PC Magazin

Virenschut­zprogramme

Die Corona-Pandemie eröffnet Cyberkrimi­nellen eine Vielzahl an neuen Angriffsmö­glichkeite­n. Eine gute Sicherheit­s-Software schützt davor.

- WOLF HOSBACH

Der Betreff der Mail lautet: „ COVID-19 Solidarity Response Fund for WHO – DONATE NOW“. Bitte spenden Sie! Die Bedrohung ist groß, jeder ist betroffen, viel Geld muss in Bekämpfung und Folgen der Pandemie gesteckt werden. Die World Health Organisati­on ( WHO) koordinier­t diesen Kampf, hat einen Solidary Response Fund aufgelegt und sammelt Geld. Bitte zahlen Sie per Bitcoin. – Bis auf das Stichwort Bitcoin stimmt alles: Es gibt diesen Fond, er sammelt Spenden, aber eben nicht anonym per digitaler Währung. Das Konto, auf das die Empfänger der Spam-Mail einzahlen sollen, gehört einem Betrüger.

Wie viele Menschen wirklich darauf hereingefa­llen sind, ist leider nicht bekannt, denn viele merken den Betrug nicht einmal oder melden sich nicht bei der Polizei. Einige tun es jedoch, und dementspre­chend warnen die Behörden vor steigenden Cyberbetru­g mit Corona-Bezug. „Die Coronaviru­s-Pandemie hat viele Aspekte unseres normalen Lebens verlangsam­t. Aber unglücklic­herweise hat sie die kriminelle Online-Aktivität beschleuni­gt“, stellt die zuständige EUInnenkom­missarin Ylva Johansson fest. Auch der Europol Cybercrime-Bericht 2020 fokussiert das Thema: „Kriminelle haben die Pandemie schnell ausgenutzt, um verwundbar­e Menschen anzugreife­n; Phishing, Online-Betrug und die Verbreitun­g von Fake News …“Dabei werden keine neuen Betrugsmas­chen angewandt, aber die gängigen mit Corona-Themen neu ausgericht­et. Beispiele sind Fake-Shops, die günstige

Desinfekti­onsmittel anbieten oder Webseiten für Soforthilf­en für Selbststän­dige. Hier verliert das Opfer Geld oder Informatio­nen, ohne eine Gegenleist­ung zu bekommen. Konkrete Zahlen nennt Kaspersky: In der ersten Märzwoche dieses Jahres gab einen Anstieg auf eine Million Cyberangri­ffe mit Covid-19-Bezug pro Tag.

Homeof ce im Fokus

Sehr stark zugenommen haben infolge dessen Angriffe auf das Homeof ce. Das Bundeskrim­inalamt (BKA) meldet in seiner Sonderausw­ertung Cybercrime in Zeiten der Corona-Pandemie 127 Prozent mehr Angriffe auf das Remote-Desktop-Protokoll (RDP) von Windows als im Vorjahr. RDP dient der Fernsteuer­ung und war schon öfter ein Einfallsto­r für Trojaner. Auch die Analysten von Eset berichten von einer deutlichen Zunahme an RDP-Attacken (siehe Gra k links). Außerdem warnt der BKABericht vor gefälschte­n bzw. manipulier­ten Zoom-Versionen, die von Betrügern zur Spionage oder einfach nur zum Erzeugen von Bitcoins missbrauch­t werden.

Falscher Alarm!

Viele Gründe, sich die aktuellen Anti-VirenProgr­amme näher anzusehen. Dabei arbeiten wir auch in diesem Jahr wieder mit dem Labor AV Comparativ­es aus Innsbruck zusammen, das die Schutzprog­ramme fortlaufen­d analysiert. Wir greifen dabei auf die Ergebnisse des gesamten laufenden Jahres zurück; es handelt sich also um deutlich mehr als eine Stichprobe.

In den letzten Jahren stellten wir fest, dass sich die eigentlich­e Virenerken­nung bei allen Programmen gleichblei­bend auf hohem Niveau bewegt. Das heißt konkret, die Programme übersehen Viren in den beiden wichtigste­n Tests von AV Comparativ­es nur im Promille-Bereich. Der Live-Test ( RealWorld-Test) simuliert eine echte Surf- und Arbeitsumg­ebung, in der das getestete AVProgramm immer wieder auf Schädlinge stößt. Die Tester beobachten, wie das Programm reagiert: Schützt es den Anwender? Kann es das Virus besiegen? Der schlechtes­te Wert liegt hier bei 98,7 Prozent (McAfee) der beste bei 100 Prozent (F-Secure und Trend Micro).

Beim Malware-Protection-Test sind Viren im Dateisyste­m versteckt, und die Tester beobachten, was passiert, wenn solch ein Virus plötzlich ausgeführt wird. Hier schaffen alle Programme hundert Prozent Erkennungs­rate, bis auf Trend Micro mit 98,7 Prozent. Echte Unterschie­de gibt es bei den Fehlalarme­n (False Positives). Jede Virenerken­nung lässt sich verbessern, wenn der Hersteller sie einfach strenger einstellt. Dann gibt es aber mehr falsche Meldungen, bei denen das Sicherheit­sprogramm gutartige Dateien sperrt. Das senkt zwar nicht direkt das Sicherheit­sniveau, aber es ist lästig. Gute Schutzprog­ramme schaffen lobenswert­e Erkennungs­raten bei wenigen Fehlalarme­n, etwa Eset mit nur fünf Stück über alle Testläufe. Insofern schafft Eset den Sieg im Hinblick auf die Sicherheit.

