Linux Mint 19: Das ist neu!
Mint 19 basiert auf der neuen Lts-version von Ubuntu. LTS steht für „Long Term Support“. Sie erhalten also eine Linux-version mit Updates bis 2023. Darüber hinaus hält Mint 19 zahlreiche kleine, spannende Funktions-updates bereit.
Die aktuellen Funktionen
Das auf Ubuntu basierende Linux Mint stellt sich mit der Version 19 „Tara“wieder auf eine aktuelle Systembasis mit Kernel 4.15. Dies ist von fundamentaler Bedeutung, da der Linux-kernel den Großteil der Hardwaretreiber mitbringt und aus diesem Grund für moderne Hardware möglichst aktuell sein muss. Nebenbei liefern neue Versionen oder neue Point Releases (siehe hierzu den Kasten „Linux Mint 19: Laufzeit bis 2023“) immer auch frische Softwarepakete mit – in diesem Fall unter anderem Firefox 60, VLC 3.0 und Libre Office 6.0. Linux Mint 19 bekommt wie Ubuntu 18.04 Langzeit-support für fünf Jahre bis zum April 2023. Das gilt für alle drei verbleibenden Mint-editionen: Nachdem sich das Mintteam vom Kde-desktop verabschiedet hat (siehe ab Seite 3), bleiben noch die Varianten mit Cinnamon, Mate und XFCE. Die Standard-edition bietet den angestammten Cinnamon-desktop, das Aushängeschild von Linux Mint. Hier liegt der Hauptehrgeiz des Mint-teams, und auch das jüngste Cinnamon 3.8 bringt wieder einige Neuerungen. Die weiteren Editionen mit Mate- und Xfce-desktop enthalten die allgemeinen Neuerungen an der Systembasis, die beiden Desktops selbst zeigen aber keine nennenswerten Änderungen gegenüber dem Vorgänger Mint 18.x.
Bei den Systemkomponenten und den MintTools gibt es signifikante Neuerungen, die zum Teil schon mit Point Release 18.3 starteten und nun mit Version 19 abgeschlossen und verfeinert wurden. Bemerkenswert ist die zunehmende Emanzipation vom Ubuntu-vorbild: Im Installer, mit den Flatpakcontainern und der Timeshift-sicherung, geht Linux Mint 19 seinen eigenen Weg.
Der Installer von Linux Mint 19
Als Installationsprogramm setzt Mint bekanntermaßen den Ubiquity-installer von Ubuntu ein. In der jetzigen Version 19 hat sich Mint allerdings in zwei Punkten von Ubuntu distanziert:
1. Home-verschlüsselung mit Ecryptfs: Beim Anlegen des ersten Benutzerkontos (im Fenster „Wer sind Sie?“) finden Sie darüber hinaus die Installer-option „Meine persönlichen Daten verschlüsseln“. Diese Art der Verschlüsselung mithilfe des Programms Ecryptfs erfasst das komplette Home-verzeichnis des Erstbenutzers. Das Tool kann im weiteren Verlauf der Systemnutzung auch auf weitere Benutzerkonten angewendet werden (mehr Informationen zu Ecryptfs ab Seite 16). Die Ubuntu-entwickler haben diese Verschlüsselung ersatzlos aus dem Installer gestrichen, eine optionale Benutzung von Ecryptfs ist lediglich noch über die manuelle Nachinstallation des Pakets „ecryptfs-utils“möglich. Es gibt jedoch keine gravierenden Bugs, welche den Einsatz von Ecryptfs verbieten würden. Kritiker wiesen hier nur darauf hin, dass außerhalb von „/home“temporäre Dateien entstehen können, die dann nicht verschlüsselt sind. Das Mint-team hat diese Bedenken offensichtlich als akademisch verworfen und behält diese Option im Installer unverändert bei.
2. Kein Mint „minimal“: Während Linux Mint 19 die Ecryptfs-option bewahrt, lehnt es auf der anderen Seite eine Neuerung des Ubuntu-installers ab – nämlich die einer
„minimalen“Installation. Es widerspricht seiner eindeutigen Ausrichtung, auf ein möglichst umfassendes Desktopsystem, auf Standardsoftware wie Libre Office oder VLC zu verzichten.
