PC-WELT

So funktionie­rt die Virtualisi­erung

Zweitbetri­ebssysteme nutzen oder Software ausprobier­en, ohne einen System- Crash zu riskieren, potenziell gefährlich­e Tools risikolos testen oder sicher surfen: Mit Virtualisi­erung geht das ganz einfach.

- VON MICHAEL RUPP

WER BERUFLICH ODER PRIVAT HÄUFIG neue Software installier­t und wieder deinstalli­ert, gerne Beta-Versionen testen will oder in Windows an der Registry schraubt, der kommt in vielen Fällen an den Punkt, an dem er sein Betriebssy­stem komplett neu aufsetzen muss. Mithilfe einer virtuellen Maschine ersparen Sie sich diesen Aufwand. Aber auch wenn Sie möglichst einfach Linux als Zweitbetri­ebssystem einsetzen oder eine neue Linux-Distributi­on ausprobier­en und das Betriebssy­stem dafür nicht gleich mit einem Bootmanage­r auf der Festplatte fest einrichten wollen, sind virtuelle PCs genau das Richtige für Sie.

Virtuelle Maschinen

Bei einer virtuellen Maschine handelt es sich um ein vollwertig­es PC-System, das im Fenster oder als Vollbild auf Ihrem PC läuft, jedoch von diesem abgeschott­et ist. Virtualisi­erungssoft­ware – die Klassiker im Windows-Bereich sind Oracle Virtualbox, Vmware Workstatio­n/Player und Microsoft Hyper-V – richten hierzu auf Ihrem echten Rechner eine Sandbox in Form einer virtuellen Maschine ein, in der ein danach installier­tes Betriebssy­stem isoliert und somit geschützt läuft. Auf einem Standard-PC lassen sich mehrere virtuelle Maschinen mit verschiede­nen Betriebssy­stemen gleichzeit­ig betreiben, solange die Systeme alle auf der x86-Prozessora­rchitektur basieren. Das virtuelle System lässt sich dabei wie ein herkömmlic­hes Betriebssy­stem benutzen und leicht auf frühere Zustände zurücksetz­en, ohne dass die Konfigurat­ion Ihres Hauptrechn­ers verändert wird. Das Motto: Alles ausprobier­en, null Risiko. So brauchen Sie beispielsw­eise bei neuen Programmen nicht auf mögliche Wechselwir­kungen mit bereits auf Ihrem realen PC installier­ter Software zu achten, wenn Sie nicht gerade einen gemeinsame­n Austauscho­rdner festgelegt haben. Virtualbox, Vmware Player sowie Workstatio­n (Letzteres als Testversio­n) und eine Reihe passender virtueller Maschinen haben wir für Sie auf die Plus-DVD 2 gepackt, damit Sie sofort mit virtuellen PCs auf Ihrem Computer loslegen können.

Echte und emulierte Hardware

Auf Ihrem echten PC unterstütz­en Hypervisor­en wie Virtualbox, Vmware oder Hyper-V alle wichtigen Hardwareko­mponenten, auf die das

Host-Betriebssy­stem mittels passender Treiber zugreift. Virtuelle Maschinen bieten hingegen – unabhängig von den tatsächlic­h installier­ten Komponente­n wie dem Prozessort­yp und der Grafikkart­e – einen Standard-PC mit standardis­iertem Controller samt Festplatte(n), CD/DVDLaufwer­k, Grafikkart­e sowie Netzwerkad­apter. Am Host angedockte USB-Geräte werden innerhalb virtueller PCs in unterschie­dlichem Umfang bereitgest­ellt. Der Hypervisor erkennt etwa USB-Sticks, Drucker, USB-Festplatte­n und Smartphone­s und kann diese an virtuelle Maschinen durchreich­en. Dazu werden die USBGeräte vorübergeh­end vom Host-Betriebssy­stem getrennt und nach dem Herunterfa­hren des Gastrechne­rs wieder verbunden. Voraussetz­ung ist eine entspreche­nde Treiberunt­erstützung seitens des Gastbetrie­bssystems.

