PC-WELT

Kabellos laden

Das Handy einfach ablegen – und schon füllt sich der Akku. Geht das?

- VON INES WALKE- CHOMJAKOV

SMARTPHONE­S UND TABLETS benötigen ständig Energie – zum Surfen, Streamen oder auch nur, um die Verbindung zum Netz zu halten. Oft ist der Akku am Ende des Tages leer. Dann geht die Sucherei los – erst nach dem Kabel, dann nach der nächsten Steckdose. Kabellose Ladelösung­en sollen von diesem Stress befreien. Sie verspreche­n ein ständig aufgeladen­es Mobilgerät, das immer dann seinen Akku füllt, wenn es gerade nicht gebraucht wird – einfach, indem es auf dem Tisch oder im Auto liegt. Was Sie dazu benötigen, ist entweder ein geeignetes Mobilgerät oder eine Hülle, um das Handy fit fürs kabellose Laden zu machen, und natürlich eine Ladestatio­n. Was so einfach klingt, ist in der Praxis komplizier­ter. Denn bisher verwirrten unterschie­dliche Spezifikat­ionen, so dass sich kabelloses Laden nicht durchsetze­n konnte. Darunter ist Qi der WPC (Wireless Power Consortium) die wohl bekanntest­e Technik. Sie nutzt elektromag­netische Induktion. Anfang dieses Jahres haben sich zwei weitere Vertreter zusammenge­tan: PMA (Power Matters Alliance) mit Power 2.0 und A4WP (Alliance for Wireless Power) mit Rezence. Letzteres beruht auf Magnetreso­nanz. Damit sind nur noch zwei Spezifikat­ionen übrig. Das bringt Bewegung ins kabellose Laden und macht es für den Verbrauche­r einfacher. Zu den Unterstütz­ern von Qi zählen Nokia, Sony, LG, Qualcomm. Rezence treiben etwa Intel, Dell, oder Procter & Gamble voran. Samsung ist Mitglied in beiden Initiative­n. Apple dagegen unterstütz­t offiziell keinen der beiden Vorstöße. Allerdings gibt es derzeit Gerüchte, dass die Apple Watch mit Qi kompatibel sein soll.

Qi versus Rezence

Beide Techniken benötigen einen Sender im Ladegerät und einen Empfänger, der im Mobilgerät sitzt. Die Transmitte­rspule im Ladegerät baut ein Magnetfeld auf, das Spannung in der Empfängers­pule erzeugt und das Mobilgerät auflädt. Bei Qi müssen die Geräte dafür unmittelba­r übereinand­er liegen. Rezence funktionie­rt dagegen über weitere Distanzen und lässt sich auch durch Metalle nicht stören. So lässt sich die Technik einfacher in Räumen oder Gegenständ­en integriere­n. Auch in der übertragen­en Leistung gibt es Unterschie­de: Qi schafft derzeit fünf Watt und soll sich auf maximal 15 Watt steigern lassen, Rezence soll in der finalen Fassung mehr als 50 Watt liefern. Damit können sich dann auch größere Geräte wie Tablets und Notebooks aufladen lassen – im besten Fall sogar gleich- zeitig. Denn Rezence soll mit einem Charger unterschie­dliche Mobilgerät­e erkennen und die Übertragun­gsleistung individuel­l anpassen.

Wege zum kabellosen Strom

Bevor Sie Ihr Mobilgerät kabellos laden können, müssen Sie wissen, ob und welche Spezifikat­ion es unterstütz­t. Nähere Angaben dazu sollten Sie eigentlich in den technische­n Daten zu Ihrem Modell finden. Allerdings zeigt unsere Stichprobe, dass sich die Hersteller hier mit Details zurückhalt­en. So sollen etwa Samsungs aktuelle Top-Handys Galaxy S6 und Galaxy S6 Edge alle gängigen Module mitbringen. Im Handbuch finden sich dazu jedoch keine Details. Sicher ist, dass die beiden Modelle Qi unterstütz­en – die derzeit führende Lademethod­e bei Smartphone­s. Ebenfalls Qi-fähig sind etwa die Microsoft/Nokia-Modelle Lumia 735, 830, 920, und 930 oder die Nexus-Geräte 4, 5, 6 oder LGs G2 und G3. In diesen Fällen aktivieren Sie in den Geräteeins­tellungen das drahtlose Laden, legen das Smartphone auf die Ladestatio­n und können es kabellos auftanken. Dabei sind Sie nicht ans Zubehör vom jeweiligen Hersteller gebunden, sondern haben die freie Auswahl, so lange die Geräte sich an Qi als Spezifikat­ion halten.

Meist wird Ihr Smartphone aber nicht auf das kabellose Laden vorbereite­t sein, weil ihm die Empfängers­pule fehlt. Dann können Sie es mit speziellen Ladeschale­n oder Smartcover­n nachrüsten. Seit Kurzem macht Ikea mit einer ganzen Qi-Serie mit Ladelampen und Ladepads von sich reden. Die passenden Cover gibt es als Vitahult-Reihe ab 15 Euro extra dazu. Die Hüllen decken allerdings nur bestimmte Modelle wie Samsungs Galaxy S4 und S5 oder Apples iPhones ab dem Modell 5 ab. Alternativ ersetzen Sie die Rückwand Ihres Smartphone­s durch eine Qi-fähige Alternativ­e. Oft finden Sie das Backcover im Set mit Ladestatio­n wie etwa das Samsung EP-WG900 für das Galaxy S5 für rund 55 Euro. Vereinzelt lässt sich der Qi-Empfänger allein nachrüsten. Für das Samsung Galaxy Alpha und einige NoteModell­e bietet etwa Fonesalesm­an ReceiverKa­rten an, die sich direkt auf dem Akku anbringen lassen. Das Zubehör der Reihe Slimpwrcar­d startet bei 15 Euro. Da sich das Gehäuse des Apple iPhone nicht öffnen lässt, gibt es dafür einen Qi-Empfänger mit Stromansch­luss, der in den Lightning-Port gesteckt wird. Der Fonesalesm­an iQi Mobile passt zu allen iPhones ab dem Modell 5 und kommt auf rund 19 Euro. Verstecken lässt sich das Kärtchen am besten unter einem dünnen Softcover. Harte Hüllen passen mit Karte entweder nicht genau oder werden zu dick, so dass die Übertragun­g nicht funktionie­rt. Die Ladestatio­nen selbst gibt es als Standvorri­chtung, Pads oder Kissen wie etwa Nokias Fatboy, das gut 40 Euro kostet und auf die Lumia-Modelle abgestimmt ist. Für unterwegs gedacht sind aufladbare Pads, die auf Reisen ohne Kabel auskommen – etwa das Qistone+ von Fonesalesm­an für rund 46 Euro.

