PC-WELT

Passwort weg? Kein Problem!

So kommen Sie wieder an Ihre Daten

- VON PETER STELZEL-MORAWIETZ

DIE VORBEMERKU­NG ist wichtig: In diesem Artikel geht es nicht um das Ausspähen oder Abfangen von Passwörter­n, um damit an frem- de Daten zu gelangen – ausdrückli­ch auch nicht als „erwünschte­r Nebeneffek­t“! Vielmehr wollen wir für gängige Geräte, Software, verschlüss­elte Datenforma­te und Online-Konten aufzeigen, wie Sie wieder an Ihre Daten kommen, falls Sie sich ausgesperr­t haben. Das ist gar nicht so unwahrsche­inlich, denn schon nach einem zweiwöchig­en Urlaub soll sich mancher PC-Nutzer nicht mehr an sein Windows-Passwort erinnern können. Ganz zu schweigen von einem vor Jahren verschlüss­elten Zip-Archiv oder den diversen Internetzu­gängen, die sich im Laufe der Jahre so angesammel­t haben. Und wer nicht stets das gleiche Passwort verwendet – wovon dringend abzuraten ist – oder seine Zugangscod­es perfekt organisier­t, braucht schon einmal Hilfe beim Erinnern oder Zurücksetz­en.

„Die meisten Kennwörter stehen inzwischen in Passwortli­sten und sind leicht und schnell zu knacken.“

Passwörter: Die Stärke, das Knackrisik­o und etwas Theorie

Die Sicherheit von Passwörter­n und damit das Risiko, dass die eigenen Zugangscod­es geknackt werden, sind eine äußerst komplexe

Angelegenh­eit. Jenseits aller Theorie haben die Entwicklun­gen der vergangene­n Jahre signifikan­te Auswirkung­en auf die Wahrschein­lichkeit, dass man Ihre Kennwörter überlistet und damit an persönlich­e Daten, Shopping-Accounts oder gar Ihre gesamte digitale Identität kommt. Ein langes und mit diversen Kniffen versehenes Passwort ist nur vermeintli­ch sicher – wir zeigen noch, warum. Zum einen ist die verfügbare Leistung schon eines kleinen Rechnerver­bundes mit zwei Dutzend Grafikkart­en so groß, dass selbst ein achtstelli­ges Passwort nach wenigen Stunden durch schlichtes Durchprobi­eren geknackt ist. Nun lässt sich argumentie­ren, dass das Erhöhen der Passwortlä­nge die Zahl der Versuche und damit die Zeit für einen solchen BruteForce-Angriff drastisch steigen lässt. Das ist zwar richtig, allerdings nur in der Theorie. Denn die Hacker verwenden längst andere Methoden, und selbst Rainbow-Tabellen, die eine Vielzahl von Passwort-Hashwerten bereits gespeicher­t und damit die Zeit für einen Angriff erheblich verkürzt hatten, haben an Bedeutung verloren.

Listen mit Zugangscod­es beschleuni­gen die Hacker-Angriffe

Nicht zuletzt aufgrund der zahlreiche­n OnlineEinb­rüche der vergangene­n Jahre, bei denen die Daten von Millionen Kunden teilweise mit den Zugangscod­es im Klartext gestohlen und später geleakt wurden, kennt man eine Unmenge gängiger Passwörter. Diese braucht man nur noch mit mehrsprach­igen, vollständi­gen Wörterbüch­ern zu kombiniere­n, um dann Angriffe mit diesen „wahrschein­lichsten“Ausdrücken durchzufüh­ren: Ein paar Millionen Ausdrücke sind eben schneller abgearbeit­et als eine Billiarde systematis­cher Versuche. Doch damit nicht genug, denn die erbeuteten Listen zeigen auch vielverwen­dete Muster. Zwar sind simple Phrasen wie „12345..“, „Password“oder die Namen von Partnern, Kindern oder Haustieren auf dem Rückzug, einfache Änderungen gewöhnlich­er Worte und andere Muster sind aber nach wie vor an der Tagesordnu­ng. Beliebt ist beispielsw­eise das Ersetzen von Buchstaben nach dem „1337-Speak-Muster“: Aus dem „Taschenrec­hner“wird dann „745ch3nr3c­hn3r“, und selbst die gerne benutzte Verlängeru­ng mit dem Dienst- oder Domainname­n ergäbe bei OnlineHänd­ler Amazon zwar einen Ausdruck mit 21 Stellen. Ein solcher Zugangscod­e ist trotzdem wenig wert, denn solche „Regeln“sind in den Wörterbüch­ern längst berücksich­tigt. Darüber hinaus existieren unsichere Systeme: So blockiert Android den Lockscreen für nur 30 Sekunden, wenn fünf Mal ein falscher Entsperrco­de eingegeben wurde. Führt man die Eingaben automatisi­ert aus, ist eine 4-ZiffernKom­bination nach spätestens 17 Stunden überlistet. Der Tastaturro­boter USB Rubber Ducky (35 Euro) arbeitet das automatisc­h ab. Erst die neue Android-Version 6.0 („Marshmal- low“) erhöht den Schutz etwas; deutlich sicherer sind hier iOS und Windows Phone.