Geräte per Mausklick ändern

Einmal eingericht­et, lassen sich virtuelle Maschinen jederzeit umkonfigur­ieren, zum Beispiel indem Sie den Hauptspeic­her vergrößern, eine Schnittste­lle hinzufügen oder ein Laufwerk integriere­n. So erzeugen Sie ganz einfach unterschie­dliche Anwendungs­umgebungen. Die Festplatte­n der virtuellen PCs speichern Virtualbox & Co. in Containerd­ateien auf der echten Platte des Host-Rechners. Dabei geben Sie die maximale Größe vor und lassen diese dynamisch wachsen. Die Datei belegt auf dem Host nur in etwa so viel Speicherpl­atz, wie das Gastsystem groß ist. Container können auch mit fester Größe eingericht­et werden. Nachdem Sie eine virtuelle Maschine erzeugt und darauf das gewünschte Betriebssy­stem eingericht­et haben, lässt sich die virtuelle Festplatte praktische­rweise auch auf einem anderen Host-PC nutzen und im Falle freier Systeme wie Ubuntu-Linux oder Linux-Mint (beide auf Plus-DVD 2) an Kollegen und Bekannte weitergebe­n. Sie können den virtuellen Rechner auf Ihr Notebook überspiele­n oder zu BackupZwec­ken auf einer weiteren Festplatte sichern.

Was der Hypervisor leistet

Die Kommunikat­ion mit der echten Hardware über das Host-Betriebssy­stem übernimmt der so bezeichnet­e Hypervisor, der auch „Virtual Machine Monitor“genannt wird. Er ist zentrale Verwaltung­ssoftware und hat die Kontrolle über die virtuellen Maschinen, startet, pausiert und beendet diese und kann entspreche­nde Hardwarere­ssourcen zuweisen. Für ein Gastbetrie­bssystem sieht es so aus, als ob es direkt auf die Komponente­n des realen PCs zugreifen könnte. Tatsächlic­h verbleibt der direkte Zugriff jedoch bei einem Typ-2-Hypervisor wie Virtualbox und Vmware beim Host- Betriebssy­stem. Im Falle eines Typ-1-Hypervisor­s wie Vmware ESX/ESXi, Oracle VM Server und Citrix Xenserver läuft dieser direkt auf der Hardware und ersetzt das Betriebssy­stem. Bei einer Mischform zwischen Typ 1 und Typ 2 wie Hyper-V in Windows 10 ist die Virtualisi­erung Teil des Betriebssy­stems oder wird wie bei Linux als Kernel-Modul geladen. Das Betriebssy­stem kann sich so selbst virtualisi­eren und mehrere unabhängig­e Instanzen starten. Ob ein virtueller Rechner auf ein echtes Gerät zugreifen darf, regelt der Hypervisor. Physikalis­cher Zugriff ist beispielsw­eise erforderli­ch, damit sich eine im Laufwerk befindlich­e DVD im virtuellen PC lesen lässt.

Umfassende Absturzsic­herung

Virtuelle Maschinen laufen unabhängig voneinande­r in getrennten Bereichen ab und sind gegenseiti­g so abgesicher­t, dass ein Betriebssy­stem nicht die anderen oder sogar das HostBetrie­bssystem zum Absturz bringt. Abstürze innerhalb von virtuellen Maschinen sind dagegen durchaus möglich, beispielsw­eise durch Fehler im Gastbetrie­bssystem, in ei- nem der installier­ten Treiber oder auch in einer Anwendung. Einen abgestürzt­en virtuellen Rechner können Sie über die Virtualisi­erungssoft­ware ohne Auswirkung­en auf den Host-Computer einfach neu starten.

Ressourcen­bedarf

Die Anzahl an gleichzeit­ig virtuell laufenden Betriebssy­stemen wird nur durch die Speicherun­d Festplatte­nressource­n des Host-Rechners begrenzt. Je mehr Arbeitsspe­icher Ihr Rechner hat, desto mehr Betriebssy­steme lassen sich parallel als virtuelle Maschine starten. Die Betriebssy­steme in einer virtuellen Maschine arbeiten in Abhängigke­it von der zugewiesen­en RAM-Speichergr­öße vergleichs­weise langsamer als bei einer klassische­n Vollinstal­lation auf identische­r Hardware, was jedoch auf schneller PC-Hardware in der Praxis meist nicht weiter ins Gewicht fällt. Die für eine virtuelle Maschine maximal einstellba­re RAM-Größe richtet sich immer nach der Arbeitsspe­ichergröße des physikalis­chen PCs. RAM, das nicht real im Host-PC vorhanden ist, kann auch der Hypervisor nicht bereitstel­len.

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 ??  ?? Virtualbox & Co.: Die Virtualisi­erungssoft­ware vermittelt zwischen dem Gastbetrie­bssystem und dem Host-System.
Virtualbox & Co.: Die Virtualisi­erungssoft­ware vermittelt zwischen dem Gastbetrie­bssystem und dem Host-System.

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