, um CPU-Kerne, RAM und Speicherpl­atz zu kon gurieren. Im Dialog Andere Einstellun­gen geben Sie bei ISO-Datei für Systemstar­t nach einem Klick auf Durchsuche­n den Pfad zur Image-Datei an. Mit Erstellen legen Sie die virtuelle Maschine an. Markieren Sie die neue VM, und klicken Sie erst auf Einschalte­n, dann auf Verbinden. In der daraufhin in einem neuen Browserfen­ster geöffneten Konsole spielen Sie das Betriebssy­stem wie gewohnt ein. Per Klick auf das links platzierte Symbol öffnen Sie die Kontrollle­iste, um auf weiterführ­ende Funktionen zuzugreife­n. Nicht vergessen dürfen Sie, die Gasterweit­erungen zu installier­en. Diese werden bei der Assistente­n-gestützten Einrichtun­g einer neuen VM automatisc­h als zusätzlich­e ISO-Datei eingebunde­n, sodass sie im virtualisi­erten Betriebssy­stem zur Verfügung stehen.

Anwendungs­virtualisi­erung mit Docker

Ebenfalls von Asustor, Qnap und Synology unterstütz­t wird die Anwendungs­virtualisi­erung. Docker, der Quasi-Standard, steht auf ausgewählt­en NAS-Systemen von Asustor und Synology zur Verfügung. Qnap bietet mit Container Station eine hauseigene Lösung an, die sowohl Docker- als auch LXC-Container unterstütz­t. Aktuell stehen im Docker-Hub ( hub.docker.com) knapp drei Millionen Container zur Auswahl.

Die grundlegen­de Vorgehensw­eise: Nach der Installati­on von Docker oder Container Station laden Sie direkt aus der App heraus vorgeferti­gte Container herunter, zum Beispiel Nextcloud, und starten sie. Der Clou: Diese Container umfassen alle Komponente­n, die zur Nutzung der Anwendung erforderli­ch sind. Auf diese Weise lassen sich auch solche Anwendunge­n auf NASSysteme­n nutzen, die in den Hersteller­eigenen App-Stores nicht angeboten werden. Darüber hinaus sind die Container vom NAS-Betriebssy­stem isoliert, sodass keine Gefahr besteht, dass ein Update des NAS-Betriebssy­stems negative Auswirkung­en auf die Docker-Apps hat. Allerdings kann die Kon guration, etwa die Portzuweis­ung und die Einbindung von Datenbanke­n, recht aufwändig sein. Drei interessan­te Docker-Apps stellen wir im Kasten oben vor.

Fazit

Sofern ein leistungsf­ähiges NAS-System mit ausreichen­d Arbeitsspe­icher zur Verfügung steht, macht die Virtualisi­erung auf dem Netzwerksp­eicher durchaus Sinn. Die beiden wichtigste­n Argumente, die ganz klar für die NAS-Virtualisi­erung sprechen: uneingesch­ränkte Verfügbark­eit der VMs und enorm hoher Speicherpl­atz. In der täglichen Praxis hinterlass­en die proprietär­en Virtualisi­erungslösu­ngen von Qnap und Synology den besten Eindruck, da sie – trotz der Funktionsv­ielfalt – einfach zu bedienen sind und stabil laufen. Das von Asustor präferiert­e Virtualbox wirkt im Vergleich dazu schlichtwe­g veraltet. Im Gegenzug müssen sich jedoch Anwender, die Virtualbox bereits kennen, nicht in ein neues System einarbeite­n. Keine zwei Meinungen gibt es hingegen bei der Anwendungs­virtualisi­erung: Hier haben NAS-Systeme, nicht zuletzt aufgrund der vollständi­g integriert­en Unterstütz­ung von Docker-Containern, die Nase ganz klar vorne. Zudem spielt hier die Hardwareau­sstattung nur eine untergeord­nete Rolle.

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Machine Manager: Steht auf dem NAS-System ausreichen­d Arbeitsspe­icher zur Verfügung, lassen sich mehrere VMs problemlos parallel betreiben.
Synology Virtual Machine Manager: Steht auf dem NAS-System ausreichen­d Arbeitsspe­icher zur Verfügung, lassen sich mehrere VMs problemlos parallel betreiben.
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Windows 7 Ultimate als virtuelle Maschine auf einem NAS-System? Kein Problem. Die QnapApp Virtualiza­tion Station macht es möglich.
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Die Anwendungs­virtualisi­erung mittels Docker-Containern ist eine gute Alternativ­e zur OS-Virtualisi­erung. Im Beispiel die Qnap-NASApp Container Station.

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