Systemaktualisierung und Timeshift
Die Snapshotsicherung mit Timeshift wurde bereits mit dem letzten Point Release 18.3 unter der Version 18 eingeführt, erhält aber in der Version 19 eine ungleich zentralere Rolle. Die Integration des Tools beginnt schon am automatisch startenden Willkommenbildschirm an oberster Stelle bei „Erste Schritte“. In der wichtigen „Aktualisierungsverwaltung“(mintupdate) erscheint ein farbig hervorgehobener Hinweis, die „Systemschnappschüsse“einzurichten, falls das noch nicht geschehen ist. Upgradeaktionen, egal ob im Terminal oder in der grafischen „Aktualisierungsverwaltung“angestoßen, bremst Linux Mint aus, sofern noch keine Timeshiftsicherung vorliegt.
Linux Mint hat das externe Tool Timeshift (siehe https://launchpad.net/timeshift), das seit 2013 enorme Popularität gewann, nicht einfach als zusätzliches Systemsicherungswerkzeug mit an Bord genommen, sondern überall konsequent integriert. Dazu gehört ebenfalls die logische Konsequenz, die Eigenentwicklung Mintbackup („Datensicherungswerkzeug“) zu reduzieren und zu vereinfachen: Mintbackup sichert mittlerweile nur noch Benutzerdateien im Homeverzeichnis und kann jetzt folglich ohne rootRecht laufen. Alles andere in den Systemordnern übernimmt ja Timeshift.
Timeshift ist mit den Wiederherstellungspunkten von Windows vergleichbar und wird üblicherweise automatisiert und periodisch ausgeführt, was in einem einfachen Konfigurationsdialog anfängergerecht eingerichtet werden kann. Nach dem Aufrufen des Tools sind jedoch auch jederzeit manuelle Systemschnappschüsse möglich. Der erste Sicherungspunkt (Snapshot) ist dabei immer ein komplettes Backup aller Systemverzeichnisse. Weitere Sicherungen fallen dann deutlich kleiner aus, da Timeshift nur noch die geänderten Dateien speichert. Mit der Einführung von Timeshift und der damit gewonnenen Systemsicherheit verzichtet Linux Mint 19 im Gegenzug auf ein jahrelang geltendes Stufenkonzept, das systemkritische Updates standardmäßig nicht installiert hat (nur auf den ausdrücklichen
Wunsch des Benutzers). Das Stufenkonzept existiert in der „Aktualisierungsverwaltung“unter „Einstellungen –› Ebenen“zwar noch, aber Linux Mint 19 erlaubt jetzt auch „sensible“Updates der Stufe 4 auf das System. Nebenbei kommen mittlerweile sämtliche Kernelupdates als Metapakete. Bekanntlich werden alte Kernelversionen nach Kernelupdates aus Sicherheitsgründen archiviert. Dies erfordert Speicherplatz und verlängert die Liste des Bootmanagers beim Systemstart. Durch den Einsatz von Metapaketen können alte Kernel ab sofort
bequem mit dem allgemeinen Aptbefehl sudo apt autoremove gelöscht werden, sobald sich ein KernelUpdate als problemlos erwiesen hat.
