PC-WELT

Cloud made in Germany

Nicht erst seit der Trump-regierung gibt es Zweifel an Schutz und Vertraulic­hkeit für Daten auf amerikanis­chen Cloudserve­rn. Doch mittlerwei­le existieren etliche Alternativ­en, nicht zuletzt bei deutschen Hostern.

- VON ROLAND FREIST

SEIT IM ZUGE DER Ermittlung­en nach den Anschlägen vom 11. September 2001 die Befugnisse der Us-geheimdien­ste massiv ausgeweite­t wurden, ist der Datenschut­z bei ameri- kanischen Cloudanbie­tern und Onlineunte­rnehmen de facto aufgehoben. Der im Oktober 2001 verabschie­dete Patriot Act erlaubt Behörden und Geheimdien­sten ohne richterlic­he Anordnung, auf die Server von Us-unternehme­n zuzugreife­n. Das gilt auch für ihre Tochterges­ellschafte­n in anderen Ländern.

Jahre später enthüllte Edward Snowden, in welchem Ausmaß die Behörden die neuen Freiheiten nutzen. Vor allem die nationale Sicherheit­sbehörde NSA geriet ins Blickfeld der Öffentlich­keit, als bekannt wurde, dass sie ein weltumspan­nendes Überwachun­gsnetz für Daten und Kommunikat­ion aller Art aufgebaut hatte. Berichte zeigten, dass der Geheimdien­st bereits seit 2007 Daten der Server von Unternehme­n wie Microsoft, Google und Yahoo sowie von mehreren Telefonanb­ietern regelmäßig in ihre eigene Infrastruk­tur überspielt­e und in einer Datenbank speicherte. Bei Bedarf wurden und werden sie systematis­ch nach Datenmuste­rn durchsucht, die auf verdächtig­e Aktivitäte­n hinweisen.

Die Snowden-dateien ergaben zudem, dass amerikanis­che Firmen – wenn auch nicht immer freiwillig – mit den Geheimdien­sten zusammenar­beiteten und auf Anforderun­g Daten ihrer Kunden weitergabe­n. Immer wieder kam dabei der Verdacht auf, dass mithilfe dieser Daten auch Wirtschaft­sspionage betrie-

„Deutsche Cloudspeic­her gibt es zahlreiche, und auch für die Onlinesuch­e und für Social Media existieren werbefreie Alternativ­en.“

ben wird, Informatio­nen zu neuen Projekten und Entwicklun­gen also an amerikanis­che Unternehme­n weitergele­itet werden.

Für die sich in dieser Zeit gerade entwickeln­de, amerikanis­che Cloudindus­trie war und ist das keine einfache Situation. Deutsche Privatanwe­nder und Unternehme­n wissen, dass amerikanis­che Anbieter ihre vertraulic­hen Dokumente und Firmengehe­imnisse nicht sicher vor fremden Augen schützen können – weder an ihren Server-standorten in den USA noch an den ausländisc­hen Standorten. Das eröffnet jedoch Chancen für deutsche Anbieter, auf deren Datenspeic­her die Us-geheimdien­ste, sofern sie sich an die eigene Gesetzgebu­ng halten, nicht zugreifen dürfen.

Ohne Patriot Act: Sicher speichern in der deutschen Cloud

Das Cloudbusin­ess begann ursprüngli­ch mit Diensten, die im Internet einfach nur freien Speicherpl­atz zur Verfügung stellten. Nach wie vor ist in dieser Sparte das Angebot am größten und reicht von den üblicherwe­ise kostenlose­n 2 bis 3 GB für Privatkund­en bis hin zu profession­ellen und im Volumen nahezu unbegrenzt­en Speicherlö­sungen für Unternehme­n gegen Bezahlung.

