Kabellos laden
Das Handy einfach ablegen – und schon füllt sich der Akku. Geht das?
SMARTPHONES UND TABLETS benötigen ständig Energie – zum Surfen, Streamen oder auch nur, um die Verbindung zum Netz zu halten. Oft ist der Akku am Ende des Tages leer. Dann geht die Sucherei los – erst nach dem Kabel, dann nach der nächsten Steckdose. Kabellose Ladelösungen sollen von diesem Stress befreien. Sie versprechen ein ständig aufgeladenes Mobilgerät, das immer dann seinen Akku füllt, wenn es gerade nicht gebraucht wird – einfach, indem es auf dem Tisch oder im Auto liegt. Was Sie dazu benötigen, ist entweder ein geeignetes Mobilgerät oder eine Hülle, um das Handy fit fürs kabellose Laden zu machen, und natürlich eine Ladestation. Was so einfach klingt, ist in der Praxis komplizierter. Denn bisher verwirrten unterschiedliche Spezifikationen, so dass sich kabelloses Laden nicht durchsetzen konnte. Darunter ist Qi der WPC (Wireless Power Consortium) die wohl bekannteste Technik. Sie nutzt elektromagnetische Induktion. Anfang dieses Jahres haben sich zwei weitere Vertreter zusammengetan: PMA (Power Matters Alliance) mit Power 2.0 und A4WP (Alliance for Wireless Power) mit Rezence. Letzteres beruht auf Magnetresonanz. Damit sind nur noch zwei Spezifikationen übrig. Das bringt Bewegung ins kabellose Laden und macht es für den Verbraucher einfacher. Zu den Unterstützern von Qi zählen Nokia, Sony, LG, Qualcomm. Rezence treiben etwa Intel, Dell, oder Procter & Gamble voran. Samsung ist Mitglied in beiden Initiativen. Apple dagegen unterstützt offiziell keinen der beiden Vorstöße. Allerdings gibt es derzeit Gerüchte, dass die Apple Watch mit Qi kompatibel sein soll.
Qi versus Rezence
Beide Techniken benötigen einen Sender im Ladegerät und einen Empfänger, der im Mobilgerät sitzt. Die Transmitterspule im Ladegerät baut ein Magnetfeld auf, das Spannung in der Empfängerspule erzeugt und das Mobilgerät auflädt. Bei Qi müssen die Geräte dafür unmittelbar übereinander liegen. Rezence funktioniert dagegen über weitere Distanzen und lässt sich auch durch Metalle nicht stören. So lässt sich die Technik einfacher in Räumen oder Gegenständen integrieren. Auch in der übertragenen Leistung gibt es Unterschiede: Qi schafft derzeit fünf Watt und soll sich auf maximal 15 Watt steigern lassen, Rezence soll in der finalen Fassung mehr als 50 Watt liefern. Damit können sich dann auch größere Geräte wie Tablets und Notebooks aufladen lassen – im besten Fall sogar gleich- zeitig. Denn Rezence soll mit einem Charger unterschiedliche Mobilgeräte erkennen und die Übertragungsleistung individuell anpassen.
Wege zum kabellosen Strom
Bevor Sie Ihr Mobilgerät kabellos laden können, müssen Sie wissen, ob und welche Spezifikation es unterstützt. Nähere Angaben dazu sollten Sie eigentlich in den technischen Daten zu Ihrem Modell finden. Allerdings zeigt unsere Stichprobe, dass sich die Hersteller hier mit Details zurückhalten. So sollen etwa Samsungs aktuelle Top-Handys Galaxy S6 und Galaxy S6 Edge alle gängigen Module mitbringen. Im Handbuch finden sich dazu jedoch keine Details. Sicher ist, dass die beiden Modelle Qi unterstützen – die derzeit führende Lademethode bei Smartphones. Ebenfalls Qi-fähig sind etwa die Microsoft/Nokia-Modelle Lumia 735, 830, 920, und 930 oder die Nexus-Geräte 4, 5, 6 oder LGs G2 und G3. In diesen Fällen aktivieren Sie in den Geräteeinstellungen das drahtlose Laden, legen das Smartphone auf die Ladestation und können es kabellos auftanken. Dabei sind Sie nicht ans Zubehör vom jeweiligen Hersteller gebunden, sondern haben die freie Auswahl, so lange die Geräte sich an Qi als Spezifikation halten.