Anwendungsverwaltung mit Flatpaks
Die Softwarezentrale mintinstall („Anwendungsverwaltung“auf deutschem System) wurde bereits für das Point Release 18.3 grundlegend überarbeitet. Hierbei wurden die Ladegeschwindigkeit des Programmes und die Reaktionszeiten beim Klick auf „Ka
tegorien“wesentlich verbessert. Unter den „Kategorien“findet sich mittlerweile auch eine Schaltfläche „Flatpak“. Dies ist nicht ganz logisch, weil es sich bei Flatpak nicht um eine inhaltliche Kategorie wie „Film und Klang“handelt, sondern um eine Technik, Software in distributionsunabhängige Container zu verpacken. Trotz unlogischer Stelle ist es grundsätzlich verdienstvoll, dass die Anwendungsverwaltung die auf Flathub (https://flathub.org/) angebotene Software hier an zentraler Stelle anbietet. Flatpak„installationen“werden des Weiteren wie echte Installationen ordnungsgemäß in das Mint-menü eingetragen. Wegen seiner Entscheidung
für Flatpak-container distanziert sich Linux Mint von seiner Systembasis Ubuntu, das mit dem prinzipiell vergleichbaren Snap-format andere Wege geht. Was ist Flatpak? Die übliche Verteilung von Linux-software erfolgt in diversen Paketformaten wie DEB und RPM für unterschiedliche Linux-distributionen und zudem für mehrere Versionen einer Distribution. Diese Paketpflege ist für die Macher einer Distribution mit hohem Aufwand verbunden und führt oftmals dazu, dass aktuelle Versionen wichtiger Programme nicht vorliegen. Das App-format „Flatpak“ergänzt die grundlegende Paketverwaltung des Systems um einen neuen Installationsweg, der an Applikationen für Smartphones erinnert. Flatpaks erlauben die distributionsunabhängige Installation von Programmen inklusive aller abhängigen Komponenten in Verzeichnissen, welche vom übrigen System isoliert sind. Programme im Flatpak-format sind eine willkommene Ergänzung bei fehlenden oder veralteten Programmen. Bei Flatpak sei allerdings immer ein genauer Blick empfohlen: Während der Audioeditor Audacity als klassisches Deb-paket gerade einmal 25 MB Speicherplatz fordert, frisst er als Flatpak satte 1,9 GB!
Kleine Verbesserungen für alle Mint-editionen
Willkommen-dialog (mintwelcome): Das Willkommen-fenster, das den Nutzer nach der Installation begrüßt, wählen erfahrene Benutzer normalerweise mit dem entsprechenden Kästchen im Dialog ab. Anfänger sollten das die ersten Tage allerdings nicht tun: Mintwelcome hat nämlich in Mint 19 erheblich gewonnen und avanciert zur echten Einstiegshilfe. Wirklich praxisnah ist die Rubrik „Erste Schritte“, die Anfängern sofort die wichtigsten Systemzentralen nahebringt und direkt zu diesen verlinkt (Einstellungen, Aktualisierung, Timeshift, Treiber, Software). Selbstverständlich ist mintwelcome aber auch ohne automatischen Start jederzeit im Startmenü erreichbar.
Texteditor Xed: Die X-app Xed erhält einen wesentlich klareren Einstellungsdialog, der anstatt den früheren Registerkarten eine Navigationsspalte verwendet. Der Optionsumfang hat sich – abgesehen von einem Plug-in zur Wortergänzung (unter „Erweiterungen“) – nicht geändert. Zusätzliche Verbesserungen durch eine Suchleiste und Unterstützung für dunkle Desktopthemen hatte Xed bereits im Laufe der letzten Point Releases erhalten.
HI-DPI: Die Unterstützung hochauflösender Bildschirme wurde in allen Mint-editionen verbessert. Das Standardthema Mint-y bietet außerdem extragroße Symbole, um die Darstellung bei HI-DPI zu optimieren.
exfat-dateisystem: Laut einer Ankündigung sollte das kleine grafische Mint-programm Mintstick, das bislang die Dateisysteme FAT32, NTFS und Ext4 unterstützte, um das Dateisystem EXFAT ergänzt werden. Diese Option hat das Mint-team jedoch offenbar vergessen. Die Grundlagen sind nämlich gelegt, da Linux Mint 19 die Pakete
„exfat-fuse“und „exfat-utils“mit an Bord hat. Das Lesen und Schreiben solcher Medien funktioniert folglich problemlos. Und zum Formatieren mit EXFAT können Sie anstatt Mintstick das Programm Gnome-disks („Laufwerke“) verwenden, das EXFAT unter „Typ –› Andere –› EXFAT“anbietet. EXFAT ist ein einfaches Microsoft-dateisystem ohne Dateirechte, welches das Vier-gb-limit für Einzeldateien von FAT32 überwindet und häufig für Usb-datenträger genutzt wird.