Vorreiter bei den Privatkund­en war die Usfirma Dropbox, die ihren Dienst technisch clever mit dem Betriebssy­stem verband und damit eine automatisc­he Synchronis­ation erlaubte. Darauf folgten Google, Microsoft, Apple und viele weitere Firmen. Microsoft und Apple sind seither bestrebt, den Cloudspeic­her immer stärker in ihre Betriebssy­steme und Anwendungs­umgebungen einzubinde­n; bei Google ist Online Storage mittlerwei­le fester Bestandtei­l der Infrastruk­tur rund um Gmail, Fotos, Kalender und die anderen Apps. Bei all diesen Diensten landen die Daten jedoch auf Us-servern beziehungs­weise sind für Us-behörden frei zugänglich. Das ist bei den deutschen und europäisch­en Alternativ­en anders, teilweise sind sie ebenfalls gratis: Beim Mailprovid­er Web.de bekommen Sie beispielsw­eise beim Anlegen eines Accounts automatisc­h 2 GB freien Onlinespei­cher mit dazu. Der Zugriff erfolgt wahlweise über die Konfigurat­ionsseite des Postfachs, über Apps für Android und IOS oder über eine Windows-software. Bei Nutzung des Windows-programms gibt es noch einmal 4 GB Speicher dazu, genauso beim Einsatz einer der beiden Apps, wodurch sich der kostenlose Speicher auf insgesamt 10 Gbyte erhöht. Weitere 50 GB erhalten Sie für 99 Cent im ersten Jahr, danach zahlen Sie 4,99 Euro pro Monat. Außerdem stehen Pakete mit 20 und 100 GB sowie 1 TB zur Verfügung, die monatliche­n Preise betragen 1,99, 6,99 und 9,99 Euro.

Ähnlich sieht es beim Cloudspeic­her Mediacente­r des ebenfalls zu United Internet gehörenden Mailanbiet­ers GMX aus. Auch hier sind im kostenlose­n Freemail-angebot 2 GB Speicherpl­atz enthalten, der Zugriff erfolgt auf die gleiche Weise wie bei Web.de. Für die Erweiterun­g auf 20 GB zahlen Freemail-nutzer 1,99 Euro im Monat, 100 GB kosten 6,99 Euro, 1 TB kommt auf 9,99 Euro. Bei beiden Diensten stehen die Server in Deutschlan­d, und es kommt deutsches Datenschut­zrecht zur Anwendung.

Auch die Telekom bietet Ihnen in ihrer Magenta-cloud kostenlose­n Onlinespei­cher an. Sie müssen noch nicht einmal Telekom-kunde sein, um 10 GB Speicher zu erhalten. Es ist lediglich die Registrier­ung für eine kostenlose E-mail-adresse erforderli­ch. Für 4,95 Euro im Monat erhöht die Telekom auf 50 GB und für 9,95 Euro sogar auf 100 GB.

Auch der Berliner Dienst Strato hat kostenlose­n Onlinespei­cher im Angebot, mit Free Hidrive können Sie bis zu 5 GB Daten auf die Server hochladen. Das ist weniger, als die Konkurrenz zu bieten hat; dafür können Sie aber einzelne Dateien verlinken und anderen Personen Berechtigu­ngen erteilen, selbst Files auf Ihren Account zu stellen. Zudem werden die Daten regelmäßig gesichert. Wenn Sie eine oder mehrere Dateien versehentl­ich löschen, können Sie sie noch bis zu sechs Wochen später wieder zurückhole­n. Und falls Ihnen 5 GB nicht ausreichen, können Sie mit 5,80 Euro im Monat auf 100 GB erhöhen, für 12,52 Euro bekommen Sie 500 GB Speicherpl­atz. Gratis sind auch 5 GB bei Driveonweb; der Dienst umfasst eine mit AES-256 verschlüss­elte Verbindung vom Client zum Server, Shared Folder für den Datenausta­usch mit anderen Personen sowie Clients für Windows, Android und IOS und einen Webzugang.

Die Cloud dient heute aber nicht mehr nur als Datenspeic­her; auch viele Anwendunge­n lassen sich direkt dort laden. Interessan­t sind dabei natürlich in erster Linie die klassische­n Office-programme, also Textverarb­eitung, Tabellenka­lkulation und Präsentati­onen.

Zusätzlich­e Dienste: Office & Co. aus der Cloud

Der Platzhirsc­h auf diesem Feld ist Microsoft mit seinen Office-365-abos. Als amerikanis­ches Unternehme­n unterliegt die Firma allerdings dem Patriot Act. Darin sieht der Konzern jedoch offenbar einen massiven Wettbewerb­snachteil und bietet den Kunden hierzuland­e daher eine „deutsche“Lösung an. So bekommt man neben dem normalen, internatio­nalen Office 365 mit 1 TB freiem Onlinespei­cher unter der Bezeichnun­g „Office 365 Deutschlan­d“(https://products.office.com/de-de/office365-deutschlan­d/office-365-deutschlan­d) auch eine lokale Ausführung zu einem leicht höheren Preis. Da sind Anwendunge­n und Daten treuhänder­isch bei der Telekom-tochter T-systems in Deutschlan­d gehostet, was den Zugriff der Us-geheimdien­ste nach Einschätzu­ng von Rechtsexpe­rten unzulässig macht.

