KI im Handwerk
Für Brauer, Tischler oder Weber
Das Handwerk scheint die letzte Bastion gegen Roboter zu sein. Hier wird noch richtig körperlich gearbeitet. Doch die digitalen Assistenten stehen schon vor der Werkstatttür. Dabei geht es weniger um Roboter, die Schrankwände montieren. Software-Entwickler und Handwerker haben kreative Wege gefunden, Techniken des Maschinellen Lernens (ML) zu nutzen.
Der Roboter im Büro
Für viele Branchen gibt es inzwischen Systeme, die flexibel Rechnungen, Belege und andere Korrespondenz erkennen, kategorisieren und bearbeiten können. Chatbots übernehmen im Web Support-Anfragen oder stellen Produkte vor. Auch Handwerksbetriebe nutzen solche KI-Anwendungen. Doch es gibt auch Systeme, die speziell für das Handwerk gemacht wurden.
Gesünder arbeiten mit KI
Weniger um das Produkt als um den Handwerker selbst kümmert sich ein KIAssistent, der am August-Wilhelm Scheer
Ins-titut in Saarbrücken ( www.aws-institut. de/) entwickelt wird. Ziel ist es, über Sensoren in Arbeitskleidung und Schuhen sowie über Smartwatches einseitige Belastungen und Überanstrengung zu erkennen und den Handwerker zu warnen. Ein Assistent macht zusätzlich Vorschläge für die Arbeitsaufteilung, sodass stark beanspruchte Mitarbeiter entlastet werden können.
Wissen klug speichern
Jeder erfahrene Handwerker hat seine Tricks und Techniken, die er im Laufe des Lebens gelernt hat. Geht er in Rente, nimmt er dieses Wissen einfach mit, sodass es
für die jüngeren Kollegen verloren ist. Am Kompetenzzentrum in Kaiserslautern ( https://kompetenzzentrumkaiserslautern.digital/) entsteht jetzt ein WissensmanagementSystem, das auch Techniken der künstlichen Intelligenz nutzt.
In Zusammenarbeit mit einer Tischlerei werden zuerst alle Arbeiten erfasst, die in einer Werkstatt anfallen. In einem zweiten Schritt entstehen Videos, die erfahrene Tischler bei der Erledigung dieser Arbeiten zeigen. Ein KI-System wertet schließlich diese Videos aus und erfasst das darin gespeicherte Wissen in Schlagworten. Über eine Suchmaschine können Lehrlinge in der Datenbank recherchieren und die für sie wichtigen Techniken in den Videos ansehen und lernen – selbstständig und ohne Hilfe des Meisters.
Produkte intelligent an die Wünsche der Kunden anpassen
Ein Blick über den Zaun zeigt eine weitere Anwendung von KI: intelligente Anpassung an Kundenwünsche. Microsoft Indien berichtet von einem Problem indischer Weber. Laut einer Umfrage fand ein großer Teil ihrer Kunden die traditionellen Muster der Ikat- Weberei zu langweilig. Ein KI-System, das an 1000 Bildern des Künstlers Piet Mondrian trainiert wurde, entwickelte für die Weber neue Farbschemata, nach denen sie die Garne für ihre Textilprodukte färben konnten. Das Resultat waren moderne Muster, die sich mit traditionellen Techniken herstellen ließen.
Neue Geschäftsmodelle für Braumeister: Bei IntelligentX ( https://join.intelligentx.ai/) aus Großbritannien kann man Bier beziehen, das nach dem Geschmack des Kunden gebraut wurde. Das funktioniert so: Der Konsument bekommt jeden Monat einen Karton Bier geliefert. In einer App bewertet er die Biersorten in seinem Karton. Die KI berücksichtigt die Herstellungsbedingungen der Biere und das Echo der Kunden. Danach gruppiert sie die Kunden in einzelne Zielgruppen, für welche die beauftragten Brauereien ein neues, zum Feedback geschmacklich passendes Bier brauen. Das bekommen die Kunden im nächsten Monat zu kosten und der Zirkel startet aufs Neue.
Ein Auge auf die Heizung
Das Start-up Ener-IQ ( https://eneriq.com) will etwas gegen schlecht funktionierende Heizanlagen unternehmen. Die Unternehmer entwickeln eine Software, die über eine Reihe von Sensoren in der jeweiligen Heizanlage Fehleinstellungen des Systems erkennen kann. Das erhöht den Energieverbrauch und sorge für unnötige Reparaturen. Sind die Konfigurationsfehler beseitigt, erarbeitet das System auf die jeweilige Anlage abgestimmte Vorschläge zur Energieeinsparung. Weitere Algorithmen versuchen, drohende Defekte und Ausfälle vorherzusagen. Zusätzlich soll das System Fehler diagnostizieren und dem Handwerker zum
Beispiel sagen, welche Teile der Anlage auszuwechseln sind.
Die Roboter kommen
Natürlich gibt es auch Roboter, die den Handwerker bei seiner Arbeit unterstützen. Für das Bauwesen gedacht ist HRP-5P der japanischen Firma Aist. Er kann nicht nur schwere Gegenstände tragen; er soll auch geschickt genug sein, eine Bauplatte vorsichtig von einem Stapel herunterzuheben. Zusätzlich kann er mit einer in der Hand eingebauten Kamera Werkzeuge erkennen und mit ihnen einfache Arbeiten ausführen. Als Beispiel zeigt Aist, wie der Roboter Platten auf ein Gerüst nagelt. Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) ( https://web.mit.edu/) entwickelten Studenten AutoSaw, ein System kleiner Roboter, die nach einer digitalen Vorlage Holzstücke für Möbel zuschneiden. Integriert in das System ist eine Software, die erklärt, wie die Möbelstücke montiert werden. Maschinen in einer Tischlerei können das genauso. Wozu also AutoSaw? Der Clou ist, dass man mit dem System dieselben Funktionen wie in der Werkstatt vor Ort, also beim Kunden, bekommt. Werkzeuge und Roboter sind klein und können leicht in einem Lieferwagen transportiert werden.
Ein weiteres Beispiel, näher an der Praxis, ist der Gerüstroboter Liftbot von Kewazo ( www.kewazo.com/de). Das Münchner Startup entwickelte eine Maschine, die beim Bau eines Gerüsts erkennen kann, welches Teil an welche Stelle geliefert werden muss. Gleichzeitig erfasst der Roboter das verbaute Material und dessen Gewicht und liefert so wichtige Daten zur Optimierung von Gerüstbauprojekten. Sollten diese Assistenten und die im Beitrag gezeigten anderen Beispiele in größerem Maßstab zum Einsatz kommen, wird sich das Berufsbild des Handwerkers entscheidend verändern.