Der Cinnamon-desktop in Version 3.8
Cinnamon 3.8 wurde schon vor einigen Monaten abgeschlossen, interessierte Nutzer mussten sich aber bis zum Erscheinen von Linux Mint 19 gedulden. Die Liste der Neuerungen ist lang, äußerlich Spektakuläres lässt sie aber vermissen. Am spannendsten sind sicher die nicht sichtbaren Investitionen in die grafischen Fähigkeiten des Desktops, die zu schnellerer Fensterdarstellung und einer fühlbar flüssigeren Systemleistung führen sollen. In der Tat zeigt sich Cinnamon sehr reaktionsschnell und Tasks wie Nemo (Dateimanager), die Systemeinstellungen, VLC, Xed, Terminal und Filezilla sind auf schnellen Rechnern praktisch nach dem Mausklick eingabebereit, Firefox, Thunderbird oder Gimp nach ein, zwei Sekunden. Der Dateimanager Nemo hat ein kleines, allerdings hübsches Feature erhalten: Eine Dateisuche kann mittels Klick auf das kleine Sternchen im Suchfeld dauerhaft gespeichert werden. Diese Suche ist durch einen Rechtsklick auf das Sternchen später jederzeit wieder abrufbar. Nicht mehr benötigte Suchjobs werden durch einen normalen Klick auf das Sternchen wieder gelöscht. Die übrigen Verbesserungen sind zahlreich, jedoch unscheinbar: So zeigt etwa das Applet „Klang“in den „Systemeinstellungen“im Register „Einstellungen“nunmehr einen Schieberegler, der die maximale Lautstärke zwischen 0 und 150 Prozent skaliert. Das hilft nicht nur, das Soundsystem zu überdrehen, sondern auch in die andere Richtung, um unabhängig von der Playereinstellung die Laustärke sinnvoll zu begrenzen. Cinnamon erlaubt seit Jahren sogenannte „Desklets“– das sind Mini-anwendungen für den Desktop wie etwa eine Analoguhr oder eine skalierbare Slideshow für Bilder. Diese Desklets werden logischerweise oftmals durch Vollbildanwendungen oder andere Fenster verdeckt: Gute Dienste leistet
hier neuerdings die Tastenkombination Super-alt (oder Super-s), die alle Desklets sofort in den Vordergrund bringt.
Die Systembenachrichtigungen in der Systemleiste verfügen über eine neue Schaltfläche zum Schließen. Die Anzahl der Benachrichtigungen von Anwendungen wird des Weiteren limitiert. Cinnamon überprüft bei Notebooks, ob eine externe Maus angeschlossen ist. Trifft das nicht zu, aktiviert es selbsttätig das Touchpad des Geräts.
Unter „Einstellungen –› Energieverwaltung“erscheint in den „Zusätzlichen Optionen“der Eintrag „Sofort herunterfahren“. Diese Option kann für das Drücken des Netzschalters gewählt werden.
In puncto Zubehör hat sich Cinnamon einerseits von so manchen Dauergästen verabschiedet, andererseits neue eingeladen:
Der in der Tat nicht mehr ganz so populäre Messenger Pidgin ist nicht mehr an Bord, der Gnome-kalender ist dagegen nun Standard. Dieser erlaubt bekanntermaßen die Verknüpfung zu den Terminen und Daten eines Google-, Facebook-, Microsoft- oder Nextcloud-kontos. Damit sich ein Gnomekalender, ein Mailclient wie Thunderbird oder der Dateimanager nicht jeweils einzeln mit Onlinekonten verbinden müssen, gibt es in den Systemeinstellungen bereits seit dem Point Release 18.3 den zentralen Punkt „Internetkonten“.
Wer noch ein älteres Mint mit Cinnamon benutzt, sollte wissen, dass der Desktop inzwischen die vertikale Anordnung von Systemleisten erlaubt. Diese Fähigkeit hat Cinnamon bereits mit der Version 3.2 und dem Point Release 18.1 erhalten (Mitte 2017).