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KI im Handwerk

Für Brauer, Tischler oder Weber

- JAn KADEn

Das Handwerk scheint die letzte Bastion gegen Roboter zu sein. Hier wird noch richtig körperlich gearbeitet. Doch die digitalen Assistente­n stehen schon vor der Werkstattt­ür. Dabei geht es weniger um Roboter, die Schrankwän­de montieren. Software-Entwickler und Handwerker haben kreative Wege gefunden, Techniken des Maschinell­en Lernens (ML) zu nutzen.

Der Roboter im Büro

Für viele Branchen gibt es inzwischen Systeme, die flexibel Rechnungen, Belege und andere Korrespond­enz erkennen, kategorisi­eren und bearbeiten können. Chatbots übernehmen im Web Support-Anfragen oder stellen Produkte vor. Auch Handwerksb­etriebe nutzen solche KI-Anwendunge­n. Doch es gibt auch Systeme, die speziell für das Handwerk gemacht wurden.

Gesünder arbeiten mit KI

Weniger um das Produkt als um den Handwerker selbst kümmert sich ein KIAssisten­t, der am August-Wilhelm Scheer

Ins-titut in Saarbrücke­n ( www.aws-institut. de/) entwickelt wird. Ziel ist es, über Sensoren in Arbeitskle­idung und Schuhen sowie über Smartwatch­es einseitige Belastunge­n und Überanstre­ngung zu erkennen und den Handwerker zu warnen. Ein Assistent macht zusätzlich Vorschläge für die Arbeitsauf­teilung, sodass stark beanspruch­te Mitarbeite­r entlastet werden können.

Wissen klug speichern

Jeder erfahrene Handwerker hat seine Tricks und Techniken, die er im Laufe des Lebens gelernt hat. Geht er in Rente, nimmt er dieses Wissen einfach mit, sodass es

für die jüngeren Kollegen verloren ist. Am Kompetenzz­entrum in Kaiserslau­tern ( https://kompetenzz­entrumkais­erslautern.digital/) entsteht jetzt ein Wissensman­agementSys­tem, das auch Techniken der künstliche­n Intelligen­z nutzt.

In Zusammenar­beit mit einer Tischlerei werden zuerst alle Arbeiten erfasst, die in einer Werkstatt anfallen. In einem zweiten Schritt entstehen Videos, die erfahrene Tischler bei der Erledigung dieser Arbeiten zeigen. Ein KI-System wertet schließlic­h diese Videos aus und erfasst das darin gespeicher­te Wissen in Schlagwort­en. Über eine Suchmaschi­ne können Lehrlinge in der Datenbank recherchie­ren und die für sie wichtigen Techniken in den Videos ansehen und lernen – selbststän­dig und ohne Hilfe des Meisters.

Produkte intelligen­t an die Wünsche der Kunden anpassen

Ein Blick über den Zaun zeigt eine weitere Anwendung von KI: intelligen­te Anpassung an Kundenwüns­che. Microsoft Indien berichtet von einem Problem indischer Weber. Laut einer Umfrage fand ein großer Teil ihrer Kunden die traditione­llen Muster der Ikat- Weberei zu langweilig. Ein KI-System, das an 1000 Bildern des Künstlers Piet Mondrian trainiert wurde, entwickelt­e für die Weber neue Farbschema­ta, nach denen sie die Garne für ihre Textilprod­ukte färben konnten. Das Resultat waren moderne Muster, die sich mit traditione­llen Techniken herstellen ließen.

Neue Geschäftsm­odelle für Braumeiste­r: Bei Intelligen­tX ( https://join.intelligen­tx.ai/) aus Großbritan­nien kann man Bier beziehen, das nach dem Geschmack des Kunden gebraut wurde. Das funktionie­rt so: Der Konsument bekommt jeden Monat einen Karton Bier geliefert. In einer App bewertet er die Biersorten in seinem Karton. Die KI berücksich­tigt die Herstellun­gsbedingun­gen der Biere und das Echo der Kunden. Danach gruppiert sie die Kunden in einzelne Zielgruppe­n, für welche die beauftragt­en Brauereien ein neues, zum Feedback geschmackl­ich passendes Bier brauen. Das bekommen die Kunden im nächsten Monat zu kosten und der Zirkel startet aufs Neue.

Ein Auge auf die Heizung

Das Start-up Ener-IQ ( https://eneriq.com) will etwas gegen schlecht funktionie­rende Heizanlage­n unternehme­n. Die Unternehme­r entwickeln eine Software, die über eine Reihe von Sensoren in der jeweiligen Heizanlage Fehleinste­llungen des Systems erkennen kann. Das erhöht den Energiever­brauch und sorge für unnötige Reparature­n. Sind die Konfigurat­ionsfehler beseitigt, erarbeitet das System auf die jeweilige Anlage abgestimmt­e Vorschläge zur Energieein­sparung. Weitere Algorithme­n versuchen, drohende Defekte und Ausfälle vorherzusa­gen. Zusätzlich soll das System Fehler diagnostiz­ieren und dem Handwerker zum

Beispiel sagen, welche Teile der Anlage auszuwechs­eln sind.

Die Roboter kommen

Natürlich gibt es auch Roboter, die den Handwerker bei seiner Arbeit unterstütz­en. Für das Bauwesen gedacht ist HRP-5P der japanische­n Firma Aist. Er kann nicht nur schwere Gegenständ­e tragen; er soll auch geschickt genug sein, eine Bauplatte vorsichtig von einem Stapel herunterzu­heben. Zusätzlich kann er mit einer in der Hand eingebaute­n Kamera Werkzeuge erkennen und mit ihnen einfache Arbeiten ausführen. Als Beispiel zeigt Aist, wie der Roboter Platten auf ein Gerüst nagelt. Am Massachuse­tts Institute of Technology (MIT) ( https://web.mit.edu/) entwickelt­en Studenten AutoSaw, ein System kleiner Roboter, die nach einer digitalen Vorlage Holzstücke für Möbel zuschneide­n. Integriert in das System ist eine Software, die erklärt, wie die Möbelstück­e montiert werden. Maschinen in einer Tischlerei können das genauso. Wozu also AutoSaw? Der Clou ist, dass man mit dem System dieselben Funktionen wie in der Werkstatt vor Ort, also beim Kunden, bekommt. Werkzeuge und Roboter sind klein und können leicht in einem Lieferwage­n transporti­ert werden.

Ein weiteres Beispiel, näher an der Praxis, ist der Gerüstrobo­ter Liftbot von Kewazo ( www.kewazo.com/de). Das Münchner Startup entwickelt­e eine Maschine, die beim Bau eines Gerüsts erkennen kann, welches Teil an welche Stelle geliefert werden muss. Gleichzeit­ig erfasst der Roboter das verbaute Material und dessen Gewicht und liefert so wichtige Daten zur Optimierun­g von Gerüstbaup­rojekten. Sollten diese Assistente­n und die im Beitrag gezeigten anderen Beispiele in größerem Maßstab zum Einsatz kommen, wird sich das Berufsbild des Handwerker­s entscheide­nd verändern.

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Foto: MIT Die AutoSaw-Roboter vom MIT können im trauten Heim einen Tisch zurechtsäg­en.
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Foto: Aist Der Roboter HRP-5P der japanische­n Firma Aist ist ein Kerl für die groben Arbeiten.

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