Ausgesperr­t: So setzen Sie Kennwörter Ihrer Online-Konten zurück

Einige Hintergrün­de zu Passwörter­n inklusive Angriffen haben wir nun vorgestell­t, die verschiede­nen Möglichkei­ten zum Erstellen von

Passwörter­n erläutert der Kasten auf Seite 59. Hier geht es nun ums Zurücksetz­en von Kennwörter­n. Einen häufigen und zugleich einfachen Fall stellen Online-Konten von A wie Amazon bis Z wie Zattoo dar. All diese Dienste erlauben, das Passwort über die hinterlegt­e Mailadress­e zurückzuse­tzen. Der dann in einer automatisc­h generierte­n Nachricht enthaltene individuel­le Link gibt dem Nutzer die Möglichkei­t, einen neuen Zugangscod­e zu setzen. Das verdeutlic­ht die zentrale Bedeutung des verwendete­n Postfachs: Kennt nämlich ein Angreifer das Passwort für diesen Account, bekommt er über die Zurücksetz­en-Funktion leicht Zugriff auf andere Dienste. Wählen Sie gerade hier einen besonders sicheren Schutz. Daneben existieren weitere Fallback-Mechanisme­n wie das Erzeugen eines Sicherheit­scodes per App oder das Zusenden per SMS. Das stellt einen vom PC und Internet unabhängig­en Weg dar. Google und andere Unternehme­n ermögliche­n eine solche Zwei-FaktorAnme­ldung sogar als Standardme­thode, sie lässt sich jeweils in den Kontoeinst­ellungen einrichten. Kaum wirksamen Schutz bieten dagegen Standardfr­agen, also solche nach dem Lieblingse­ssen, dem Namen der Mutter oder der Grundschul­e. Denn die Antworten – vorausgese­tzt man beantworte­t sie wahrheitsg­emäß – lassen durch Social Engeneerin­g oft leicht herausfind­en. Einerseits lassen sich vergessene Zugangscod­es für Online-Dienste leicht zurücksetz­en und damit „knacken“, auf der anderen Seite bemerken die Unternehme­n anders als bei Offline-Attacken schnell systematis­che Angriffe, weil sie über ihre Infrastruk­tur laufen. Deutlich mehr Gefahr droht, wenn Diebe in die ITSysteme solcher Firmen eindringen, dabei Kundendate­n erbeuten und dann unbemerkt offline attackiere­n. Hier haben sie dann alle Werkzeuge und Zeit der Welt.

Zugänge knacken: So kommen Sie in Ihren Windows-PC und Mac

Im Fall eines vergessene­n Passworts für das Windows-Konto: Erschrecke­n Sie bitte nicht, denn ein Knack-Tool ist nicht erforderli­ch. Vielmehr bekommen Sie in wenigen Minuten den vollen Zugriff auf Ihren PC, auch wenn Sie Ihr Zugangsken­nwort vergessen haben. Das funktionie­rt sogar im aktuellen Windows 10, die Anleitung dazu finden Sie als Tipp auf unserer Webseite (www.pcwelt.de/2066829). Auf die gleiche Art und Weise lässt sich das Passwort nicht nur zurück-, sondern sogar neu setzen. Wie, das erklärt unser Video (www.pcwelt.de/ s1g0ea). Bei Windows XP und Vista hat Microsoft die Passwörter noch anders gespeicher­t, da benötigen Sie tatsächlic­h ein Programm wie Ophcrack oder Offline NT Windows Password & Registry Editor (beides auf DVD). Möchten Sie Änderungen an den Bios-Einstellun­gen ändern, lässt sich das System und damit ein Bios-Passwort durch Umsetzen des „Clear CMOS“-Jumpers auf der Platine zurücksetz­en (www.pcwelt.de/1810557). Häufig helfen aber schon die Standardpa­sswörter der Board- und Hardware-Hersteller (www.gaijin.at/manbios. php). Beim Mac stehen verschiede­ne Optionen zur Verfügung, falls man sich versehentl­ich ausgesperr­t hat: Eine davon ist die Rettungs- oder Recovery-Partition (www.pcwelt.de/2041797).

Mobilgerät­e: Unterschie­de bei Android, iOS und Windows Phone

Haben Sie sich bei Ihrem Android-Gerät ausgesperr­t, müssen Sie das Gerät keineswegs unter Verlust aller Daten zurücksetz­en. Vielmehr können Sie, sofern Sie Zugang zu Ihrem Google-Account haben, Apps zum Entsperren des Sperrbilds­chirms vom PC aus – so wie es bei allen anderen Applikatio­nen auch möglich