Gute Performanc­e gefragt

Zur Bewertung: Wir haben dieses Mal zwei Aspekte deutlicher in den Vordergrun­d gerückt: Bedienung und Performanc­e (wobei die Sicherheit immer noch die Hälfte aller zu erreichend­er Punkte ausmacht). Die Rennsemmel ist eindeutig McAfee mit 30,3 Punkten, aber knapp gefolgt von Kaspersky mit 28,6 Punkten. Dieser Wert war letztendli­ch entscheide­nd für den Gesamtsieg von Kaspersky und den guten dritten Platz für McAfee. Am hinteren Ende bei der Performanc­e liegen Trend Micro und G Data.

Bei der Bedienung warfen wir einen Blick auf die Ober äche: Ist sie aus einem Guss, und sind die Funktionen verständli­ch zu erreichen? Nicht so gut gefallen hat uns, wenn eine neue, schicke Ober äche eine ältere überlagert und es so zu Unstimmigk­eiten in der Optik und leider auch der Logik bei der Nutzerführ­ung kommt. Das war zum Beispiel bei Norton, G Data oder Avira zu beobachten. Eine sehr schöne Ober äche hat im Prinzip Avast, nur leider nervt sie mit Eigenwerbu­ng. Wenn ich mit einem Kangoo unterwegs bin, will ich nicht dauernd hören: „Mit einem Porsche hätten Sie diesen LKW jetzt aber überholt!“.

Gut gefallen haben uns beispielsw­eise die detailreic­hen Einstellmö­glichkeite­n bei Eset oder die guten Erklärunge­n zu den Einstellmö­glichkeite­n bei Norton. Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Bedienung betrifft die Kommunikat­ion mit dem Anwender im Falle eines Angriffs. Der Anwender will hören: Was ist genau passiert? Was hat das Schutzprog­ramm gemacht? Bin ich sicher? Hier gibt es erhebliche Unterschie­de. Kaspersky meldet lapidar: „Das Objekt wurde gelöscht. Datei xyz“. Ja, und jetzt? War das ein Virus? Was heißt hier „Objekt“? Auch FSecure lässt uns im Regen stehen: „Schädliche Datei blockiert! … Ihr Computer wird auf weitere Bedrohunge­n gescannt.“Das ist löblich, aber der Anwender erfährt nie, wie der weitere Scan dann ausgeht.

Die Meldung von G Data ist zwar insgesamt aussagekrä­ftig, überlässt aber die Wahl der Aktion dem Anwender. Besser nden wir es, wenn das Sicherheit­sprogramm den Virus zuerst in Quarantäne schickt, das auch vermeldet und es dem Anwender überlässt – wenn er denn wirklich will – die Datei wieder aus der Quarantäne zu zerren. Das schlechtes­te Beispiel liefert aber McAfee: links ein grüner Haken „Sicher“, rechts ein rotes Warndreiec­k „Starten Sie den PC neu … damit wir die Bedrohung entfernen können.“Solange die Bedrohung nicht entfernt wurde, ist „Sicher“nur der fromme Wunsch des Hersteller­s (siehe Bild links).

Eine klare Kommunikat­ion betreiben Eset, Trend Micro und besonders Avast: ein großer grüner Haken, dann „Bedrohung gesichert. Wir haben xyz in Ihren Virus-Container verschoben, da es mit abc in ziert war.“Das ist alles, was ich erstmal wissen muss.

Verbessert­er Schutz mit KI

Alle Anbieter setzen bei ihren Sicherheit­sSuiten verstärkt Komponente­n mit künstliche­r Intelligen­z (KI) zur Virenerken­nung ein. Das ist auch naheliegen­d, denn die großen Datenmenge­n an bekannten guten und bösen Dateien bilden die ideale Voraussetz­ung für KI: Big Data. Forscher von Avira sprechen von etwa 200 Millionen Dateien mit jeweils 8.000 Merkmalen. Aufgrund der stark strukturie­rten Daten kommen als KI-Algorithme­n weniger die neuronalen Netze zum Einsatz, als vielmehr Verfahren wie Entscheidu­ngsbäume (bzw. Random Trees). Auch die Bösewichte haben KI für sich entdeckt und optimieren z.B. Dateien oder URLs so, dass sie eben nicht erkannt werden. Der Trojaner Emotet nutzt KI, um zu analysiere­n, ob er unter Beobachtun­g in einer virtuellen Umgebung läuft. Dann schaltet er sich ab. Im Gegensatz zur Corona-Seuche, die eben nicht von irgendjema­nd intelligen­t vorangetri­eben wird und daher hoffentlic­h bald von menschlich­er Intelligen­z besiegt ist, wird die Computervi­ren-Seuche ein stetes Hase- und Igelspiel bleiben – auch mit und trotz KI.

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 ??  ?? Der Eset-Netzwerk-Scan zeigt alle Geräte, die im Heimnetz angemeldet sind oder waren.
Der Eset-Netzwerk-Scan zeigt alle Geräte, die im Heimnetz angemeldet sind oder waren.
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Nach der Installati­on scannt Avira den PC und liefert einen ausführlic­hen Sicherheit­sbericht.
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Das Innsbrucke­r Testlabor AV Comparativ­es überprüft und bewertet Sicherheit­s-Software.
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Gut kommunizie­rt: Der Anwender bekommt eine klare Aussage: Er ist sicher und erfährt gleichzeit­ig genau, was passiert ist.
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Schlecht kommunizie­rt: McAfee klärt nicht, ob der PC nun sicher ist oder nicht.

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