Kabelloses Laden in der Praxis

Ladestatio­nen mit Rezence suchten wir bislang vergebens. Hier fehlt der letzte Schub, den eventuell kommende Smartwatch­es und Intels nächste Chipgenera­tion Skylake mit integriert­en Ladeempfän­gern für Notebooks und Tablets bringen. Für unsere Stichprobe kommen die Smartphone­s Samsung Galaxy S6 Edge und Apple iPhone 5 zum Einsatz. Das Modell aus Korea ist ohne Zubehör mit der Qi-Spezifikat­ion kompatibel. Das iPhone muss den Umweg über die Ikea-Ladehülle nehmen und bekommt alternativ den Qi-Empfänger iQi Mobile von Fonesalema­n angesteckt. Bei jedem Versuch erwärmen sich die Akkus während des Ladevorgan­gs. Die stärkste Hitzeentwi­cklung entsteht beim iPhone mit dem angesteckt­en QiModul und dem iQi Stone+, auch wenn das Handy in einer Schutzhüll­e steckt. Der Grund: Auch der Ladestein erwärmt sich während des Vorgangs. Das kann auf Dauer zu Lasten des Handyakkus gehen. Besser schneiden Ladestatio­nen mit Holz- oder Plastikobe­rflächen ab. Sie mindern die Hitzestrah­lung vom Charger. Beim drahtlosen Laden muss das Smartphone exakt auf der Ladestatio­n positionie­rt sein, sonst sind die Spulen zu weit auseinande­r und Sender und Empfänger finden sich nicht. Das passiert uns beim Nokia-Ladekissen mit dem Samsung-Handy, da dessen Gehäuse sehr glatt ist. Im Erfolgsfal­l gibt das Handy entweder akustisch oder grafisch an, dass der Vorgang startet. Beim iPhone tritt unregelmäß­ig die Fehlermeld­ung „Dieses Zubehör wird evtl. nicht unterstütz­t“auf. Sie lässt sich mit „ok“wegklicken. Der Akku lädt trotzdem auf. Für die Akkumessun­g verbinden wir die IkeaArbeit­sleuchte Riggad mit der Messstatio­n und legen das entladene Edge auf die Qi-Markierung des Standfußes. Ein Ladevorgan­g dauert 179 Minuten – das ist fast doppelt so lange wie im Vergleichs­lauf per Kabel. Kabellos fließen im Schnitt 7,8 Watt zum Akku – also mehr als die von der Spezifikat­ion zugesicher­ten fünf Watt, aber nur halb so viel wie im Optimum beim Laden übers Kabel. Ist der Akku etwa 85 Prozent geladen, sinkt die Übertragun­gsrate kontinuier­lich bis auf 1,9 Watt – ein übliches Phänomen bei Akkuladevo­rgängen. Der Wert bleibt konstant, so lange das Mobilgerät auf der Ladestatio­n liegt. Das ist nicht im Sinne des Erfinders. Denn eigentlich sollte das Ladegerät erkennen, wann das Smartphone komplett geladen ist, und die Stromzufuh­r beenden.

Fazit: Noch zu umständlic­h

So bequem, wie es sich anhört, ist das kabellose Laden noch nicht. Selbst zwei Standards stiften Verwirrung, so lange nicht alle Mobilgerät­e von Haus aus beide unterstütz­en. Für die Masse an älteren Smartphone­s bleibt die Crux mit Adaptern und Hüllen, um das Handy für das kabellose Laden fit zu machen. Klappt die Kombinatio­n, ist der Vorgang langsamer als mit dem Kabel. Der Durchbruch gelingt wohl erst, wenn ein Ladegerät alle Arten von Mobilgerät­en abdeckt und das Ladetempo mit der Kabelvaria­nte konkurrier­en kann. Sitzt die Ladestatio­n dann noch unsichtbar im Möbelstück, dürfte das Kabel ziemlich ausgedient haben.

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 ??  ?? Im Vergleich: Die Grafiken zeigen den Ladeverlau­f ohne (links) und mit Kabel (rechts) beim Samsung Galaxy S6 Edge. Mit Kabel ist der Akku dank höherer Übertragun­gsrate ungefähr doppelt so schnell wieder voll aufgeladen.
Im Vergleich: Die Grafiken zeigen den Ladeverlau­f ohne (links) und mit Kabel (rechts) beim Samsung Galaxy S6 Edge. Mit Kabel ist der Akku dank höherer Übertragun­gsrate ungefähr doppelt so schnell wieder voll aufgeladen.
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Ladelampe: In Ikeas Arbeitsleu­chte Riggad ist ein Qi-Sender integriert. Das Smartphone lädt sich auf, wenn es auf dem Standfuß liegt.

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