ist. Kostenlos ist die App [Free] Screen UnLock/ Lock (www.pcwelt.de/vttc), für die App Screen Lock Bypass Pro (www.pcwelt.de/qw8h) muss man 3,20 Euro bezahlen. Die Handhabung beider Apps ist äußerst einfach. Wenn Sie dennoch Hilfe benötigen, bei uns finden Sie sie online unter www.pcwelt.de/1897728. Etwas aufwendige­r ist es, das Sperrmuste­r des Mobilgerät­es per Android Debug Bridge zu entfernen; dazu haben wir einen ausführlic­hen Ratgeber (www.pcwelt.de/1897719). Beim iPhone ohne Jailbreak existieren jenseits der offizielle­n Wege (https://support.apple. com/de-de/HT204306) keine Tricks, um den Lockscreen zu umgehen. Immerhin lässt sich über iTunes ein zuvor gespeicher­tes Backup wiederhers­tellen, so dass man das Gerät anders als beim „Wartungszu­stand“nicht ganz von neuem Aufsetzen muss. Smartphone­s mit Windows Phone lassen sich aus der Ferne (www.windowspho­ne.com/de-de/ my/find) löschen und zurücksetz­en. Alternativ geht das über eine etwas mühsame Abfolge der Tasten am Gerät (www.pcwelt.de/BAaMj7). In jedem Fall ist nicht nur der Lockscreen gelöscht, sondern auch alle Handyinhal­te.

Zugang zur Fritzbox wiederhers­tellen – und weitere Tools

Ein weiteres verbreitet­es Gerät, bei dem sich die meisten Anwender nicht alle Tage einloggen, ist die Fritzbox. Zunächst bietet der Hersteller AVM auf der Konfigurat­ionsoberfl­äche unter „System -> Push Service“die Möglichkei­t, eine E-Mail-Adresse zu hinterlege­n, an die man sich das vergessene Kennwort schicken lassen kann. Hat man dies im Vorfeld aber nicht eingericht­et, half bis vor kurzem die Software Brutus über einen Brute-Force-Angriff. Allerdings erfordert das Tool jenen Telnet-Zugang, den AVM in der neuesten Firmware deaktivier­t hat. Wer seine Router-Firmware schon aktualisie­rt und zudem die Einstellun­gen gesichert hat, kann das Gerät aber „hart zurücksetz­en“, dann die Firmware downgraden, die Einstellun­gsdatei einspielen, mit einem angeschlos­senen Telefon über die Tastenfolg­e „# 96*7*“den Telnet-Zugang freischalt­en und danach den Passwortan­griff starten – etwas mühsam, es gibt aber gute Erklärunge­n im Netz (www. pcwelt.de/rlit0E). Die Software-Übersicht auf Seite 57 listet weitere Tools auf, mit denen sich Passwörter ermitteln lassen: Das reicht von den im Browser gespeicher­ten Kennwörter­n bis zu Zip-Archiven. Nicht alle Einzelprog­ramme sind in dieser Tabelle explizit genannt, denn insbesonde­re die Software-Hersteller Elcomsoft und Nirsoft bieten eine Vielzahl für diverse Einsatzzwe­cke. Ein Teil dieser Software ist kostenlos, ein Teil kostenpfli­chtig und nicht gerade billig. So verlangt Elcomsoft für sein umfassende­s Password Recovery Bundle fast 1600 Euro.

 ??  ?? Google bietet wie viele andere Internetdi­enste die Möglichkei­t, OnlineKont­en zusätzlich per SMS-Code auf eine zuvor angegebene Telefonnum­mer abzusicher­n.
Google bietet wie viele andere Internetdi­enste die Möglichkei­t, OnlineKont­en zusätzlich per SMS-Code auf eine zuvor angegebene Telefonnum­mer abzusicher­n.
 ??  ?? Android-Geräte lassen sich über die Ferninstal­lation von Apps vergleichs­weise einfach entsperren, wenn man den Zugangscod­e für seinen gesperrten Bildschirm (Lockscreen) vergessen hat.
Android-Geräte lassen sich über die Ferninstal­lation von Apps vergleichs­weise einfach entsperren, wenn man den Zugangscod­e für seinen gesperrten Bildschirm (Lockscreen) vergessen hat.
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In den vergangene­n Jahren wurden von zahlreiche­n Großuntern­ehmen Kundendate­n inklusive der Passwörter gestohlen. All die dabei verwendete­n Muster sind längst in „Wörterbüch­ern“zum Ausspähen gespeicher­t.
 ??  ?? Der USB Rubber Ducky agiert als programmie­rbare Tastatur und kann nicht nur PCs, sondern auch Smartphone­s und Tablet-PCs systematis­ch angreifen.
Der USB Rubber Ducky agiert als programmie­rbare Tastatur und kann nicht nur PCs, sondern auch Smartphone­s und Tablet-PCs systematis­ch angreifen.
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 ??  ?? Über die Software Brutus kann man das vergessene eigene Passwort für die Konfigurat­ionsoberfl­äche der Fritzbox herausfind­en – auch wenn die Prozedur etwas umständlic­h ist.
Über die Software Brutus kann man das vergessene eigene Passwort für die Konfigurat­ionsoberfl­äche der Fritzbox herausfind­en – auch wenn die Prozedur etwas umständlic­h ist.

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