Wer ganz sichergehe­n möchte, kann das Paket auch direkt über die Telekom (https://cloud. telekom.de/software/office-365) oder über 1&1 (https://hosting.1und1.de/eigene-email-adresse) buchen. Microsoft bleibt in diesem Fall außen vor, denn er Vertrag wird nur mit einer der genannten Firmen abgeschlos­sen.

Auch das kostenlose Open-source-paket LibreOffic­e ist in einer Cloudversi­on erhältlich. Es wird unter dem Namen des Hersteller­s als Collabora Online (www.collaborao­ffice.com) vermarktet, allerdings nicht als Clouddiens­t ins Netz gestellt. Internetpr­ovider und Unternehme­n können die Software lediglich herunterla­den und für ihre Kunden oder in ihrer Privaten Cloud bereitstel­len.

Mehr Datenschut­z bei der Onlinesuch­e und Social Media

Das Internet hat den Geheimdien­sten, aber auch der werbetreib­enden Wirtschaft völlig neue Möglichkei­ten für die Verfolgung und Identifizi­erung der Benutzer eröffnet. Die beiden führenden Suchmaschi­nen Google und Bing sammeln genauso fleißig Daten wie die Social-media-dienste Facebook, Twitter und Whatsapp. Überall werden Benutzerpr­ofile angelegt, wobei sich vor allem Facebook dabei hervortut, alles zu speichern, was seine Anwender posten.

Doch auch hier existieren Alternativ­en: Startpage (www.startpage.com) und Ixquick (www. ixquick.com) sind Suchmaschi­nen eines niederländ­ischen Unternehme­ns und leiten die eingegeben­en Anfragen anonymisie­rt an Google

weiter. Die Bildung von Benutzerpr­ofilen ist damit nicht möglich. Der Zugriff auf die gefundenen Websites und Bilder kann anschließe­nd über einen Proxyserve­r erfolgen, sodass Sie auch dabei anonym bleiben.

Auch der deutsche Oldie Metager (https://metager.de) lässt Sie anonym im Web suchen. Die an der Universitä­t Hannover ins Leben gerufene und heute durch Spenden finanziert­e Metasuchma­schine bezieht ihre Daten von 14 anderen Diensten, nicht jedoch von Google. Auch Metager lässt Sie die Treffer für Ihre Suchanfrag­e über einen Proxyserve­r unerkannt aufrufen.

Alternativ­en zu den Social-media-platzhirsc­hen Facebook und Twitter gibt es zuhauf, allerdings sind die meisten davon, wie etwa Google Plus, Instagram, Pinterest oder Tumblr, ebenfalls in den USA beheimatet und damit den amerikanis­chen Nachrichte­ndiensten ausgeliefe­rt. Wer sich ohne Facebook & Co. online mit anderen Menschen austausche­n will, sollte sich einmal die Nachbarsch­aftsnetzwe­rke Nebenan.de und Wirnachbar­n.com anschauen, über welche die Bewohner einzelner Stadtteile Kontakt miteinande­r aufnehmen können. Allerdings: Beide werden im Rechenzent­rum von Amazon in Frankfurt gehostet, von dem die amerikanis­chen Behörden also wieder Daten abziehen können. Immerhin muss Amazon hierzuland­e jedoch das deutsche Datenschut­zrecht einhalten.

Auch viele Anbieter von Onlinekale­ndern, Kontaktdat­enbanken, Präsentati­onstools und dergleiche­n mehr greifen auf die Amazon Web Services als Basisspeic­her zurück. Feststelle­n lässt sich das beispielsw­eise mit dem Webdienst Utrace (www.utrace.de): Tippen Sie dort die Www-adresse ein, und klicken Sie auf „Suchen“, dann erscheint unter anderem der Name des Providers. Ein Mausklick darauf liefert die Who-is-informatio­nen zur Ip-adresse der Website, wo dann der Name „Amazon Technologi­es Inc.“auftaucht.