Meist wird Ihr Smartphone aber nicht auf das kabellose Laden vorbereitet sein, weil ihm die Empfängerspule fehlt. Dann können Sie es mit speziellen Ladeschalen oder Smartcovern nachrüsten. Seit Kurzem macht Ikea mit einer ganzen Qi-Serie mit Ladelampen und Ladepads von sich reden. Die passenden Cover gibt es als Vitahult-Reihe ab 15 Euro extra dazu. Die Hüllen decken allerdings nur bestimmte Modelle wie Samsungs Galaxy S4 und S5 oder Apples iPhones ab dem Modell 5 ab. Alternativ ersetzen Sie die Rückwand Ihres Smartphones durch eine Qi-fähige Alternative. Oft finden Sie das Backcover im Set mit Ladestation wie etwa das Samsung EP-WG900 für das Galaxy S5 für rund 55 Euro. Vereinzelt lässt sich der Qi-Empfänger allein nachrüsten. Für das Samsung Galaxy Alpha und einige NoteModelle bietet etwa Fonesalesman ReceiverKarten an, die sich direkt auf dem Akku anbringen lassen. Das Zubehör der Reihe Slimpwrcard startet bei 15 Euro. Da sich das Gehäuse des Apple iPhone nicht öffnen lässt, gibt es dafür einen Qi-Empfänger mit Stromanschluss, der in den Lightning-Port gesteckt wird. Der Fonesalesman iQi Mobile passt zu allen iPhones ab dem Modell 5 und kommt auf rund 19 Euro. Verstecken lässt sich das Kärtchen am besten unter einem dünnen Softcover. Harte Hüllen passen mit Karte entweder nicht genau oder werden zu dick, so dass die Übertragung nicht funktioniert. Die Ladestationen selbst gibt es als Standvorrichtung, Pads oder Kissen wie etwa Nokias Fatboy, das gut 40 Euro kostet und auf die Lumia-Modelle abgestimmt ist. Für unterwegs gedacht sind aufladbare Pads, die auf Reisen ohne Kabel auskommen – etwa das Qistone+ von Fonesalesman für rund 46 Euro.
Kabelloses Laden in der Praxis
Ladestationen mit Rezence suchten wir bislang vergebens. Hier fehlt der letzte Schub, den eventuell kommende Smartwatches und Intels nächste Chipgeneration Skylake mit integrierten Ladeempfängern für Notebooks und Tablets bringen. Für unsere Stichprobe kommen die Smartphones Samsung Galaxy S6 Edge und Apple iPhone 5 zum Einsatz. Das Modell aus Korea ist ohne Zubehör mit der Qi-Spezifikation kompatibel. Das iPhone muss den Umweg über die Ikea-Ladehülle nehmen und bekommt alternativ den Qi-Empfänger iQi Mobile von Fonesaleman angesteckt. Bei jedem Versuch erwärmen sich die Akkus während des Ladevorgangs. Die stärkste Hitzeentwicklung entsteht beim iPhone mit dem angesteckten QiModul und dem iQi Stone+, auch wenn das Handy in einer Schutzhülle steckt. Der Grund: Auch der Ladestein erwärmt sich während des Vorgangs. Das kann auf Dauer zu Lasten des Handyakkus gehen. Besser schneiden Ladestationen mit Holz- oder Plastikoberflächen ab. Sie mindern die Hitzestrahlung vom Charger. Beim drahtlosen Laden muss das Smartphone exakt auf der Ladestation positioniert sein, sonst sind die Spulen zu weit auseinander und Sender und Empfänger finden sich nicht. Das passiert uns beim Nokia-Ladekissen mit dem Samsung-Handy, da dessen Gehäuse sehr glatt ist. Im Erfolgsfall gibt das Handy entweder akustisch oder grafisch an, dass der Vorgang startet. Beim iPhone tritt unregelmäßig die Fehlermeldung „Dieses Zubehör wird evtl. nicht unterstützt“auf. Sie lässt sich mit „ok“wegklicken. Der Akku lädt trotzdem auf. Für die Akkumessung verbinden wir die IkeaArbeitsleuchte Riggad mit der Messstation und legen das entladene Edge auf die Qi-Markierung des Standfußes. Ein Ladevorgang dauert 179 Minuten – das ist fast doppelt so lange wie im Vergleichslauf per Kabel. Kabellos fließen im Schnitt 7,8 Watt zum Akku – also mehr als die von der Spezifikation zugesicherten fünf Watt, aber nur halb so viel wie im Optimum beim Laden übers Kabel. Ist der Akku etwa 85 Prozent geladen, sinkt die Übertragungsrate kontinuierlich bis auf 1,9 Watt – ein übliches Phänomen bei Akkuladevorgängen. Der Wert bleibt konstant, so lange das Mobilgerät auf der Ladestation liegt. Das ist nicht im Sinne des Erfinders. Denn eigentlich sollte das Ladegerät erkennen, wann das Smartphone komplett geladen ist, und die Stromzufuhr beenden.
Fazit: Noch zu umständlich
So bequem, wie es sich anhört, ist das kabellose Laden noch nicht. Selbst zwei Standards stiften Verwirrung, so lange nicht alle Mobilgeräte von Haus aus beide unterstützen. Für die Masse an älteren Smartphones bleibt die Crux mit Adaptern und Hüllen, um das Handy für das kabellose Laden fit zu machen. Klappt die Kombination, ist der Vorgang langsamer als mit dem Kabel. Der Durchbruch gelingt wohl erst, wenn ein Ladegerät alle Arten von Mobilgeräten abdeckt und das Ladetempo mit der Kabelvariante konkurrieren kann. Sitzt die Ladestation dann noch unsichtbar im Möbelstück, dürfte das Kabel ziemlich ausgedient haben.