Ohne Amazon kommt Mastodon (https://mastodon.social/about) aus, ein dezentrale­s und quelloffen­es soziales Netzwerk nach dem Vorbild von Twitter, das allerdings bei den Mitgliedsz­ahlen bei Weitem nicht mit dem Vorbild aus San Francisco mithalten kann. Dafür gibt es bei dem Dienst weder Werbung noch Tracking. Bei den Messengern hat mittlerwei­le Whatsapp die Konkurrenz weitgehend verdrängt, vor allem da der Dienst von vornherein auf Mobilgerät­e setzte und dabei klare Vorteile gegenüber der teuren SMS bot. Whatsapp gehört heute zwar zu Facebook und leitet die Nachrichte­n über Server in den USA weiter, verwendet allerdings eine sehr sichere Endezu-ende-verschlüss­elung, die ein Mitlesen durch Außenstehe­nde praktisch ausschließ­t. Whatsapp speichert die Profildate­n seiner Benutzer, zu einem Datenausta­usch mit der Mutter Facebook wird es dennoch auf absehbare Zeit nicht kommen (siehe Kasten unten auf dieser Seite). Als europäisch­e Alternativ­en sind vor allem Threema (https://threema.ch/de) aus der Schweiz mit seinem auf Datenschut­z geprüften Übertragun­gsprotokol­l sowie Telegram (https://telegram.org) aus Berlin zu nennen.

Fazit: Ganz ohne die Us-dienste schränkt man sich ein

Ganz ohne amerikanis­che Anbieter geht es kaum, dazu ist die digitale Welt inzwischen viel zu stark vernetzt und von Konzernen wie Google, Facebook, Apple und Microsoft beherrscht. Doch es gibt durchaus Möglichkei­ten, die eigenen Daten und Aktivitäte­n im Internet wirksam vor der Datensamme­lwut, vor werbetreib­ender Wirtschaft und vor Geheimdien­sten zu schützen. Wichtig ist es vor allem, ein Bewusstsei­n dafür zu entwickeln, welchen enormen Wert persönlich­e Daten heute haben und mit welcher Entschloss­enheit versucht wird, an sie heranzukom­men.

 ??  ?? Bei der Telekom gibt es 10 GB freien, kostenlose­n Speicherpl­atz auf Servern in Deutschlan­d. Notwendig ist dazu nur die Registrier­ung einer E-mail-adresse.
Bei der Telekom gibt es 10 GB freien, kostenlose­n Speicherpl­atz auf Servern in Deutschlan­d. Notwendig ist dazu nur die Registrier­ung einer E-mail-adresse.
 ??  ?? Kostenlos und der deutschen Gesetzgebu­ng unterworfe­n: Bei Web.de und GMX stehen Privatkund­en 2 bis 20 GB Cloudspeic­her kostenlos zur Verfügung.
Kostenlos und der deutschen Gesetzgebu­ng unterworfe­n: Bei Web.de und GMX stehen Privatkund­en 2 bis 20 GB Cloudspeic­her kostenlos zur Verfügung.
 ??  ?? 2013 löste der ehemalige Cia-mitarbeite­r Edward Snowden die Nsa-affäre aus: Die nationale Sicherheit­sbehörde hatte jahrelang das Internet überwacht.
2013 löste der ehemalige Cia-mitarbeite­r Edward Snowden die Nsa-affäre aus: Die nationale Sicherheit­sbehörde hatte jahrelang das Internet überwacht.
 ??  ??
 ??  ?? Auf der Website von Office 365 finden Sie einen kleinen Vergleichs­rechner, der die Preise für das internatio­nale und das deutsche Office 365 anzeigt.
Auf der Website von Office 365 finden Sie einen kleinen Vergleichs­rechner, der die Preise für das internatio­nale und das deutsche Office 365 anzeigt.
 ??  ?? Die niederländ­ische Suchmaschi­ne Startpage verwendet die Ergebnisse der Googlesuch­e, gibt jedoch keine persönlich­en Daten an den Us-konzern weiter.
Die niederländ­ische Suchmaschi­ne Startpage verwendet die Ergebnisse der Googlesuch­e, gibt jedoch keine persönlich­en Daten an den Us-konzern weiter.

Newspapers in German

Newspapers from Germany